Erste Arbeitswochen oder auch nicht?
Und so schnell sind wieder zwei Wochen um. Tatsächlich habe ich mich mittlerweile ein wenig eingelebt, kenne jetzt schon ein paar kürzere Wege, als die, die Maps mir anbietet. Ich weiß in welchen Läden man am besten einkauft und steh an der Kasse nicht mehr völlig panisch, weil ich die VerkäuferInnen nicht verstehe. Ins Nachtleben haben wir uns auch schon gestürzt, haben tanzend die ersten Clubs ausprobiert und auch schöne und vor allem echt preiswerte Bars entdeckt.
Doch nun erst mal ein paar Worte zu meiner ersten „Arbeitswoche“, die aber im Endeffekt wenig mit Arbeit zu tun hat.
23/09/19
Endlich soll es losgehen. Anna (Freiwillige) und ich machen uns zum ersten Mal auf den „weiten Weg“ nach павловск (Pawlowsk). Hier werden wir für das nächste Jahr im staatlichen Kinderhaus Nummer 4 arbeiten. Hier leben Kinder mit Behinderungen, um die wir uns kümmern. (Wer etwas mehr erfahren will kann auf diesen Link klicken https://www.perspektiven-verein.de/index.php/pawlowsk.html.) Die 40 minütige Fahrt mit der электри́чка (Elektritschka) geht schnell vorbei. Doch dann heißt es noch einmal 20 Minuten laufen. Insgesamt brauche ich von meiner Wohnung bis zur Arbeitsstelle eine Stunde und 30 Minuten.
In павловск bekommen wir von einer Mitarbeitern von Perspektivy (mehr über meine Aufnahmeorganisation findet ihr unter: https://perspektiven-verein.de/) die Räumlichkeiten gezeigt. Um alle kennenzulernen, gehen wir im Anschluss mit den anderen Mitarbeitern und Freiwilligen einen Kaffee trinken.
Eigentlich dürfen wir an diesem Tag noch nicht mit den Kindern agieren, da uns noch eine ärztliche Bescheinigung über unseren tadellosen Gesundheitszustand fehlt. Weil wir aber in Russland sind, geht es natürlich trotzdem. Es ist Clowns-Tag. So ähnlich wie bei uns die Medi-Clowns. Die Kinder sollen Freude haben. Unsere Aufgabe ist es, neben den Kleinen zu sitzen und darauf aufzupassen, dass es ihnen gut geht. Außerdem sollen wir sie unterstützen, aktiv am Geschehen teilzunehmen, in dem wir ihnen z.B. helfen, etwas anzufassen. Was für mich tatsächlich ein wenig überfordernd war, da ich überhaupt nicht wusste, worauf ich bei "meinem" Kind achten muss und was es mitmachen bzw. nicht mitmachen kann oder möchte.
Danach war unser Tag auch schon vorbei und wir fahren zusammen mit Nikita (Freiwilliger) wieder zurück nach St Petersburg. Es ist lustig, da wir auf 3 verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch und Russisch) versuchen miteinander zu kommunizieren. Es lebe die Vielfalt.
24/09/19
Wie bereits erwähnt, benötigen wir für die Arbeit in Pawlowsk eine ärztliche Bescheinigung - oder wie man es hier nennt: ein „Medizin Buch“. Dafür sollen wir heute zum Doc gehen. So weit, so gut, aber natürlich hatte ich vergessen, aus Deutschland Passfotos mitzunehmen und obendrein ist mein Impfausweis unauffindbar. Das Problem mit den Fotos ist schnell gelöst. Ich finde einen Fotografen in der Nähe und über den Google Übersetzer besprechen wir, was genau ich benötige. Zur gleichen Zeit klären Mama und Papa (noch mal ein fettes Dankeschön an euch) zuhause mit meinem Kinderarzt, dass ich eine Online-Kopie meines Impfkalenders zugeschickt bekommen. Also, alles gerade noch mal gut gegangen.
Für das "Medizin Buch" müssen wir uns einigen Untersuchungen unterzeihen. Sogar ein kleiner Psychotest ist Pflicht. Nachdem ich dem Arzt erklärt hatte, warum ich ausgerechnet nach Russland wollte, um mit behinderten Kindern zu arbeiten, fragt er zum Abschluss noch die alles entscheidende Frage: Ob ich es erwartet hätte, in Russland Bären mit Kalaschnikows auf der Straße zu sehen… Hä!? Wodka, Bären und Kalaschnikows – das sind wohl die Dinge, die man gemeinhin mit Russland verbindet. Klar hab ich da nichts anderes erwartete…
25/09 - 30/09/19
Unser "Medizin Buch" ist voraussichtlich erst am 03/10 fertig. So lange habe ich noch frei und nutze die Zeit, um ein bisschen durch die Stadt zu schlendern und natürlich um Russisch zu lernen.
Am Wochenende waren Elmar (mein Mitbewohner) und ich noch einmal auf dem Flohmarkt. Für mich gibt es zwar immer noch keine Espressokanne, aber dafür aber eine Russlandflagge für Elmar und ein Geburtstagsgeschenk für Jérôme (mein zweiter Mitbewohner). Außerdem habe ich danach endlich den lang ersehnten Russischen Döner шаурма (shawarma) gegessen. Ich dachte immer der sei landestypisch. Google hat mir aber inzwischen diese Illusion geraubt. Er ist arabisch. Trotzdem gibt es das hier an jeder Ecke.
Am Abend stiegt die erste WG-Feier mit andern Freiwilligen. Die Nacht ist noch jung und wir besuchen gemeinsam und das erste mal einen Club (namens Blank) in St. Petersburg. Das allerdings ist ziemlich teuer. 800 Rubel (über 11€) mussten wir für den Eintritt ins Blank bezahlen. Für meinen Geschmack war die Location etwas zu schick, die Musik allerdings gar nicht schlecht.
01/10/19
Da ich wegen meines fehlenden Medizin Buches noch nicht in Pawlowsk arbeiten kann, darf ich für die nächsten drei Tage an einer anderen Stelle aushelfen - im sogenannten Guest House St. Petersburg. Hier können Menschen in Not ihre behinderten oder pflegebedürftigen Familienmitglieder in sichere Hände abgeben.
Ich bin ein wenig aufgeregt, aber die Stelle ist ganz in der Nähe meiner Wohnung, also kann ja eigentlich nicht viel schief gehen. Ich kämpfe mich durch den Regen und bin überpünktlich. Doch dann das erste Dilemma: Ich wundere mich, warum die Tür-Codes, die mir geschickt wurden, nicht funktionieren. Es sind einige Türen … Da aber immer noch andere Personen durch dieselben Türen müssen (und die Codes offensichtlich kennen), komme ich bis zum Ziel, nämlich zur Wohnungstür Nummer 17. Ich klingle und ein junger Mann öffnet mir. Allerdings verschwindet er dann - ohne auch nur ein Wort zu sagen - wieder in einem Zimmer. Was ist hier los? Ich entdecke, dass am Ende der Wohnung Bauarbeiten sattfinden. Ich glaube ich bin falsch. Ein blöder Zahlendreher der Hausnummer. Ich bin nicht zur Nr. 64, sondern zur 46 gelaufen. Ich stürme aus der fremden Wohnung und renne zum richtigen Ort.
Das allerdings sollte die einzige aufregende Sache für heute bleiben. Der Tag stellt sich im weiteren Verlauf als sehr langweilig heraus. Ich lese Gedichte vor… mehr gibt es für mich leider nicht zu tun und ich weiß auch nicht, ob mich jemand überhaupt verstanden hat.
Umso mehr freue ich mich, als mich abends die Nachricht erreicht, dass ich am nächsten Tag nach Pawlowsk darf. Warum das auf einmal auch ohne "Medizin Buch" geht… who knows.
02/10 & 03/10/19
Ich werde ab jetzt immer nachmittags ab 13.30 Uhr arbeiten. Am ersten Tag möchte und sollte man natürlich pünktlich sein. Deswegen haben Anna (Freiwillige und ab jetzt auch Arbeitskollegin) und ich uns schon für 11:15 Uhr verabredet, um den Zug nach Pawlowsk zu nehmen. Doch am Bahnhof die böse Überraschung: der Zug kommt erst 12:14. Aber nicht verzagen Yandex (sozusagen das russische Google) fragen und tatsächlich gelangt man, also wir, auch anders - nämlich mit der U-Bahn und der Marschrutka - zu unserer Arbeitsstelle.
Heute habe wir zum ersten mal Kontakt zu unseren Schützlingen - die Kinder, um die wir uns das nächste Jahr kümmern dürfen. Ich habe jetzt sozusagen vier Paten-Kinder. Um genauer zu wissen, wie wir mit ihnen umgehen sollten, erhalten wir ihre Akte. Hier steht drin, was sie bereits alles können, aber auch das, was man bzw. was ich ihnen noch beibringen kann. Leider alles auf Russisch. Gott sei Dank gibt es aber einen Freiwilligen, der mir die Akte ins Englische übersetzt. Während der Mittagsruhe weist uns Oxana (die Stationschefin) Aufgaben zu. Wir begleiten die behinderten Kinder vorwiegend in ihrer Freizeit (also spazieren, spielen, singen …). Es gibt hierbei verschiedene Spezialisierungen für uns Freiwillige Da ich Akkordeon spiele, werde ich mit Anna und Maxim in die Musikgruppe eingeteilt.
Nach dem Schlafen gehen wir mit den Kindern raus. Alles dauert länger als bei sogenannten normalen Kindern. Somit ist auch schon der erste und fast richtige Arbeitstag danach vorbei.
Am nächsten Tag geht es für uns bereits um 10:00 Uhr los. Es ist Donnerstag und donnerstags - so erfahren wir - gehen die Kinder mit uns in eine soziale Einrichtung in der Nähe des Heims. Hier können sie Tiere anfassen und eine Malstunde absolvieren. Ich betreue ein Kind, das nur mit den Füßen malen kann. Wie soll das gehen? Ich glaube, ich werde in den kommenden Monaten viel lernen.
04/10/19
Heute ist für uns der erste Seminartag Wir hören verschiedenen Vorträgen über Prespektivy und deren Projekte. Es fühlt sich fast so an wie Schule …
Am Abenden entdecken wir eine Bar - gar nicht weit von unserer Wohnung. Wie sich herausstellte, ist es nicht einfach nur um eine Bar, sondern so etwas wie ein großer und eher alternativer Hinterhof. Ein Ort, an dem man tanzen, Kunst bestaunen und billig Bier trinken kann. Hier werden wir in Zukunft wohl öfters anzutreffen sein. Wir verlassen den Hof und schauen zu, wie die Brücken über der Newa (Нева) nach oben gehen. Danach besuchen wie einen neuen, zweiten Club, der deutlich günstiger und besser ist, als der erste - also der vom vergangenen Wochenende. Es ist eine schöne Nacht, obwohl ich all meine Freunde daheim schon sehr vermisse …
05/10 & 06/10/19
Am Wochenende strahlt uns zum erste mal seit langen die Sonne ins Geschichte. Da heißt es für uns ab in den Park. Sonst steht das Wochenende ganz unter dem Motto Entspannung. Ruhe und viel Schlaf. Am Montag beginnt die erste tatsächlich volle Arbeitswoche für mich. Ich bin gespannt ob das wohl weniger chaotisch wird…
Fortsetzung folgt. до свидания!