Generation Einzelkind
Jahrzehntelang wurde in China eine strikte Ein-Kind-Politik geführt, nach der Paare mit mehr als einem Kind hart abgestraft wurden. 2015 wurde diese Gesetzgebung überraschend gelockert - Was veranlasste diesen Wandel?
Chinesische Männer haben heutzutage ein großes Problem: Sie sind in der Überzahl. Statistisch kommen 120 Männer auf nur 100 Frauen, gerechnet auf die Population Chinas sind das Millionen von Singles. Das macht die Verzweiflung groß: Für diese Männer gibt es keine chinesischen Frauen, dabei ist eine eigene Familie ein Muss in China. Für viele Männer, gerade auf dem Land, käme es einem Gesichtsverlust gleich, alleinstehend zu bleiben: Sie stehen in der Verantwortung, die Familienlinie weiterzuführen, sie müssen mindestens einen männlichen Nachkommen zeugen.
Und das hat dramatische Folgen, zum Beispiel boomt der Hochzeitstourismus: Viele Männer suchen im angrenzendem Ausland nach jungen Frauen, in Laos, Myanmar oder Vietnam beispielsweise: Die Frauen hoffen auf einen besseren Lebensstandard in China, während ihre Familien sich ein hohes Brautgeld erhoffen. Die dunkle Seite dieses Trends sind Menschenhandel und Entführungen: So werden Mädchen teilweise schon sehr klein entführt und später dann zwangsverheiratet, so verzweifelt sind manche Familien eines einsamen Sohnes, oder direkt entführt und verkauft, sogar an mehrere Männer teilweise.
Mit diesen Langzeitfolgen hatte wohl niemand gerechnet, als vor 35 Jahren die Geburtenkontrolle eingeführt wurde. Das Ziel der 1980 eingeführten Gesetzgebung war es, die Population auf 1,2 Milliarden zu beschränken - und so das Wirtschaftswachstum zu halten, Ressourcen zu schonen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Deshalb wurden strenge Restriktionen eingeführt: Paare mussten zur Heirat sich eine Erlaubnis einholen, wofür auch nahgewiesen werden musste, dass man die „Kompetenz Empfängnisverhütung“ besaß. Jedes geplante Kind musste im Amt für Bevölkerungskontrolle „beantragt“ werden, und bei Verstoß der Ein-Kind-Regulierung drohten Geld-und Haftstrafen.
Diese Politik hatte direkte Folgen auf die Bevölkerungsentwicklung: Um den Familiennamen weiterzuführen, wurden männliche Nachkommen bevorzugt. Gerade auf dem Land brauchten die Menschen die zusätzliche Arbeitskraft durch einen Sohn und konnten so Familienbetriebe weiterführen. Das führte allerdings dazu, dass viele Mädchen abgetrieben oder nach der Geburt verstoßen wurden - eine tragische Entwicklung, die zu dem heutigen Ungleichgewicht in der chinesischen Bevölkerung führte.
Diese Generation Einzelkind hat allerdings noch weitere Probleme: Tatsächlich tendieren viele Eltern dazu, ihre Einzelkinder zu verwöhnen, die ganze Familie verhätschelt den einzigen Nachkommen - die häufigen Folgen: Niedrige Sozialkompetenzen, Übergewicht oder extreme Förderung und Ansprüche seitens der Eltern. Bei durchschnittlich einem Kind pro Familie überaltert die Gesellschaft auch rapide, bereits jetzt zeichnen sich Probleme mit der Altersversorgung, Renten und dem Gesundheitssystem ab.
Hat die chinesische Regierung also wegen diesen Konsequenzen umgelenkt? Nicht wirklich. Es waren vor allem ökonomische Gründe, die die Partei zum Umdenken zwangen: die Arbeitskraft der chinesischen Bevölkerung sinkt. Und das bedeutet vor allem, dass China ökonomisch abgehängt wird. Der große Konkurrent Indien wird 2040 circa 850 Millionen arbeitsfähige Bürger haben - China nur noch 690 Millionen. Wenn sich diese Tendenz also weiter so entwickelt, werden 2050 35% der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein: China wird schneller alt als reich.
Tolle Doku: https://info.arte.tv/de/china-maenner-not
Andere Quellen: https://www.welt.de/politik/ausland/article148221645/Warum-China-seine-Ein-Kind-Politik-wirklich-stoppt.html
https://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/fileadmin/Redaktion/Institute/Sozialwissenschaften/BF/Lehre/Materialien/Praesentation_Ein-Kind-Politik.pdf