¡Espera!
Nach langer, unerwarteter Wartezeit bin ich endlich in Ayerbe, meiner neuen Heimat fuer die naechsten 10 Monate, angekommen. Und habe schon gleich eine wichtige Lektion gelernt.
Ausserdem noch ein paar Saetze ueber meine neue Mitbewohnerin.
Die Abschiedstraenen waren kaum getrocknet, als der Flieger auf die Startbahn rollte und abhob. Ein unglaubliches Gefuehl, in den Sitz gedrueckt zu werden und gleichzeitig auf dem Bildschirm zu verfolgen, dass man schon mit ueber 300 km/h in den Himmel startet. Mein Vorurteil ueber die netten, dauerlaechelnden Stewardessen wurde leider nicht bestaetigt, sie verteilten missgelaunt Wurst- oder Kaesesandwiches und schenkten eine Runde Getraenke fuer jeden aus.
Die trockene Umgebung, die ich so ein bisschen vom Shuttlebus vom Flughafen Palma de Mallorca gesehen habe, machte mir einen guten Vorgeschmack vom noerdlichen Spanien, ebenso die Hitze bei gut 30º C. Im Anfangsseminar haben wir den Tipp bekommen, die schwersten Kleider anzuziehen, anstatt in den Koffer zu legen. Das habe ich zwar befolgt, aber gleichzeitig vergroesserten sich minutioes meine Schweissflecken unter den Armen. In Barcelona musste ich mich nach geduldigem Warten auf meinen Koffer zum Shuttlebus durchfragen, der mich zu einem anderen Teil des Flughafens mit Anschluss an den Zug brachte. Mir war schon klar, dass ich den Bus nach Huesca, den ich urspruenglich nehmen sollte, nicht mehr schaffen wuerde. Laetitia, meine neue Mitbewohnerin von der Karibikinsel Martinique, war frueher angekommen und schon mit dem Bus unterwegs.
Endlich an der Station Barcelona-Sants, hab ich mich erstmal auf dem Klo umgezogen- FlipFlops statt Wanderschuhen und ein frisches T-Shirt machen die Weiterreise doch ertraeglicher.
Wobei- an Weiterreise war erstmal nicht zu denken. An der Bushaltestelle erfuhr ich von der genervten Ticketverkaeuferin, dass der naechste Bus voll ist, und ich den letzten fuer den Tag nehmen muss. Den um 9. Jaja, klar, besser als uebernachten muessen, aber die Aussicht auf 3 Stunden Wartezeit erfreuten mich nicht gerade.
Im Wartesaal, zweckmaessig mit blauen Plastiksitzen, die zuweilen bei der kleinsten Bewegung penetrant quietschen, sassen schon ein paar Leute, einige mit mir bis zum Bus um 9. Zum Glueck gab es eine Klimaanlage. Ich vertrieb mir die Zeit mit Enrique SMS schreiben, um zu sagen, dass es spaet wird, Sudoku loesen ("sehr schwer", aber dennoch viel zu einfach), Musik hoeren und vor allem Leute beobachten. Die von der Toilette kommen, die zur Toilette gehen, die genauso in die Luft gucken wie ich, die schon halb ueber dem Koffer pennen, die draussen mit dem Mops spazieren gehen...
Komischerweise hat mir die Wartezeit nicht sonderlich die Laune verhagelt, ich hab es hingenommen. Vielleicht war es auch mal richtig so, nicht gleich zu erwarten, dass es schnell alles nacheinander ablaeuft und ich moeglichst schnell mein Ziel erreiche, sondern dass ich auch mal abwarten muss. ¡Espera! Mach langsam! Ich hatte genug Stress die letzte Zeit, jetzt mach ich langsam und warte auf den Bus nach Huesca und hoffe, dass der Sitz dort bequemer ist zum Schlafen.
Weit gefehlt. Ich muss ganz nach hinten, die Sitze sind naemlich durchnummeriert. Neben mir sitzen drei Kerle, aufsaessiger Blick und nur in der Gruppe stark. Sie schauen die alemana neugierig an, reissen Witze von denen ich nur die Haelfte verstehe und deshalb nur freundlich nicke, und unterhalten sich einfach nur lautstark. So wird nichts aus meinem Nickerchen und ich bin sehr froh, als die nach 3 Stunden Fahrt aussteigen. Insgesamt bin ich fast 4 Stunden unterwegs und fast gluecklich, als mich José Luis, der Mysterioese Mann aus den E-Mails in Huesca abholt, um 0.55 Uhr. Es stellt sich heraus, dass er die Mails gar nicht geschrieben hat, weil er naemlich kein Wort Englisch kann. Ich habe mit Enrique geschrieben. Die Unterhaltung klapt trotzdem ganz gut, José Luis' Spanisch ist gut verstaendlich- nicht wie das Catalán in Barcelona- und ich verstehe alles. Er erklaert mir, wie die naechsten Tage so ablaufen werden und spielt mir auf dem iPhone ein Video vor, das ihn beim Auslosen der Zimmer zeigt.
In Ayerbe angekommen, fahren wir als erstes am Fiesta de Santa Lucía vorbei, das mir einen freien Montag beschert und an dem ich am naechsten Abend mit ein paar Gleichaltrigen hin soll. Dafuer, dass es zwei Uhr nachts war, sassen viele Leute rund ums Festzelt. Als naechstes fuhren wir zum Telecentro de Ayerbe, meiner neuen Arbeitsstelle, ich durfte einen Blick auf alles werfen und bekam die Schluessel. Dann fuhren wir zur Wohnung, ich sagte der verschlafenen Laetitia Hallo, schaute in jedes Zimmer, und legte mich ins Bett. Schlafen konnte ich aber noch lange nicht, also stand ich nochmal auf und guckte in den Kuehlschrank, Hmm Pfirsiche!
Heute morgen haben Laetitia und ich uns schon etwas naeher beschnuppert, festgestellt, dass wir uns am besten in einem Mix aus Franzoesisch und Spanisch unterhalten und was wir jeweils nicht essen. Zum Fruehstueck gabs Café con leche und verdrueckte Croissants aus der Tuete. Ich hab mir mein Zimmer wohnlich gestaltet mit Postkarten und Perlenschnueren, die wir zusammen gebastelt haben. Ich hab sogar ein schoenes Poster von ihr aus Martinique bekommen und durfte karibische Koestlichkeiten probieren (unter anderem Bonbons, die so hart und suess war, dass ich nur ein halbes essen konnte). Im Gegenzug bot ich ihr badisch-schwaebische Kaubonbons an.
Zu Mittag haben wir Spaghetti mit Paprika-Tomatensosse gekocht- das hat gut geklappt. Ich hab ein bisschen den Ton angegeben, denn sie hat kaum Ahnung vom Kochen. Ausserdem gehoert sie einer bestimmten Religion, den Avantgardisten, wenn ich das richtig verstanden habe und trinkt deshalb nicht und raucht nicht und hoert nur Gospel. Nun muss ich wohl alleine Shisha rauchen und das Dosenbier aus dem Kuehlschrank trinken. José Luis war von der Shisha schon beeindruckt, die ist nicht nur decoración! In Zukunft werde ich mitags aber nur ein Sandwich essen, so ein warmes Essen liegt schwer im Magen, wenn man mittags Siesta machen will. Die Hitze macht mir schon etwas zu schaffen, ich wechsle dauernd das T-Shirt. Laetitia dagegen friert und hat in der Nacht sogar schon die Heizung bei sich angemacht.
Nun bin ich gespannt, wann uns José Luis anfunkt, um uns ein paar Gleichaltrige Jugendliche vorzustellen. A ver, vielleicht bin ich selbst bis um 3 nachts auf der fiesta heute.