Flashback to February
Über Mitbewohnerwechsel, Faschingsturbulenzen und Allerlei
Im Februar hat sich noch einiges ereignet, zum Beispiel zog meine italienische Mitbewohnerin frühzeitig aus und ging zurück nach Italien, da sie mit ihrem Projekt nicht zufrieden war und allgemein mit Stadt, Land und Leuten nicht so klar kam. Ich hoffe für sie, dass es ihr in Italien besser geht und sie dort glücklicher wird als sie hier war. Lange einsam war ich dennoch nicht, da schon zwei Tage später eine russische Freiwillige ankam, deren Projekt mit der Flüchtlingskrise zu tun hat. Dunja ist ein wahres Energiebündel mit vielen Idealen und Engagement. Es ist spannend mit jemandem zu leben, der eigentlich aus einer russischen Großstadt kommt, dann aber 3 Jahre in den USA gelebt und studiert hat und ständig um die Welt reist. Bis jetzt läuft das Zusammenleben mit ihr wirklich super, da sie total gechillt und einfach sehr nett ist.
Außerdem war im Februar ja auch noch Fasching. Dieser ist zwar nicht mit dem Deutschen Fasching so wie ich ihn kenne vergleichbar, allerdings hat es trotzdem Spaß gemacht. Am Samstag war im MCT eine »Pusta Hrusta«-Party, also eine Faschingsparty. Die meisten Leute waren sogar verkleidet und wir Freiwilligen schmückten den Klub faschingsmäßig. Meine Verkleidung war einfach mein Dirndl, da ich nicht wirklich etwas anderes da hatte und es glücklicher Weise noch passte. Zudem fanden die Slowenen das ziemlich Deutsch (obwohl ja eigentlich Bayerisch) und daher lustig. Zufälligerweise waren auch meine »Vorgängerinnen«, zwei der Freiwilligen, die vor mir in meinem Projekt tätig waren, da. Eine besuchte Freunde von damals und blieb zwei Wochen da und die andere war hier zu einem Vorbereitungs-treffen für einen Jugendaustausch. Es war super interessant sie kennenzulernen und sich ein bisschen über die Zeit und Erfahrungen auszutauschen. Auch Marjetka, eine der Deutschlehrerinnen der GESŠ kam zur Faschingsparty vorbei, um uns alle auf einmal zu treffen. Die drei machten auch für den nächsten Tag ein gemeinsames Mittagessen aus, an dem ich leider nicht teilnehmen konnte, da ich mit anderen Freiwilligen nach Ptuj zum Faschingsumzug ging.
Ptuj ist eine der ältesten Städte Sloweniens und hat einen traditionellen und sehr bekannten Umzug, den sogenannten »Kurent-Umzug«. Kurente sind Menschen, meist Männer, die ein Ganzkörperkostüm aus Schafs- oder Ziegenfell tragen inklusive Masken mit Hörnern auf dem Kopf und Glocken zum Lärmmachen um den Bauch. Traditionell rennen sie zur Faschingszeit durch die Stadt um die bösen Geister des Winters auszutreiben und den Frühling willkommen zu heißen. Ebenfalls ist es eine Tradition, dass sie hübsche Mädchen »fangen« und diese ihnen dann ein Taschentuch oder einen Schal als Lösepfand geben müssen, um wieder frei zu kommen.
Der Umzug war vom System her ähnlich aufgebaut wie bei uns: die Zuschauer stehen am Straßenrand und die einzelnen Gruppen und Wägen laufen hintereinander auf der Straße. Dennoch war einiges anders, so waren eigentlich nur traditionelle Trachtengruppen und Musikkapellen plus circa 300 Kurente vertreten, die wild tanzten und lärmten. Ehrlich gesagt hätte ich als kleines Kind dort sicherlich Angst gehabt. Laute Musikboxen, geworfene Süßigkeiten und angetrunkene Heiterkeit unter den Teilnehmern und Zuschauern fehlten beim Umzug völlig. Alles in allem war es sehr interessant, den traditionellen Fasching hier miterleben zu dürfen, allerdings freue ich mich dennoch auf den »richtigen« Fasching, den ich dann nächstes Jahr wieder erleben darf, ohne von irgendwelchen Schafsfellmenschen verfolgt zu werden.
Nach der Faschingszeit war hier im Jugendzentrum mal wieder ein Jugendaustausch, diesmal zum Thema »Social Entrepreneurship«. Das hieß: kochen, kochen und nochmals kochen. Zum Glück waren in dieser Woche Schulferien, sodass ich wirklich Zeit dafür hatte. Da sich die Teilnehmer allerdings über nur eine warme Mahlzeit pro Tag beschwerten gingen wir bald dazu über auch das Abendessen zu kochen. Glücklicherweise begannen in dieser Woche zwei neue Publicworkerinnen mit ihrer Arbeit im MCT, sodass wir immer genug Helfer hatten. Mein Kochhighlight war, als wir selbst Burek für den gesamten Austausch machten. Burek ist ein traditionell bosnisches Gericht, das im Wesentlichen aus sehr dünnen Teigschichten besteht die auf verschiedenste Weise gefüllt werden können, traditionell mit Hackfleisch. Wir entschieden uns aber für eine Variation mit Spinat und Quark und eine andere Art mit Kartoffeln. Das selbst gemachte Burek schmeckt viel besser, als das gekaufte, das es nicht so sehr ölig und fettig ist.
Neben dem Kochen nahm ich, wenn ich Zeit hatte, auch an einigen Programmpunkten des Austausches teil. So lernte ich an den Länderabenden etwas über Portugal, Italien und Transsylvanien. Letzteres kannte ich bisher nur von Dracula-Erzählungen, allerdings ist es in Wirklichkeit eine Region in Rumänien, die lange Zeit zu Ungarn gehört hatte und nach den Weltkriegen immer wieder hin und her geschoben wurde. Die Bevölkerung dort spricht weitestgehend Ungarisch und fühlt sich auch so. Und es gibt dort wirklich ein Schloss, dem nachgesagt wird, dass der legendäre Dracula dort lebte.
Zudem stand an einem Tag der Besuch des VDC s in Zagorje an. Dies ist eine Einrichtung für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen und da die Spanische Freiwillige, die im Jugendzentrum wohnt, dort arbeitet, war ich schon immer sehr gespannt darauf, wie es dort aussieht. Und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht, es ist eine sehr familiäre Einrichtung mit toller Atmosphäre, in der sich die Bewohner wirklich wohlfühlen. Einige der Behinderten wohnen auch dort, manche kommen nur jeden Tag zum »arbeiten«. Es gibt verschiedene Werkstätten dort mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden der Arbeit, sodass jeder das machen kann, was er auch schafft. Eine Werkstatt hat mir besonders gefallen: dort werden Hausschuhe genäht und Stickarbeiten angefertigt. Die Menschen dort waren alle sehr freundlich und neugierig auf die fremden Besucher. Das Wichtigste, das ich dort gelernt habe ist, dass sie ganz normal behandelt werden wollen und auch müssen, mitleidige Blicke und salbungsvolle Beteuerungen haben dort nichts zu suchen. Für die Behinderten dort, ist es wichtig eine Aufgabe und einen Platz zu haben, an den sie jeden Tag gehen und an dem sie sich gebraucht und akzeptiert fühlen. Sie erzählen ihren Familien stolz, dass sie »auf Arbeit« müssen und fühlen sich somit in die Gesellschaft integriert. Auch das kleine Gehalt, das sie bekommen trägt dazu bei, dass sie sich erwachsen und geachtet wie jede andere Person fühlen.