Gegen die Konsumgesellschaft: Minimalismus
Die Minimalismus-Bewegung wird mit dem Ansatz, den eigenen Konsum zu hinterfragen, immer populärer in Europa. Es geht grundsätzlich um die Idee, durch den reduzierten Kauf von Dingen nicht nur der Umwelt, sondern besonders sich selbst etwas Gutes zu tun.
Der Konsum von „Dingen“ ist besonders Nordamerika und Westeuropa immens. Mit jedem Tag werden Tonnen an Besitztümern gekauft, verkauft, produziert und weggeschmissen. Das Kaufen von Spielzeug, Dekoration oder Kosmetikartikeln ist so normal geworden wie das Wegschmeißen dieser Dinge. Eine britische Studie fand heraus, dass ein durchschnittlicher Zehnjähriger ca. 238 Spielzeuge besitzt, aber mit nur 12 davon täglich spielt. Ich kann das aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Während wir noch immer einen ganzen Keller voller Spielzeug aus meiner Kindheit haben, habe ich mit den wenigsten Dingen daraus wirklich häufig Zeit verbracht. Derzeit sind die 12% der Weltbevölkerung, die in Nordamerika und Westeuropa leben, für 60% der privaten Konsumausgaben verantwortlich. Im Vergleich dazu verantworten die 30% der Bevölkerung, die in Südasien und Südafrika leben, gerade einmal 3,2% der Konsumausgaben. Wie man sieht, haben wir als westliche Bevölkerung ein ernsthaftes Problem mit dem Konsum von Dingen. Wir Westeuropäer:innen verdienen Geld, kaufen und schmeißen weg. Und das ganze am besten so oft wie möglich.
Als Gegenpol zu diesem Verhalten hat sich die Minimalismus-Bewegung entwickelt. Bekannt sind dabei unter anderem die beiden Blogger von „The Minimalists“. Ihre Definition von Minimalismus lautet: „Minimalismus ist ein Tool, das dich dabei unterstützen kann, Freiheit zu finden. Freiheit von Angst. Freiheit von Sorgen. Freiheit von Überforderung. Freiheit von Schuld. Freiheit von Depression. Freiheit von den Fallen unserer Konsumkultur, um die wir unsere Leben gebaut haben. Echte Freiheit.“ Das Konzept dabei ist es, seine Emotionen nicht an Dinge zu koppeln, sondern unabhängig von ständigem Konsum zu leben. Es gibt zum einen sehr extreme Minimalisten, die z.B. mit nur 100 Dingen leben. Aber es gibt auch einen simpleren Ansatz, der für mehr und mehr Menschen immer interessanter wird. Dabei hinterfragt man zunächst bei jedem Kauf, inwiefern das Gekaufte von Wert ist. Ist es wirklich notwendig oder macht es dich wirklich glücklich, diesen Schal zu kaufen? Zugleich regt Minimalismus dazu an, einmal gründlich seine eigenen vier Wände auszumisten.
„The Minimalists“ haben einen besonderen Beitrag dazu geleistet, Minimalismus populärer zu machen. Joshua Fields Millburn und Ryan Nicodemus sind nicht nur durch ihren Blog, ihre Bücher und einen Podcast bekannt geworden, sondern haben mittlerweile eine eigene Netflix Dokumentation produziert. Dabei zeigen sie auf, wie extrem das Leben von Konsum bestimmt wird und wie man aus dem Hamsterrad von „Geld verdienen und konsumieren“ herausfinden kann.
Eine weitere Größe in der Minimalismus Szene ist Marie Kondo, die es durch ihr Buch „Magic Cleaning“ zu internationaler Bekanntheit geschafft hat. Auch sie hilft ihren Leser:innen dabei, Schritt für Schritt aufzuräumen. Ihr etwas spiritueller Ansatz dabei ist es, sich bei jedem Teil zu fragen, ob das wirklich glücklich macht. Mit ihren Ideen hat sie bereits Millionen Menschen dazu inspiriert, endlich ordentlicher zu werden.
Tatsächlich zeigt eine Studie von Consors Finanz, dass gerade die jungen Europäer:innen immer mehr zu nachhaltigen Konsument:innen werden. 72% der Millennials bevorzugen den Kauf von wenigen und dafür hochwertigen Produkten. Zugleich teilen, tauschen und mieten 80% der Generation gerne. Obwohl in Europa also ein Konsumproblem herrscht, scheint sich das in eine nachhaltigere Richtung zu entwickeln. Besonders durch das größer werdende Bewusstsein im Bezug auf Nachhaltigkeit und den Fokus auf die Zukunft der Erde wird Minimalismus ein spannendes Thema.
Im Alltag bedeutet das Konzept zunächst, den eigenen Konsum zu hinterfragen und sich auf das „richtige“ Leben zu konzentrieren. Minimalismus bezieht sich dabei nicht nur auf den Besitz von Dingen, sondern auch auf mentale Last. So kann man zu einem minimalistischen Lifestyle auch das langsame und achtsame Leben zählen. Es geht generell darum zu hinterfragen, was man in sein Leben lassen möchte und was nicht. Darüber nachzudenken, mit welchen Dingen und Menschen man seinen Zeit verbringen möchte. Auch der minimalistische Konsum von Medien, was gerade für junge Menschen ein sehr aktuelles Thema ist, geht damit einher. Alles in allem regt der Lebensstil also dazu an, Erlebnisse statt Dinge in sein Leben zu lassen.
Wer Interesse an dem Thema gewonnen hat, kann durch einfache Internetrecherche auf viele spannende Hintergrundgeschichten, Lebensweisen und Inspirationen stoßen. Mich persönlich hat das radikale Ausmisten meines Kleiderschranks allein schon unfassbar entlastet. Ich kann es nur empfehlen, sich einmal in seinem Zimmer umzusehen und mit kleinen Schritten anzufangen -es lohnt sich.
- https://www.telegraph.co.uk/finance/newsbysector/retailandconsumer/8074156/Ten-year-olds-have-7000-worth-of-toys-but-play-with-just-330.html
- http://www.worldwatch.org/node/810
- https://www.consorsfinanz.de/unternehmen/presse/Pressemitteilungen/2018/Millennials_-verantwortungsbewusster-Konsum-statt-Kaufrausch/181212_Infografik_KB2018_Verantwortungsvoller_Konsum_CMYK.jpg
- https://www.becomingminimalist.com/clutter-stats/
- Bücher: „Magic Cleaning“ (Marie Kondo), „Einfach leben“ (Lina Jachmann), „Mein Konsumtagebuch“ (Jana Kaspar)
- Dokumentation: „The Minimalists“
- Blog: www.theminimalists.com, www.konmarie.com