Failed States - Die Geschichte des Iraks
Mein Aufenthalt in der Türkei lässt mich auch über die Grenzen blicken, und vor allem zurück in die Geschichte, die diese Grenzen schuf: Welchen Einfluss hatte der Westen im Irak und wie sehen die heutigen Beziehungen aus?
Der Irak ist ein relativ junger Staat, gerade einmal hundert Jahre alt: Nach dem Fall des Osmanischen Reiches mit dem Verlust des ersten Weltkriegs wurde die großen Provinzen des einstigen Großreiches, die Levante und Mesopotamien, von den Siegermächten verwaltet. Diese, allen voran Frankreich und England, teilten damit diese Gebiete unter sich auf: Mit dem geheimen Sykes-Picot-Abkommen zwischen zwei Diplomaten wurde die osmanischen Provinzen Basra, Bagdad und Mossul zum Staatsgebiet des heutigen Iraks zusammengefasst. Die Briten installierten dann schließlich eine unter ihrem Mandat stehende parlamentarische Monarchie, die sich auf eine kleine sunnitisch-arabische Militär-Elite stützte. Der Irak war damit kein natürlich begründeter Nationalstaat, der sich auf ein Volk berufen konnte, sondern es waren völlig willkürlich gesetzte Grenzen die verschiedene Volksgruppen vereinen sollten.
Dabei übte die arabische-sunnitische Minderheit die Macht aus, hauptsächlich indem sie die schiitische Mehrheit (60%) und die nach Unabhängigkeit strebenden Kurden (20%) unterdrückten. Damit war bereits die Staatsgründung konfliktgeladen, aber der starke britische Einfluss und die Kontrolle hielten das Staatskonstrukt zusammen. Diese „Stabilität“ endete allerdings mit einem Militärputsch 1958, worauf hin ein Jahrzehnt von autoritären, nationalistischen Regimen folgte. Die sozialistische Baath-Partei endete dieses Chaos, indem sie eine säkular-nationalistische Entwicklungsdiktatur etablierte. Und tatsächlich erreichte diese Politik gerade durch die mit den Ölpreisen steigenden Einnahmen Erfolge auf vielen Gebieten und schuf so etwas wie eine Staatsstruktur.
Erschüttert wurde diese Entwicklung von der Kriegslust Saddam Husseins, der erst in den 80er Jahren einen Angriffskrieg gegen den Iran führte und dann in den 90er Jahren Kuwait besetzte. Das führte dazu, dass sich der große Verbündete des Iraks, die USA, gegen ihn wandte und sich Bagdad international isoliert wiederfand. Auch die harten ökonomischen Sanktionen und die militärischen Kontrollmaßnahmen bewirkten nicht eine größere Friedfertigkeit des Landes, sondern erzeugten eine breite Massenarmut und eine Verelendung vieler Gesellschaftsschichten.
So zerfielen zwischen 1991 bis 2003 große Teile der Infrastruktur, der staatlichen Institutionen und vor allem der Rückhalt in der Bevölkerung. Um diese Tendenz wiederum aufzuhalten, investierte das irakische Regime in den Islam, als eine konsolidierende Kraft.
In diesem Szenario tritt nun erneut der Westen auf, denn nach dem Anschlag vom 11.09.2001 ging die US-Administration davon aus, dass Saddam Hussein Verbindung zu Al-Quaida hätte und zusätzlich noch Massenvernichtungswaffen hätte - Grund genug für den ersten Irak-Krieg, der aufgrund innenpolitischen Dissens und völliger Fehleinschätzung der Lage im Irak in einem Desaster endete: Nach dem Hightech-Blitzkrieg der USA zerfiel das ohnehin empfindliche Gleichgewicht im Irak vollkommen und das Land drohte im Chaos zu versinken. Worauf die USA einen noch größeren Fehler begingen: Sie besetzten den Irak 2003 um eine Demokratie zu etablieren, was zur Folge hatte, dass der religiöse Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten eskalierte und die Aggressionen gegen die amerikanischen Besatzer stiegen, woraufhin diese ihre Präsenz verstärkten und so fort..
In Anbetracht dieser Geschichte lässt sich die populäre Meinung unter Politikwissenschaftern, dass die USA und der Westen den sogenannten ISIS erst geschaffen haben, nachvollziehen. Natürlich würde ich niemals Terror und Mord verteidigen wollen, aber auch Terroristen werden nicht als solche geboren, sondern durch diese schrecklichen Umstände in den Fanatismus getrieben. Daher müssen wir, gerade als neue europäische Generation handeln und gegen globale Gewalt protestieren.
Hintergrund: https://www.forbes.com/sites/lorenthompson/2015/05/29/failed-state-five-reasons-iraq-cant-be-fixed/#533f3cb89ab4
http://www.bpb.de/apuz/221172/iraks-zerfall-und-der-aufstieg-des-is-zwei-seiten-einer-medaille?p=all
Und ein Erklär-Video: https://www.youtube.com/watch?v=AQPlREDW-Ro