Goldene Septembertage
so schön kann Nord-Norge im Sonnenlicht sein
Seit ich euch das letzte Mal von meinen Erlebnissen berichtet habe, ist viel passiert…und das möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten! Das Wetter zeigte sich in den letzten zwei Wochen von seiner allerschönsten Sommerseite. Ich zähle inzwischen, wie oft ich hier schon in irgendwelchen Gewässern baden war, und sind ist eine ganze Menge. Das Wasser ist zwar jedes Mal eisig, egal ob es sich um Bergseen, Wasserfälle oder das Polarmeer handelt, aber das Gefühl nach dem Untertauchen, wenn alles auf der Haut kribbelt und man die Luft sich ganz warm anfühlt ist einmalig – und in den letzten Tagen konnte man sich danach sogar noch in der Sonne trocknen lassen.
In der Woche nach Tonis Rückkehr kehrte hier zum ersten Mal so etwas wie Alltag ein – ich machte dienstags eine kleine Wanderung, besuchte die Uni und am Donnerstag waren wir mit einigen Erasmusleuten Indisch essen; ja genau – wir waren in Norwegen im Restaurant! Wie sich arme Austauschstudenten so einen Luxus leisten können? Durch ein Angebot, das es in dieser Woche hier in Tromsø gab: „Spiser for en hundring“ Das bedeutet „für einen Hunderter essen“, eine Vielzahl der Restaurants der Stadt waren beteiligt und boten ihren Gästen ein oder zwei ihrer Gerichte für hundert Kronen, umgerechnet zehn Euro, an. Dieses für Norwegen unschlagbare Angebot durften wir uns natürlich nicht entgehen lassen und schlugen uns den Bauch mit Tandoori Salmon, Chicken Mango, Naan und Unmengen an Reis voll! Am Freitagabend gab es schon wieder eine Menge essen – Camille und Maria luden uns zum Crêpes essen in die WG ein – jeder brachte eine Zutat mit und wir erfuhren, dass original französisch die Crêpe unter anderem salzig mit Käse, Schinken und Spiegelei gegessen werden und süß mit Zucker und Zitronensaft! Danach ging es für uns noch zu einer Studentenparty in die Stadt – unsere fröhliche Gruppe mischten die lahme Stimmung dort gründlich auf und wir tanzten bis spät in die Nacht; selbst eine miesgelaunte Türsteherin, die uns unser Bier klaute und ein DJ, der sich auch auf unsere mehrfachen Bitten nicht für Abba begeistern konnte, konnten unsere Stimmung nicht trüben!
Die darauffolgende Woche begann schon wieder mit gutem Essen: meine Buddy group lud unseren Norwegischen Buddy Isak samt seinen drei norwegischen Mitbewohnern zum Essen ein (ihr erinnert euch an meinen letzten Eintrag? Die vier hatten uns aufs köstlichste bekocht und wir wollten das natürlich gleichermaßen erwidern). Und entsprechend legten wir uns ins Zeug: Bene, Maria und ich bereiteten eine traditionell deutsche Kartoffelsuppe (mit Wienerle und Krächerle) als Vorspeise zu, Emma, Amélie und Léo von La Réunion kümmerten sich um den Hauptgang, ein kreolisches Curry mit Shrimps, Kokosmilch und speziellen Gewürzen, die sie von zuhause mitgebracht hatten. Es schmeckte fantastisch! Als Dessert gab es dann als Vereinigung aller drei anwesenden Nationen deutsche Apfelküchle, französische Mousse au chocolat und norwegische Heidelbeeren als Topping. Danach konnten wir alle nur noch ins Bett rollen und trennten uns mit der Zusicherung, das nächste Mal wieder ein Dinner von den Norwegern serviert zu bekommen :)
Am nächsten Morgen hatte ich meine erste Norwegischstunde: ich hatte es durch geschicktes Kreuzen im Multiple-choice Einstufungstest (das können wir Mediziner eben gut) geschafft mir einen Platz im A2-Kurs zu ergattern (A1 ist Anfängerlevel, also einen Kurs darüber) … und war erst einmal und bin bis jetzt ziemlich überfordert. Unser Lehrer ist sehr lustig und nett, spricht allerdings nur Norwegisch mit uns – er stellt uns der Reihe nach Fragen und fordert uns zum Gespräch auf, versucht uns norwegische Grammatik (auf Norwegisch) begreiflich zu machen und lässt sich auch von unseren meist ratlosen Gesichtern nicht bremsen. Zweimal die Woche findet der Kurs statt und jedesmal gibt es ein Diktat – wer null Fehler hat, bekommt beim nächsten Mal als Belohnung ein „kjærlighet på pinne“, also „Liebe am Stiel“ – so nennen die Norweger Lollies :) Ich glaube, dass ich dort wirklich viel mitnehmen kann und bin wirklich froh diesen kostenlosen Kurs der Uni besuchen zu können!
Dann kam der Mittwoch und mit ihm der Sommer zurück – uns zog es für diesen Tag auf die malerische Insel Hakøya –auf Deutsch Märcheninsel. Und sah die nur spärlich bewohnte Insel mit ihrem lichten Birkenwald, durch den die Sonnenstrahlen schimmerten, auch aus…wir verbrachten den Tag damit träge in der Sonne zu liegen, Steine übers Wasser schnipsen zu lassen und geräucherten Lachs im Feinkostladen auf dem Weg zu probieren. Abends fuhr ich dann zum Flughafen um Anita abzuholen, die den weiten Weg aus Freiburg auf sich genommen hat um mich hier eine knappe Woche zu besuchen.
Mit ihr und acht meiner internationalen Freunde hier wollten wir einen Wochenendtrip auf die Insel Ringvasøya machen – dort gibt es eine Hütte des norwegischen Wandervereins, in der wir zwei Nächte übernachten wollten…los ging es am Freitagnachmittag, mit großen Rucksäcken saßen wir erwartungsvoll im Bus zum Stadtzentrum, von wo wir in den täglich einzigen Bus zu dieser Insel steigen wollten…und steckten plötzlich tief im Feierabendverkehr fest. Panisch checkten wir unsere Handys, der Anschlussbus sollte in wenigen Minuten abfahren und wir kamen im Stau kaum voran. Da hatte Emma die Idee früher auszusteigen und zu einer anderen Haltestelle zu laufen…die ganze Truppe sprang aus dem Bus und sprintete die Straße hoch – doch die in der App eingezeichnete Bushaltestelle existierte nicht. Verzweifelt rannten wir hin und her…wohl wissend, dass unsere Chancen den Bus zu erreichen mit jeder Minute schwanden…und sahen ihn schließlich in der Ferne vorbeirauschen. Deprimiert sammelte sich der Haufen Studenten, die sich wieder wie unerfahrene Touristen vorkamen und suchte nach einem Alternativplan. Es gibt auch noch Wanderhütten auf dem Festland, die gut mit dem Bus zu erreichen sind und wir beschlossen schließlich stattdessen dorthin zu fahren. Unser erstes Ziel war die Hütte Blåkollkoia, die wir nach ca. 2h erreichten. Auf dem Weg dorthin wurden unsere bereits knurrenden Mägen mit Bergpanorama im Abendlicht beschwichtigt und endlich angekommen kochten wir uns erst einmal einen riesigen Topf Spaghetti mit Pesto. Diese Hütten hier sind eine tolle Sache: man zahlt einen Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft und bekommt dann einen Schlüssel, mit der man in ganz Norwegen Zugang zu ihnen hat. Es gibt dort Betten, Gasherd, Geschirr, Feuerholz und Ofen und ein Plumpsklo. Die Bezahlung basiert auf Vertrauen, jeder Übernachtungsgast trägt sich in ein Buch ein und hinterlegt die Kosten in einem Umschlag. Da noch eine Familie mit einem kleineren Kind dort übernachtete, überließen wir ihnen das eine Schlafzimmer und ein Teil von uns schlief mit Matten auf dem Boden…nachdem wir am Lagerfeuer die ersten Nordlichter der Saison bestaunt hatten, wurden wir früh nach einer kurzen Nacht von der Sonne geweckt. Nach ausgiebigem Frühstück mit Erdnussbutter- und Nugatti- (eine Norwegische Variante von Nutella) Broten ging es ganz entspannt weiter zur nächsten Hütte mit dem Namen Skarvassbu…diese lag traumhaft oberhalb eines Sees auf einem Felsplateau mit der beeindruckenden Silhouette des Tromsdalstinden im Rücken. Unter einem knallblauen Himmel verbrachten wir den Nachmittag draußen mit baden, sonnen und Uno, Schach spielen und Watten. Watten ist ein österreichisches Kartenspiel mit dafür speziellen Karten, welches die Österreicher leidenschaftlich betreiben – und uns anderen an diesem Wochenende zumindest in Grundzügen beibrachten. Wichtig ist hierbei, das Watten an sich schon die Tätigkeit des Spiels beschreibt; man sagt also nicht: „Lass mal ne Runde Watten spielen!“ sondern „Lass mal Watten“ Am Sonntag zog es uns dann wieder heimwärts, wobei wir auf dem Weg an einem Gebirgsbach natürlich wieder eine Schwimmpause einlegten.
Anstatt uns am Montag von unserem Hüttenwochenende zu erholen, beschlossen Toke, Fabian und ich den letzten Sonnentag auszunutzen und auf den Store Blåmann (ins Deutsche übersetzt „der große Blaumann“) zu steigen. Dabei handelt es sich um den höchsten Berg der Insel Kvaløya, der seinen Namen aufgrund seiner markanten Silhouette eines Männergesichts mit Hakennase trägt. Man beginnt wie immer hier auf Meereshöhe und bewältigt die 1044m bis zum Gipfel über einen geradewegs steil ansteigenden Pfad, der nach kurzer Zeit in felsiges Geröll mündet. Kleine Kletterpartien und die fantastische Aussicht machten diese Wanderung zu einem echten Erlebnis und auf dem Rückweg hatten wir sogar das Glück von zwei norwegischen Studentinnen, die wir auf dem Gipfel trafen, im Auto bis nach Tromsø zurück genommen zu werden :)
Von unserem Trip der letzten Tage zu den Lofoten erzähle ich euch dann in meinem nächsten Eintrag, bis bald!
Comments