Gesetz wird zum Integrations-Stolperstein
Sana ist 23, sehr ambitioniert und möchte ihr Leben in Dänemark verbringen. Leider ist das aber nicht so einfach. Alessa_auf_Fyn über die Steine in ihrem Weg, die sich dänische Gesetzgebung nennen...
Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Das ist nicht nur meine persönliche Erfahrung als Freiwillige in Dänemark, sondern auch allgemeiner Konsens, wenn es um Einwanderungspolitik geht.
Sana Qamer, 23, kommt aus Pakistan und ist Klassenbeste im Kurs 315 der Sprachschule in Odense. Trotzdem wird ihr die Teilnahme am staatlichen Abschlussexamen verweigert. Die Geschichte eines Gesetzes, das alle über einen Kamm schert.
1996 flüchtet Sanas Familie aus Pakistan nach Deutschland. Aufenthalt bekommen sie, dem Gesetz entsprechend, immer nur für sechs Monate. Dann nämlich, wenn der Anwalt bewiesen hat, dass die Situation in ihrem Heimatland keine Rückreise zulässt.
Trotz der ständigen Angst vor Abschiebung macht Sana sich gut in der Schule, sie besucht schließlich das Gymnasium und erlangt ein überdurchschnittlich gutes Abitur. Da Flüchtlinge aber weder studieren noch arbeiten dürfen, sieht Sana sich gezwungen, eine schulische Ausbildung zu beginnen. Der Traum einer akademischen Laufbahn wird zunächst auf Eis gelegt.
Doch die Familie hat Glück: 2007 erlässt die Bundesregierung ein Gesetz, dass allen Flüchtlingen, die sich mindestens sieben Jahre in Deutschland aufgehalten haben, eine permanente Aufenthaltsgenehmigung gewährt. Erleichtert kann Sana anfangen zu arbeiten.
Seit einem Jahr arbeitet die junge Pakistanerin in einer Inkassofirma, als sie auf einem Fest ihren zukünftigen Ehemann kennenlernt. Er ist Däne, die amtliche Hochzeit findet 2009 kurz hinter der Grenze statt, damit auch alles seine Ordnung hat.
Und dennoch gibt es ein unangenehmes Déjà-vu: Der Antrag auf Aufenthaltserlaubnis in Dänemark wird abgelehnt. Sana bleibt Tourist in dem Land, in dem sie ihre Zukunft verbringen will. Mindestens jeden dritten Monat muss sie das dänische Staatsgebiet für kurze Zeit verlassen.
Doch das junge Paar gibt nicht auf. Engagiert meldet Sana sich in der Sprachschule an, obwohl sie, im Gegensatz zu den anderen Einwanderern, circa 180 Euro monatlich für den Unterricht bezahlen muss. Motiviert und ehrgeizig verpasst sie keine einzige Unterrichtsstunde und engagiert sich darüberhinaus im Schülerbeirat.
Ihr Fleiß zahlt sich aus: Nach einem knappen Jahr ist sie in Modul fünf aufgestiegen, den letzen Abschnitt der allgemeinen Dänisch-Ausbildung. Fehlt nur noch das Abschlussexamen, das aus einer schriftlichen und einer mündlichen Prüfung besteht und Voraussetzung für die dänische Staatsbürgerschaft ist.
Wie alle anderen Kursteilnehmer bereitet Sana sich intensiv auf diese letzte Etappe vor. Auch die zusätzlichen 200 Euro Gebühren schrecken sie nicht ab. Doch sie muss eine bittere Enttäuschung erleben. Sana wird die Teilnahme an der staatlichen Abschlussprüfung verweigert. Der Grund ist banal: Ihr Name steht nicht im zentralen Personenverzeichnis des Staates Dänemark.
Wie kann es dazu kommen, dass die Gesetzgebung die Integration von Einwanderern derart behindert? Dahinter steckt ein eigentlich sehr humanes Gesetz. Um Zwangsehen und Menschenhandel zu verhindern, wird ausländischen Frauen unter 24 Jahren bei Heirat mit einem dänischen Mann grundsätzlich keine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.
Für Sana allerdings ist das Gesetz nur ein weiterer Faktor, der ihren Integrationsprozess verlangsamt. Denn grundsätzlich erfüllt sie alle Anforderungen, die für den permanenten Aufenthalt verlangt werden: Die gemeinsame Wohnung ist größer als 50 qm², ihr Mann arbeitet und hat die letzten drei Jahre keine Staatshilfe empfangen, 60.000 Kronen sind auf einem Sicherheitskonto weggeschlossen.
Nur ihr Alter steht Sanas Ambitionen im Weg. Mit bestandener Abschlussprüfung könnte sie in das studiumsvorbereitende sechste Modul wechseln und damit ihrem großen Traum, Deutschlehrerin zu werden, ein gutes Stück näher kommen.
Auch Klassenlehrer und Schulleitung finden das Prüfungsverbot skandalös, sie setzen sich für eine Sonderregelung ein, betonen Sanas Zuverlässigkeit und Leistungsbereitschaft. Doch bis zuletzt lässt sich niemand im Integrationsministerium erweichen. Das Examen findet ohne Sana statt.
Um der jungen Frau die Zukunft nicht zu verbauen, wird schließlich eine schulinterne Lösung gefunden. Entgegen der Regeln und nur aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Leistungen darf Sana ohne Prüfung direkt mit dem sechsten Modul beginnen. Damit Integrationswille und Anstrengung eben doch noch belohnt werden - entgegen der Gesetzgebung…