Festhalten: Festtage
Zwischen 2017 und 2018 liegt ja bekanntlich ein Jahreswechsel. Auch unverkennbar ist dies eine äußerst brisante Zeit. Nicht nur, weil Menschen plötzlich Schwierigkeiten bekommen, das Datum richtig zu schreiben, nein, manche gehen sogar verloren in der feucht-fröhlichen Zeit, die man so treffend "Die Feiertage" nennt. Von überall aus der Welt erreichten mich Anfragen, wie denn genau diese brisante Zeit zwischen Krippenspiel und Polenböllern hier aussieht. Nun ja, so wie eben anmoderiert jedenfalls nicht. Ein Resümee.
In diesem Blog wollte ich eigentlich über die Spezies der ghanaischen Seeschlange berichten, aber dann ist doch wieder etwas dazwischen gekommen: Die Feiertage. Und eigentlich hätte ich euch schon früher berichtet, wie die hier vor Ort in brennender Hitze zelebriert wurden, aber ich bin eine Woche in intensivem Spiel mit dem Feuerwehrauto versunken, was ich nach 3 Jahren des dauerhaften Wünschens jetzt doch noch geschenkt bekommen habe, danke Mama und Papa!
Aber auch wenn man den ganzen Schwachsinn aus den oberen Zeilen wegradiert, so sticht ein Wort dennoch nach wie vor deutlich ins Auge: FEIERTAGE! Irgendein buckliger Glöckner läutet bei diesem zusammengesetzten Substantiv in meinem Kopf:
Ach ja: Euch allen ein frohes, neues, glückliches, gesegnetes Jahr 2018, auf dass es für uns alle mit vielen erfüllenden Momenten angereichert sei! Ich hoffe eure Feiertage waren vom Stimmungs-Niveau auf meinen und die Familie ist nicht zu kurz gekommen. Fühlt sich irgendwie doch seltsam an, das zu schreiben, wenn 90% der Leser die eigene Familie sind und man der einzige ist, bei dem die Familie zu kurz gekommen ist, weil man mal eben seinen Fernbus versetzt hat und für eine schlaflose Wanderung immerhin 55 Tage im Voraus hätte starten müssen. Dennoch hoffe ich, ihr habt die gemeinsamen Momente genossen und die Botschaft des Weihnachtsfestes und der heiligen Familie zelebriert. Ich auch…fast.
Was die Botschaft angeht, so durfte ich am 24. Dezember, morgens zum 4. Advent, eine methodistische Messe erleben, die durch ein Adventssingen des Kirchenchors, gemischt mit 9 Lesungen nur kurz und knackig verlängert wurde. Am Anfang war das Wort. Selbiges war aber nach 5 Stunden immer noch. Jegliche Botschaft des Weihnachtsfestes wurde mir dadurch wieder vor Augen geführt und bestätigte meine weihnachtliche Stimmung, zumindest solange mein Konzentrationsbogen nicht nach Lesung 7 exponentiell abfiel. Aber gelohnt hatte es sich, denn als ich 14 Uhr in die prallheiße Nachmittagssonne stiefelte, war mir klar, dass Maria & Josef ganz klar nicht durch Tiefschnee Richtung Betlehem gezogen waren. Zusätzlich hatte sich mir eine am Vorabend aufgekommene Weihnachtsstimmung bestätigt. Auch weil „O du Fröhliche“ und „Kommt lasset uns anbeten“ auch in Englisch nichts an ihrem Heimatgefühl einbüßten.
Als nächster Arbeitsschritt fuhr ich mit der Chaotenbande unserer deutschen Freiwilligen in den Wald. Nein, nicht zum verspäteten Weihnachtsbaum-Schlagen, auch nicht ins Mahagony-Unterholz des tropischen Regenwaldes. Wir stimmten uns im riesigen botanischen Garten der Stadt mit entspannter, elektrischer House-Musik auf das weitere Fest ein. Auf der Taxifahrt dorthin wurde ich mittels Glasfaserkabel mit der Heimat verbunden, zu einem Weihnachtstelefonat, das gegensätzlicher nicht sein konnte. Auf der einen Seite das Hause Albrecht, vollversammelt (-1) unterm Tannenbaum und bereit zur Bescherung. Auf der anderen Seite Spross Albrecht Junior, mit sechs anderen stark schwitzenden Mitstreitern im überfüllten Taxi unter brennender Sonne, plus einem Taxifahrer, bei dem die friedliche Weihnachtsbotschaft noch nicht eingeschlagen war. Danke dafür trotzdem, damit werde ich hoffentlich noch meinen Urenkeln unterm Bäumchen die Wartezeit zur Bescherung verlängern!
Nach der Party unter Blütenblättern, kochte unser deutscher Weihnachtskreis gemeinsam Festtagsessen (Spaghetti mit Sauerkraut-Sahnesoße), genoss gemeinsam, bescherte sich nach Wichtelprinzip gegenseitig gemeinsam und ging bei selbstgemachtem Glühwein mit zügigen Schritten auf den Weihnachtsmorgen zu, an dem ich dann glücklich und beschenkt pünktlich zum Hahnenkrähen in die Federn fand.
Der erste Weihnachtsfeiertag ist zu großer Erwähnung eigentlich nicht wert, gehört aber in die Chronik hinein. Außerdem wählte ich einen amerikanischen Trend und packte meine Geschenke am Morgen aus, die mich bereits frühzeitig am 6. Dezember aus dem fernen Dschörmany erreicht hatten. Danke nochmal für alles! Über den weiteren Tag half ich einer Nachbarsfamilie beim Kochen, wurde prompt eingeladen und besänftigte das dumpfe Puckern im Schädel. Alles in Allem ein friedlicher 25. So, wie er sein soll.
Doch dann wurde aufgebrochen. Unsere Reisegruppe machte sich bis unter die Zähne ausgerüstet auf, in den Regenwald. Diese Formulierung bedient nun doch ziemlich viele Klischees und die längere, akkurate Form wäre, dass wir Richtung Ho, der Hauptstadt der Voltaregion aufbrachen, deren Umland für üppige Naturschauspiele und eben tropischen Regenwald bekannt ist. Dort trafen wir eine Magdeburger Mitfreiwillige am lokalen Hasselgrill. In den folgenden Tagen wurde dörfliches Leben erkundet und vor allem der Duft der Natur im Vergleich zum Großstadtmief ausgekostet. Außerdem wurde der höchste Berg Ghanas, der Mt. Afadjato mühselig bestiegen, welcher zwar mit kleinen 885m vom benachbarten Berg in Togo deutlich überragt wurde, von dessen schwerem Aufstieg sich aber die Eckerlöcher am Brocken noch eine Scheibe abschneiden können, wenn es um Herausforderung geht. Auch die höchsten Wasserfälle Westafrikas, die Wli-Wasserfälle wurden erkundet und das Wasser im Pool des oberen Teils der Fälle angetestet. Die immerhin 143m Gesamtlänge der oberen und unteren Fälle boten dabei zu jeder Verschnaufpause auf dem Weg zum oberen Pool ein beeindruckendes Bild. Außerdem trafen wir auch bei dieser wander-/klettertechnischen Herausforderung viele Mitstreiter von überall aus der Welt. Es war in jedem Fall ein sehr erhebendes Gefühl der Natur mal etwas näher zu sein und andere Leute als die Nachbarn zu treffen.
Diese Andern haben wir dann auch in Busua getroffen, einem Strandort, in dem wir nach einem Tagestrip am 30. Dezember abends gut fertig eingetroffen sind. Dort standen alle Zeichen auf Silvester-Zelebration! Die Clubs am Strand wurden eingerichtet, die Geheimtipps von den Locals eingeholt und eine nahe Insel per Boot erkundet. Silvester war dann tatsächlich auch mit Feuerwerk verbunden, wenn auch zum Glück längst nicht auf brandenburgischem Niveau. Viele andere Freiwillige wurden kennengelernt und connectet und an manchen Ecken schloss sich ein Kreis. Viele Leute waren in diesen Ort angereist, quasi das Mallorca von Ghana, was die Deutschen-Quote betraf. Ansonsten lässt sich nicht mehr viel zu Silvester sagen, außer dass wir definitiv gut reingekommen sind und nach immer lang diskutierten Lebensphilosophien und Sinnhaftigkeiten unseres Aufenthaltes, der Schlafrhythmus der vielen Platons&Prechts deutlich verschoben blieb.
Fast wollte ich mich wieder zu der These hinreißen lassen, Busua wäre ein Urlaubsparadies für Ausländer, aber der 1. Januar belehrte mich eines besseren! Plötzlich war der Strandstreifen voll von hunderten Jugendlichen aus den umliegenden Dörfern und Städten und der Sand fegte im Tanzschritt durch die Luft. Ich hab tatsächlich noch nie so eine krasse Nachmittags-Party gesehen, wobei es für mich dank des oben beschriebenen Schlafrhythmus gefühlt die frühen Morgenstunden waren. Nach meiner üblichen Stadtbetrachtung, waren aber auch hier fast alle Strandhäuser in ausländischer Hand, was den Nutzen des Tourismus für das Dorf wieder stark verminderte. Aber ein lokales Restaurant an der zentralen Taxi-Station im Dorf hatte quasi das Monopol für die Essensversorgung der Gäste gepachtet, für unsere Reisegruppe zumindest. Kaum eine Mahlzeit wurde dort ausgelassen und am Tag der Abreise, dem 2. Januar wurde uns sogar einfach so noch ein Lunchpaket in die Hand gedrückt. Warum ich das erzähle? Weils mir krass positiv und gastfreundlich in Erinnerung geblieben ist. Sorry, für den vermasselten Spannungsbogen, die Ritter und Drachen bring ich beim nächsten Mal mit unter, vielleicht. Auf jeden Fall sind wir am 3 Januar wieder glücklich, müde und mit Muskelkater in unserer Mitte und Accra angekommen.
Am Ende eines Urlaubsberichtes muss man immer noch ein Fazit ziehen und eine Empfehlung aussprechen. Also: Es war a Draum, paar wundascheeeene Feiertaje und viele dolle Eindrücke, auch wenn die reine Entspannung an manchen Stellen zu kurz kam. Geblieben ist auf jeden Fall die typische Diashow, die ich jetzt mit feuchten Augen und verschwitzten Händen voll Inbrunst meinen Nachbarn zeigen werde…ach und Sand. Sand im Rucksack, Sand in den Socken, im Portemonnaie, in der Zahnbürste und ansonsten noch an anderen unmöglichen Stellen. Weil der Sand „soooo fein!“ war, wie du dein Kleinkind loben würdest (Was 1 Vergleich!). Also pack dein Kanu und komm rüber gerudert, du Blogleser! Ich hoffe ihr habt jetzt einen ungefähren Plan, wie ich mein Weihnachten und die Feiertage verbracht habe und werdet mich dann in einem Jahr schon in euren Ohren liegen hören:
„Boah ey, voll unusual an Weihnachten nicht unter Mangoblüten im T-Shirt zu chillen und Coconut zu sippen!“
Thomas, 19, war 1 Jahr in Ghana
So oder so ähnlich, das Wort Feiertage hat zugetroffen und jetzt holt mich sicher wieder die Routine ein. Ghana for you, stay tuned!
Mit sandigen Grüßen
KojoThomas