Festival européen du film court de Brest
Wie ich zusammen mit einer Gruppe Freiwilliger das Kurzfilmfestival in Brest vom 10. bis 15. November erlebte.
Ein kleines Mädchen läuft über die Leinwand. Sein Vater hat es an der Hand genommen und zieht sie mit sich zum Flughafen. „Ich will nach Hause, Daddy“, sagt es. Zweifacher Untertitel erscheint, Französisch und Englisch. Denn das Publikum ist sehr gemischt. Das Kurzfimfestival in Brest ist mittlerweile weit bekannt. Mit den anderen sechs Europäischen Freiwilligen, drei Ehrenamtlichen von Kino in Redon, einem Kinoexperten, unserer Tutorin und einem Europäische Freiwilligen aus Brest nehme ich am 30-jährigen Jubiläum des „Festival européen du film court de Brest“ teil.
Vier Tage lang, vom 10. bis 15. November, laufen im Kino in Brest Kurzfilme verschiedenster Art aus ganz unterschiedlichen Ländern. In eineinhalb Stunden langen Sequenzen mit bestimmten Themen zeigen Regisseure ihre Filme, manche aus professioneller Hand, manche Erstlingswerke. Unser Ziel ist es Filme für einen Kurzfilmabend im Ciné Manivel in Redon auszuwählen.
Donnerstagmorgen ziehen wir los und kommen nach dreistündiger Fahrt in Brest am Bahnhof an, wo uns Maciej, der polnische Europäische Freiwillige von hier, abholt. Nachdem wir unser Gepäck im Kino abgegeben und unsere Pässe und Karten abgeholt haben, gehen wir erst einmal gemeinsam in einem italienischen Restaurant essen.
Dann sehen wir unsere erste Reihe an Kurzfilmen, die einzigen Animationsfilme. In einem großen Kino sammeln sich die unterschiedlichsten Menschen, Jugendliche, Erwachsene, Ältere, Kinder. Und ich sitze mittendrin, mit Zettel und Stift in der Hand und nehme alle Eindrücke, Emotionen und Geschichten in mir auf. Zum Besprechen treffen wir uns in der Gruppe. Wir haben uns vorher bestimmte Kriterien gewählt, nach denen wir die Filme aussuchen wollen. Es muss für eine möglichst große Öffentlichkeit zugänglich sein, nicht zu lang dauern, nicht zu textreich gestaltet sein. Wir diskutieren lange und erfolgreich, bis wir schließlich zwei, drei Filme aufschreiben und bewerten. Und so machen wir es mit der nächsten und nächsten.
Während dem Wochenende sehen wir mehr als siebzig Filme an. Und jeden nehme ich anders auf. Es sind wahre Meisterwerke dabei, aber auch Geschichten, mit denen ich nichts anfangen kann. Während dem ein oder anderen Film muss ich weinen, bei anderen Erzählungen laut lachen. Es ist eine Achterbahn an Gefühlen, manchmal eine harte Probe, manchmal wahrer Zauber. Sogar ein Kino-Konzert besuchen wir, und obwohl es für Kinder gemacht ist, finden wir auch für uns etwas. Unsere Liste an ausgewählten Filmen wächst und wächst, manche hat der ein oder andere tapfer verteidigt, bei anderen waren wir uns alle einig. Und nicht wenige schmeißen wir wegen unserer Kriterien mit Bedauern aus der Auswahl. Ganz nebenbei lerne ich eine Menge über Filmkonzeptionen und -genres, über Bildgestaltung und Geschichtenerzählen.
Zwischen den Filmreihen sitzen wir im Café oder auf den Sofas, reden und ordnen alles an Eindrücken, was auf uns eingeströmt ist. Das ganze Kino sirrt vor Menschen, Besuchern, Schulklassen, Freiwilligen, Familien, Regisseuren. Wir kommen aber auch dazu, ein bisschen von Brest zu sehen, wenn wir essen oder abends weggehen. Mit einem großen Hafen, Lichterbäumen und dem sonntäglichen Markt ist Brest für uns überraschend schön.
Die Anschläge in Paris reißen uns Freitagabend aus unserer Traumwelt. Die Stimmung ändert sich, nicht nur in mir, sondern allgemein. Sicherheitskontrollen und Soldaten auf den Straßen weisen darauf hin, die Gespräche werden gedämpfter. Am Samstag trägt eine Filmexpertin vor dem Wettbewerb der Filme aus Brest ein Gedicht über die Anschläge des 11. September in den USA vor. Es trifft die herrschende Stimmung. Und doch ist es ihr wichtig, das Festival weiterzuführen. Die Kunst muss stärker sein als der Terror. Denn dieser darf nicht siegen.
Denn das ist es, was dieses Festival ausmacht. Es ist gelebte Kunst, gelebte freie Meinungsäußerung, freie Entfaltung, freie Kreativität, erlebt gemeinsam mit Menschen aller Herkunft, Religionen, Vorlieben, Denkweisen. Etwas, das erhalten werden muss.