Erklärungen über Erklärungen
Warum ich solange gebraucht habe einen neuen Eintrag zu schreiben, wie mein Heimaturlaub war und über das Gefühl wieder mit beiden Beinen in meinem Leben hier angekommen zu sein.
Ja, ich weiß. Der letzte Eintrag ist etwas her. Das liegt aber nicht an meiner Schreibfaulheit, sonder an der Tatsache, dass sich die Technik gegen mich verschworen hat. Mein Laptop hat spontan entschieden, dass es nun Zeit für ihn sei zu gehen. Darum bestreiten wir unsere Wege nun getrennt. Er darf sich zwar noch bei mir ausruhen, reden tut er aber nicht mehr. Manchmal murmelt er noch wirres Zeug. Da unsere Trennung aber alles andere als geplant war, habe ich mich die letzten drei Wochen gänzlich ohne technische Unterstützung wieder gefunden. Anfangs dachte ich, dass ich mit einigen Wiederbelebungsversuchen vielleicht noch etwas Restkraft hervorrufen kann. Fehlanzeige. Leider. Da Onlinebestellungen ohne PC allerdings etwas schwierig sind und ich der Sicherheit meines Handy nicht so ganz traue, hat sich der Ersetzungsprozess dann etwas gezogen. Wie F. aber so schön festgestellt hat: "Aufwand und nervig und du kannst nicht mehr mit so netten Leuten skypen und kommunizieren, aber dafür zwingt dich niemand dazu, du hast Ruhe und den Computerentzug, den du eigentlich sowieso schon immer mal wolltest." Hmm, warum kennen einen Freunde manchmal besser als man selbst? Aber gut, back to the topic. Seit Montag habe ich einen neuen Weggefährten. Als ich dann die Sicherungskopie von der externen Festplatte auf ihn spielen wollte, wurde die Festplatte aber nicht erkannt. Alle Fotos, alle Dokumente, einfach alles ist weg. Und mit den Dokumenten eben leider auch mein fertiger Artikel von der Zeit vor Weihnachten, um Weihnachten und danach. Blöder kann es eigentlich nicht laufen. Trotz allem versuche ich daran etwas Positives zu sehen: Ich kann von vorne anfangen. Natürlich ist es etwas suboptimal, dass alles weg ist. Aber so kann ich 2016 ballastfrei beginnen. Hat ja auch was.
Nun, dass war aber genug Erklärung zu meinem Verzug... Um kleine Einblicke in die letzten zwei Monate zu gewähren, habe ich die altbewährte Blitzlichtmethode (Ja, zu irgendwas müssen die pädagogisch wertvollen Methoden schließlich gut sein) gewählt. Aber Achtung: Plotholes garantiert (Der aufmerksame Leser sieht hier das Känguru mit dem Zaunpfahl winken)!
Vor Weihnachten - Dezember 2015
- Das letzte Wochenende in Frankreich wird zum Weihnachtsshopping genutzt. So richtig erfolgreich bin ich nicht, die Atmosphäre auf dem Weihnachtsmarkt in Annecy versetzt mich aber in noch größere Weihnachtsstimmung als ich ohnehin schon bin. M. wird durch permanentes "Last Christmas"-Singen eventuell etwas genervt. Mein Knie kommt leider nicht so unbeschadet davon. In den Ferien beginnt es immer mal wieder weh zu tun. Erst denke ich: "Ja, du bist nun auch nicht mehr die Jüngste...". Bis mir einfällt, dass ich in Annecy im Touristenzentrum dem Sicherheitsmann auf der Treppe quasi entgegen gefallen bin. Auf mein Knie. Tja, wenn man keine Treppen steigen kann, ist man wohl selbst Schuld. Weh tut das Knie trotzdem. Bis heute. Anfangs dachte ich, dass sich vielleicht meine Kniescheibe verschoben hat. Nach einigen Trainings, die ich problemlos absolvieren konnte, war ich dann aber beruhigt, dass es sicherlich nichts Schlimmes ist.
- Es wird immer kälter. Die Verbindungsstraße von unserer Einsiedlersiedlung zur Zivilisation wird - je näher man der Zivilisation kommt - mit Leuchtdekoration geschmückt. Und auch der Brunnen wird in Farbe getaucht. Warum man einen Brunnen von innen grün anstrahlen lässt, ist mir bis heute ein Rätsel geblieben. Sollen die Algen, die sich bereits seit Tag vier der Existenz des Brunnens in dem selben tummeln, so besser zum Ausdruck kommen?
- M., meine Kollegin, mit der ich auf Grund ihrer langanhaltenden Krankheit insgesamt erst drei Wochen zusammen gearbeitete habe, ist für die letzte Woche vor den Weihnachtsferien wieder da. Dafür ist M. zwei Tage krank, sodass ich das TAP alleine machen muss. Klappt aber erstaunlich gut.
- Es ist S.s letzte Woche. Zur Erinnerung; Sie ist die Praktikantin, mit der sich M. und ich gut verstanden haben. Schade finde ich es schon, dass sie nun nicht mehr kommen wird.
- Das letzte Training vor den Ferien machen wir beim Badminton eine Weihnachtsfeier mit Schrottwichteln. Ich verschenke zwei Stollen (Rosinen schmecken mir auch in Frankreich immer noch nicht) und bekomme zum Tausch einen Bilderrahmen. Ich finde ihn total schön und kann nicht verstehen, warum man ihn nicht mehr haben wollen sollte. Die Geschmäcker sind eben verschieden. Nach zwei Stunden intensivster körperlicher Ertüchtigung geht es ans Geschenkeauspacken. Parallel wird Raclette gemacht und viel geredet. Hach, ich bin einfach glücklich, dass ich mit Badminton angefangen habe. Ansonsten wären meine Dienstagabende total langweilig.
- Warum kamen T. und ich nochmal auf die Idee, dass es toll wäre mit den Kindern am Mittwoch zum Abschluss Plätzchen zu backen und Trüffel zu machen? Diese Frage stelle ich mir mehrmals während ich auf dem Boden der Kantine sitze und stundenlang versuche den Plätzchenteig vom Boden abzubekommen. Eine schier unmögliche Aufgabe. Ich weiß nicht, was an Plätzchenteigausrollen und Plätzchenausstechen so schwierig ist, aber die Kinder haben es hinbekommen, dass der gesamte Boden von einer Mehlschicht überzogen ist. Zu allem Überfluss verschmelzen die von den Kindern liebevoll ausgestochenen Plätzchen (beispielsweise darf ich einen Mond und einen Hund aufs Blech legen) im Ofen zu einer einzigen Plätzchenplatte und verbrennen.
- Apropos Plätzchen: Am Freitag verteilen M. und ich als Weihnachtsgeschenk noch an jeden - Kollegen und Kinder - Plätzchen. Dazu stand ich aber am Freitag vorher sechs Stunden in der Küche und habe wie eine Weltmeisterin gebacken. Vanillekipferl, Stollenberge - die von meiner Mama den total bekräftigenden Kommentar "Und was ist das Verbrannte da rechts?" ernten -, Haferflockenplätzchen, Linzerschnitten, Mürbteigplätzchen. Nach dieser Backaktion falle ich wie ein Stein bzw. ein Plätzchen ins Bett. Das Strahlen auf den Gesichtern, mit dem mir auf meine Geste geantwortet wird, war es aber alle mal wert. Eindeutig. Nach dieser kurzen Gesamtbescherung bringt mich M. schnell zum Bahnhof von wo aus ich die erste Etappe meiner Heimfahrt antrete. Ich weiß ja nicht so ganz woran das liegt, aber Busfahrten sind doch immer sehr unterhaltsam - das darf ich im Übrigen auch nach einem Besuch bei A. feststellen. Busse sind scheinbar Anziehungspunkte für ... nun ja... sagen wir mal interessante Leute. - sodass mir die 1,5 Stunden nach Genf gar nicht so lange vorkommen. Dort am Bahnhof angekommen stelle ich fest, dass mir noch gute zwei Stunden bleiben bis mein Zug geht. Dementsprechend setze ich mich erst einmal auf die große Bahnhofstreppe drinnen. Das Ganze mache ich natürlich nur, damit mich die Sicherheitsleute mit misstrauischen Blicken fragen, ob ich auf einen Zug warten würde. Nein, ich sitze natürlich immer nur zum Spaß zwei Stunden auf einer zugigen (von der Luft. Aber auch aufgrund der Tatsache, dass wir uns an einem Bahnhof befinden.) Treppe umgeben von einem großen Koffer, einem überdimensionalen Trekkingrucksack und meiner Handtasche. Nachdem ich diese vermeintliche Sicherheitsprüfung hinter mich gebracht habe, ist mir allerdings jeglicher Spaß am Auf-der-Treppe-Sitzen vergangen. Darum schlendre ich durch das Bahnhofsgebäude. Ein fataler Fehler. Die nächsten zwei Stunden geht mir die vorhandene Zollstation und der ausdrückliche Hinweis, dass alle Geschenke verzollt werden müssen, nicht mehr aus dem Kopf. Warum ist auch mein gesamter Koffer und der halbe Rucksack mit Weihnachtsgeschenken gefüllt?
- Heimfahrt - ein Wechselbad der Gefühle. Unbändige Freude endlich meine Lieben wieder zu sehen wird von der Angst abgewechselt, dass sich vielleicht ganz viel verändert hat und ich meinen Platz nicht mehr finde. Oder noch schlimmer: Dass sich gar nichts verändert hat. Dass alles so geblieben ist, wie es im Sommer noch war. Dass sich keiner verändert hat, alle in ihrem Trott drinnen geblieben sind. Denn auch wenn das eventuell gar nicht so sehr ins Auge fällt - ich habe mich verändert. Natürlich hoffe ich nur ins Positive. Was ich aber auf jeden Fall sagen kann ist, dass ich selbstständiger geworden bin. Ich habe gemerkt, dass keiner einen komisch anschaut, wenn man beim Sprechen einer fremden Sprache Fehler macht. Ich habe mir ein eigenes Leben aufgebaut. Einerseits weit weg von zu Hause. Andererseits aber auch nah von zu Hause. Denn obwohl ich räumlich gesehen weit weg bin, habe ich doch das Gefühl, dass ich vielen viel näher sein kann und bin als vorher. Allen voran meiner Familie. Häufig merkt man erst wenn man etwas nicht mehr hat, wie viel es einem bedeutet... Die Heimfahrt zu diesen besagten Menschen ist aufregend. Ich muss mich in den Schweizer Zügen sehr zurückhalten meine Mitpassagiere nicht auszulachen - der Dialekt ist aber auch zu komisch. Das die sich dabei nicht merkwürdig fühlen. Schweizerdeutsch ist und bleibt für mich eine andere Sprache. Ich verstehe beinahe nichts. -, mache Bekanntschaft mit einer Deutschen (mit der ich aber Anfangs Französisch spreche, weil wir beide von der jeweils anderen denken, dass sie Französin ist), lande zu meinem Schrecken beinahe in einem Schlafwagenabteil (dem kann ich glücklicherweise noch entgehen. Ich wüsste auch überhaupt nicht, wohin mit meinem ganzen Gepäck. So darf ich mir aber die halbe Lebensgeschichte eines Mannes anhören, dessen Ticket bereits auf eine Zugfahrt im November datiert war, und leide unter subtropischen Temperaturen. Da hilft auch das minimale Öffnen des Fensters nichts.) und während meiner gesamten Reise schießt mir diese eine Liedzeile durch den Kopf. I'm coming home for christmas…. Als Krönung meiner beinahe zwölf-stündigen Odyssee falle ich am Hauptbahnhof glücklich meinen Eltern in die Arme. Ich habe mich so gefreut und bin der glücklichste Mensch auf Erden. So ganz kann ich zu diesem Zeitpunkt aber zwei Dinge noch nicht zusammenbringen: 1. Ich bin nun wieder zu Hause. Zumindest für zwei Wochen. Als wir über die Autobahn nach Hause fahren fühlt sich das so an, als sei ich gar nicht weg gewesen. Die Häuser stehen noch alle an der selben Stelle, die Ortsschilder sind plötzlich wieder gelb. 2. Trotz allem bin ich vier Monate in Frankreich gewesen.
- Zu Hause komme ich wieder gut an. Wenngleich mein kleiner Bruder, der mich im Übrigen bereits einen knappen Kopf überragt - er war doch noch so klein bevor ich gegangen bin... - gewachsen ist. Eine Sache, die mich ganz besonders überrascht und gleichzeitig freut ist, dass ich und er ein Herz und eine Seele sind. Manchmal bringt etwas temporäre Distanz etwas. Und das macht mich glücklich. Denn auch wenn wir nur zwei Wochen hatten, hat mir diese Zeit vor Augen geführt, was für einen Super-Bro ich an meiner Seite habe. Eine Sache wird sich aber vermutlich niemals ändern: Spazieren gehen wird nie zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehören.
- Ich nutze die Zeit effektiv, versuche mich mit möglichst vielen Leuten zu treffen, möglichst viel zu sehen, gleichzeitig nicht zu gehetzt zu sein und mir für meine Freunde wirklich Zeit zu nehmen. Und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Alles zu vereinbaren ist gar nicht so einfach. Als ich mich am Samstagmorgen nach drei Stunden Schlaf beim Brunchen mit meinen Freundinnen wieder finde, wird mir bewusst, was mir die letzten Monate gefehlt hat: Mädelsrunden. Entspannte Plauderstündchen im vertrauten Kreise. Nun ist es nicht so, dass ich in Frankreich niemanden zum Reden hätte, aber niemand kann die langjährigen Freunde ersetzen.
- Als Geburtstagsüberraschung habe ich noch einen Geheimausflug von meiner Familie bekommen. Gespannt finde ich mich in einer Zirkusartigen Bar wieder. Dies ist allerdings nur der Anfang. Der Höhepunkt führt uns in den Keller der Bar und versetzt mich in Wehmut. Was erwartet uns dort unten? Improvisations-Theater. Wir werden ins mittelalterliche Eppstein, den australischen Outback und die Welt des Womanizers Annawalk entführt. In mir weckt das die Sehnsucht nach der Bühne hervor. Wer weiß, vielleicht kann ich mit den Kindern ein Theaterprojekt machen. Dann habe ich wenigstens wieder etwas mehr Theater in meinem Leben.
- Quasi anknüpfend mache ich eine Tour durchs Schauspiel Frankfurt und darf dabei einen Blick hinter die Kulissen werfen. Wer dazu jemals die Gelegenheit bekommen sollte: Ich kann es nur empfehlen! Es hat sich gelohnt. Noch nie habe ich Baumattrappen von so nah gesehen und noch nie habe ich gewisse Damen (die in Gedanken vermutlich schon berühmt sind, in der harten Realität es aber noch nicht einmal schaffen sich an die Anweisungen des Guides "Bitte nichts anfassen" zu halten und die Situation darin gipfeln lassen, dass sie mit voller Wucht gegen die eben erwähnte Baumattrappe treten, da sie nicht glauben können, dass der Baum vor ihnen nicht echt ist.) so sehr auf den Mond gewünscht. Auf der Toilette retten wir einen Frau noch davor durch eine klägliches Hustenbonbonverschluckens von uns zu gehen. Danach lassen wir den Abend noch bei frisch gebrautem Eistee und Orkanen ausklingen.
- Nach gefühlten diversen Arztbesuchen - man muss schließlich davon profitieren, dass man einen Mann vom Fach vor sich hat, dessen Sprache man auch noch versteht. Vorausgesetzt es wird kein Fachchinesisch ausgepackt -, entspanne ich mich bei einer herrlichen Thaimassage und verlasse sehr in Urlaubsstimmung und nach Eukalyptusbonbon duftend meinen Kurzurlaubsort.
- Nach einem sehr spontanen Weihnachtsbaumkauf (Noch nie wurde ich so merkwürdig von den Passanten angeschaut. Aber hey: Es ist doch nichts dabei einen Tannenbaum durch die Stadt zu tragen. Das Weihnachten naht, ist bei den Umstehenden vielleicht noch nicht so präsent gewesen. Stimmt, es ist ja auch noch ein Tag hin.), kommt S. auf die glorreiche Idee ein Bett aufbauen zu wollen, welches als Weihnachtsgeschenk dienen soll. Warum nicht? Ich habe es schon immer geliebt zu schrauben. Insbesondere mit IKEA-Instruktionen. Wir stürzen uns auf den Aufbau. Schließlich finden wir uns aber im Baumarkt wieder. Leicht verzweifelt. Der Mann am Servicepoint wird sich auch nur gedacht haben:"Zwei Blondinen. War ja klar. Das kann gar nicht gut enden.". Zu allem Überfluss habe wir es nämlich geschafft, dass wir die Holzdübel in die falsche Öffnung gehämmert haben und dann aber nicht mehr ganz herausbekommen haben, sodass die Löcher noch von halb abgebrochenen Holzdübeln verstopft waren. Das Zauberwort heißt Bohrmaschine. Und dann war das Bett auch ruckzuck aufgebaut.
- Und dann ist auch schon plötzlich Weihnachten. Nach einer obligatorischen Auseinandersetzung, die die Standartfragen beinhaltet (Wo soll der Baum hin? Wie wollen wir ihn schmücken?), steht der Baum dann auch. Nach einem Spaziergang und einem Kirchenbesuch, bei dem mir viele Leute über den Weg laufen, deren Treffen mir ein Lächeln ins Gesicht zaubert - im Übrigen ist Weihnachten eine magische Zeit. Beinahe alle kommen nach Hause und man trifft so viele wohlbekannten Gesichter. Wie viele Leute sind mir über den Weg gelaufen, mit denen ich einfach nicht gerechnet habe. Da habe ich glatt festgestellt, dass Gespräche im Regen sehr unterhaltsam sein können. -. Bei der Bescherung packe ich meinen gesamten Kofferinhalt aus und freue mich, dass sich andere darüber freuen. Eine Kette des Glücks. Wunderbar. Die folgenden Tage sind für die Familie reserviert. Auf mich kommen ein sehr matschiger Spaziergang, Creme brûlée, Autofahrten, Zugfahrten und ein Shoppingversuch zu. Bei Letzterem überkommt mich aber dieses wohlbekannte Gefühl der Konsumverweigerung. Tja, da kann man wohl nichts machen. Etwas angelehnt an die Konsumverweigerung, kommt in mir der Wunsch den Jakobs-Weg zu laufen auf. Insbesondere nachdem wir alle zusammen in Hape Kerkelings verfilmten Buch waren, habe ich unglaubliche Lust meine Wanderschuhe zu schnappen und drauflos zu laufen. Ein bisschen Training bekomme ich durch meine ständigen Spaziergänge ja bereits.
- Einen Tag verbringe ich nach meinem Besuch bei Oma und Opa noch bei A. in H. Als sie mich am Bahnhof abholt, fallen wir uns um den Hals und beginnen zu reden. Und dieser Redeschwall ebbt während unserer Alsterumrundung und dem Besuch des alten Elbtunnels nicht ab. Ein schöner Tag zwischen Kaffees, tollen Stickern und fantastischen WG-Plänen endet schließlich mit meinem ersten Fernbusabenteuer. Das ist auch so eine Erfahrung für sich. Trotz meiner Buskrankheit habe ich gedacht, dass ich es mal wagen sollte. War auch eine gute Entscheidung. Sonst hätte ich von meiner Sitznachbarin nicht erfahren, dass ihre Tochter nach Dänemark gezogen ist und sich nun pudelwohl fühlt, der Sohn aber glücklicherweise in Deutschland geblieben sei und das mit den Bussen ja so praktisch und preiswert sei. Schräg neben mir sitzt ein Mann mit seinem Sohn. die beiden sprechen so gut wie kein Deutsch, sodass ich für sie frage ob es im Bus eine Steckdose gibt. Zwei Stunden vor meiner Haltestelle machen wir eine halbstündige Pause. Ich bleibe draußen stehen. Es ist zwar kalt, aber ich brauche frische Luft. Ganz dringend. Der Mann mit der Steckdose kommt schließlich zu mir, er zeigt mir eine Adresse und fragt ob ich weiß wo das ist. Zufälliger Weise handelt es sich um eine Adresse zwei Orte von mir entfernt. Wir kommen ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass er ein Flüchtling aus Syrien ist und mit seiner Familie geflohen ist. Er erzählt davon wie er mit seinem Sohn zunächst zu Fuß, dann mit dem Boot, dann mit dem Bus geflohen ist. Ich stehe da und weiß nicht, was ich sagen soll. Ich würde gerne helfen, irgendetwas sagen, was die Situation erträglicher macht. Schließlich fängt er aber an zu weinen und wir stehen da an der Autobahnraststätte mit Taschentüchern in der Hand. Ich versuche zu begreifen was es bedeutet solch eine Geschichte zu haben. Es gelingt mir aber nicht. Ich fühle mich ernüchtert, traurig, schuldig. Mir geht es gut. Ich habe ein Dach über dem Kopf, habe immer genug zu essen, habe meine Familie und kann mich frei bewegen. Weiß ich das überhaupt alles zu schätzen? Ist mir überhaupt bewusst wie gut es mir geht? Diese Begegnung hat mich nachdenklich gemacht. Für die Zukunft nehme ich mir vor bewusster zu leben. Bewusster meine einmaligen Chancen zu nutzen.
- Silvester verbringe ich im Kreise meiner Freunde. Es ist ein schönes und entspanntes Beisammensein. Und das Beste: Wir tanzen. Natürlich. Und es fühlt sich an als sei ich niemals weg gewesen. Während die Jungs um Mitternacht ihre Bölleraffinität zum Ausdruck bringen dürfen, vergnüge ich mich mit ein paar Freundinnen mit einem Mitternachtsspaziergang und amüsiere mich damit vor einem Balkon, von dem laute Musik zu uns herunter tönt, zu tanzen. Irgendwann in den späten Morgenstunden bin ich dann aber zu müde und gehe ins Bett. Als ich wieder aufstehe darf ich feststellen, dass beinahe alle schon weg sind. Ein bisschen will ich eigentlich noch aufräumen. N. ist aber selbst dafür zu müde und so kommt es, dass ich ohne einen großen Aufräummarathon etwas übermüdet zu Hause eintreffe.
- Als Weihnachten und Silvester vorbei sind, bedeutet das für mich, dass meine Rückfahrt immer näher rückt. Anfangs hatte ich Angst, dass es nach Weihnachten schwer sein würde wieder nach Frankreich zurück zu kehren. Und natürlich ist es nicht einfach wieder alle meine Freunde und meine Familie zurückzulassen. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es nicht für ewig ist. Und außerdem freue ich mich auch wieder auf mein "neues" Leben dort. Auf die Leute, den Sport, die Sprache, das Alleinwohnen. Als ich Sonntagabend dann alleine in meinem Zimmer in Frankreich sitze, beginne ich jedoch den letzten Punkt zu bezweifeln. Glücklicherweise stellt sich dies nur als ein punktueller Zweifelszustand heraus und ist Montagmorgen nach einem langen Spaziergang mit den Hunden, einem ausführlichen Gespräch mit A.-M. und einen Kaffee später vollkommen verschwunden.
- Nach den Ferien heißt vor den Ferien. Und neue TAP Gruppe. Diese Zeitspanne haben wir die Ältesten der Schule, die zwischen acht und zehn Jahren alt sind. Man sollte meinen, dass man mit ihnen wirklich etwas zum Thema Klimawandel machen kann. Leider liegt die Betonung aber auf sollte… Anfangs versuchen wir noch den Bezug zum Thema herzustellen, irgendwann müssen wir uns aber damit abfinden, dass die Kinder um vier Uhr partout keine Lust haben sich mit den wichtigen Weltproblemen zu beschäftigen. Da wir unsere Stunden immer im „Salle de fetes“ haben, endet das Ganze meistens in Spielen mit Bällen. Ein Highlight kann ich schließlich aber doch noch verbuchen: Karottenziehen kommt bei den Kindern super an. Das freut mich. Mit was für einfachen Spielen man Kinder manchmal begeistern kann.
- Am Wochenende nach den Weihnachtsferien holen wir vom Flagfootball unserer Weihnachtsfeier nach. Dazu gehen wir nach Evian. Treffpunkt: Vor dem Casion. Mir schießt bei dieser Information nur durch den Kopf: „Oh je, was soll ich nur anziehen?!?“. Wie sich dann aber herausstellt, muss ich mir weder Gedanken um die Kleidung, noch um das Geld machen, da wir „nur“ in ein Restaurant nebenan gehen. An einer großen Tafel wird viel geredet, die Karte akribisch auseinander genommen, festgestellt, dass es für Vegetarier keine wirklich große Auswahl gibt – immer diese Vegetarier mit ihren Extra-(Tofu)Würsten – und schließlich beschlossen, dass der Abend um zwölf noch nicht vorbei sein soll. Zwölf ist nämlich die perfekte Uhrzeit um der Dorfdisko ein Örtchen weiter einen Besuch abzustatten. Und da ich bei solchen spontanen Aktionen immer mit dabei bin, bin ich dies Mal auch mit von der Partie. Nachdem ich den Camion, mit dem sich das Parken doch als etwas schwieriger herausgestellt hat (Erstens habe ich mich ziemlich fehl am Platz gefühlt. Neben mir vor dem Casino überall schicke, teure Autos. Und dann ich in meinem glücklicherweise noch fahrendem Gefährt. Zweitens passte der Camion partout nicht in die Parklücken hinein, sodass ich fünfzehn Gehminuten – sprich schon fast außerhalb – geparkt habe.), am Bahnhof abgeholt habe und den anderen hinterher fahre, steigt in mir immer mehr die Freude. An der Dorfdisko (Das Wort gebrauche ich im Übrigen absichtlich, da es die Institution, die ich den Abend lang besuche, ganz gut beschreibt. Während ich es eigentlich gewohnt bin mit Menschen in meinem Alter die Nacht zum Tag zu machen, bin ich hier umgeben von allen Altersklassen. Ob jung, ob alt. Alles was laufen kann macht sich auf den Weg um T., dem Inhaber, einen Besuch abzustatten. Je weiter der Abend voran schreitet, desto mehr Spaß haben L., L., M., J. (Die Jüngsten. Wobei das eben auch relativ ist, da in unserem Team alles von 14 bis 53 vertreten ist.) Und ich auf der Tanzfläche. Während ich verzweifelt versuche die Texte der französischen Lieder mitzusingen (klappt mehr oder weniger. Dafür brilliere ich im Vergleich zu meinen französischen Freunden bei den englischen Liedern), was schließlich in einer Art Ausdruckstanz der Töne endet, merke ich, wie glücklich ich bin. Ich tanze und tanze. Kann gar nicht mehr aufhören. Und als ich sehr spät bzw. früh am Morgen bei mir zu Hause ankomme, habe ich das Gefühl angekommen zu sein. In Frankreich. Dieses Gefühl ist unbezahlbar. Von Glück erfüllt gehe ich ins Bett und ziehe ernsthaft in Erwägung bis zum Sonnenaufgang wach zu bleiben, da ich noch total wach bin. Schneller als gedacht fallen mir dann aber doch die Augen zu.
- Eine Woche später mache ich Samstags einen Ausflug nach Thonon. Zu Fuß und alleine. M. Ist Ski fahren und T. Braucht den Camion. Da es leider zu sehr schneit, kann ich nicht mit dem Rad runter fahren. Darum mummel ich mich dick ein und bestreite als Michelinmännchen verkleidet den Weg durch den Winterwald. Teilweise fühle ich mich wie Alice im Wunderland. Alles ist in ein beruhigendes Weiß getaucht. Die Welt sieht mit Schnee bedeckt so friedlich aus. Ich stapfe hinunter auf der Suche nach einer neuen Hose. Erstaunlicher Weise finde ich sogar ganz gute Geschäfte. Etwas deprimierend ist allerdings die Tatsache, dass die französischen Konfektionsgrößen im Vergleich zu den deutschen kleiner ausfallen, was ich als ziemlichen Nachteil empfinde. Die Französinnen sind alle klein und zierlich, das stimmt schon. Aber wäre es marketingtechnisch gesehen nicht schlauer, das genaue Gegenteil zu etablieren? Damit sich die Damen gut fühlen, wenn sie etwas kaufen? Nun ja, wie dem auch sei. Mich überkommt nach einigem lustlosen Herumbummeln wieder die Konsumverweigerung. Letztendlich strande ich aber noch in einem alternativen Laden in der Fußgängerzone und werde dort zunächst von dem sehr motivierten Verkäufer zu gelabert. Als er merkt, dass ich Deutsche bin, beginnt er mit mir (fließend!) Deutsch zu sprechen. Ich bin überrascht. Als er dann auch noch sein Spanisch und ein paar Brocken Russisch auspackt, komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Laden ist galerieartig aufgebaut. Es werden Individual-Prints ausgestellt (bzw. Anziehsachen mit dem Besagten), die wöchentlich wechseln. Vor lauter Auswahl kann ich mich aber nicht entscheiden und kaufe schließlich nichts. Im Kopf setzte ich einen nochmaligen Besuch aber auf meine To-Do-Liste. So etwas kann man sich schließlich nicht entgehen lassen. Als Tüpfelchen auf dem i erfahre ich noch von dem Verkäufer, der im Übrigen Vegetarier ist, dass Veganer auch keine Wolle tragen würden. Diese Erkenntnis ist mir allerdings neu und ich bezweifle es auch stark. Das nennt sich dann sicherlich Ovolacto-Veganer mit rohköstlerischem Einschlag.Wieder zu Hause wird erst einmal ein bisschen geputzt und rum geräumt. Unerwarteter Weise fragt mich L., eine Mitspielerin vom Flagfootball, ob wir wieder die Dorfdisko unsicher machen wollen. Was für eine Frage. Natürlich will ich. Auf dem Hinweg mache ich mit dem Camion zum ersten Mal Bekanntschaft mit Blitzeis, was mich dazu veranlasst auf der Landstraße 20 und auf der Autobahn knappe 45 km/h zu fahren. Wenn ich die Wahl zwischen Straßengraben und Unversehrtheit habe, dann wähle ich doch eher Letzteres. Auf dem Parkplatz treffe ich mich mit L. Und wir stürmen die Tanzfläche und tanzen non-stop. Erschöpft und glücklich geht es dann beinahe in der Morgendämmerung im Schnee nach Hause.
- Mein erstes Badminton-Tunier steht an. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Aber nicht unbedingt wegen des Turniers, sondern viel mehr aufgrund der Tatsache, dass es ziemlich doll schneit, ich den Weg zum Turnierort nicht wirklich kenne und ein klitzekleines bisschen Angst habe mit dem Camion die Passstraßen bei Schnee hoch zu fahren. Glücklicherweise bietet sich R. Aber an C. Und mich mit zunehmen. So komme ich glücklicherweise ums Fahren herum. In Boege angekommen – in der Nähe eines Skigebiets und darum dementsprechend kalt und verschneit – wärmen wir uns auf und beginnen dann direkt mit dem kleinen Turnier. Das Ganze ist rein freundschaftlich, es geht um nichts. Gewinnen wollen wir alle natürlich trotzdem. Da C. Und ich die einzigen anwesenden Mädels von unserem Verein sind, müssen wir sowohl Einzel als auch Doppel spielen. Normalerweise spielen wir in gemixtem Mannschaften. Alleine habe ich noch nie gespielt. Anfangs verwirren mich die anderen Linienregeln. Dazu kommen erschwerte Lichtverhältnisse. Ich weiß ja nicht, was für Glühbirnen/LEDs/was auch immer die benutzen. Eins weiß ich aber sicher: Man kann die Augen gar nicht richtig aufmachen, weil es einerseits so blendet, andererseits sieht man aber trotzdem nicht viel. Natürlich nur wegen der eben geschilderten Verhältnisse verliere ich mein erstes Spiel. Nicht etwa, weil ich erst seit zwei Monaten spiele. Das zweite Spiel ist ein Doppel und läuft besser. Vor allem, weil man die Fehler des anderen ausgleichen kann.
Nach der körperlichen Verausgabung müssen die Energiereserven für die Heimfahrt natürlich wieder aufgefüllt werden. Geschwind wird ein Buffet aufgebaut. Ich breche mit allen Klischees über Deutsche als ich weder Bier trinke noch von den Würstchen kosten möchte. Mit steigendem Alkoholpegel steigt die ohnehin schon sehr starke Kommunikationsbereitschaft meiner Mit- und Gegenspieler und es werden deutsche Sätze getestet.
Sehr zufrieden aber leider viel zu spät, komme ich nach Hause. Im Nachhinein wäre es vielleicht besser gewesen zu Hause zu bleiben. Am Wochenende habe ich mich etwas erkältet und das Spielen heute hat mir vermutlich den Rest gegeben.
- An den Mittwochen habe ich mit T. Zusammen einen kleinen naturwissenschaftlichen Exkurs mit den Kindern geplant. Die Thematik des Centres ist bis zu den Winterferien – das ist im Übrigen auch sehr verwirrend. Hier gibt es Weihnachts-, Winter- und Frühlingsferien. Zunächst dachte ich immer, dass die beiden ersten den gleichen Zeitraum beschreiben. - Tast- und Sehsinn. Wir widmen uns eher dem Tastsinn und machen mit den Kindern viele Faltereien. Das Ganze beginnt mit der Erkundung des Hexaflexagons. Ein total faszinierendes Gebilde, welches wir auch versuchen mit den Kindern zu bauen. Als M. Ein Hexaflexagon in die Hände bekommt, sitzt sie knapp eine Stunde begeistert davor. Nicht nur die Kinder werden in den Bann des Hexaflexagons gezogen. Jeden Mittwoch liegt plötzlich ein Brief – Typ Papyrusrolle – in unserem Raum. Er kommt von Pythagoras, der die Kinder erst zu einem Papierfliegerkontest, einem Hexaflexagonwettrennen und der Erkundung des Somawürfels herausfordert. Anfangs sind die meisten Kindern immer etwas skeptisch. Mit der Zeit werden sie aber immer neugieriger und wollen selbst nach dem Goûter noch weiter basteln. Nach der Pythagoras-Intervention wagen wir uns daran mit den Kindern ein Regal aus Karton zu bauen. Ich finde das generell total faszinierend. Wie stabil Pappe doch sein kann. Einen verbrannten Finger – Heißklebepistolen sind; wie der Name schon sagt; heiß. So ganz ist das bei manchen Kindern aber noch nicht angekommen. Das könnte daran liegen, dass die Überstzung nicht „Chaud pistolet“ sondern „Pistolet a colle“ lautet. Also Kleberpistole. - und angemalte Pullis sowie viele gerissene Nerven später, schaffen wir es sogar ein kleines Regal und eine Bank einigermaßen fertig zu stellen. Unglaublich. Ich bin stolz auf uns. In meinen kühnsten Träumen sehe ich mich schon in einem Haus nur mit Möbeln aus Karton wohnen. Das ist billig, umweltfreundlich und macht glücklich. Wenn ich die Zeit und die Materialien finde, fange ich mit der Konstruktion bereits hier an. Hach, das wird ein Spaß!
- Mittlerweile schneit es immer mal wieder bei uns. Und es ist kalt. Sehr kalt. Letzteres ist nicht unbedingt so schön. Vor allem nicht, wenn das Internet im Haus nicht geht und man darum dann immer nach draußen muss. Aber zurück zum Schnee. Hier ist eine ganz einfache Gleichung Gang und Gebe: Schnee + Kalt = Ski fahren. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht so viele Skierfahrungen sammeln. Trotz allem und einen facebook-Aufruf später (Bei welchem ich frage, ob mir einer Skiutensilien leihen kann. Ich besitze nämlich dahingehend gar nichts. Manchmal sind die sozialen Netzwerke eben doch ganz gut. Nach nur ein paar Stunden habe ich bereits die Aussicht auf eine Skijacke, Skihose, Helm, Schuhe, Skier, Brille, Handschuhe… Um das alles anzuprobieren fahre ich an einem Sonntag zu M., meinem einen Flagfootball-Trainer. Neben den Versuchen seiner kleinen Tochter etwas Deutsch beizubringen und einem Kaffee, finde ich mich in voller Montur auf dem Wohnzimmerteppich wieder. Einen Abfahrtslauf simulierend. Alles passt. Tiptop. Dann muss ich nun nur noch einen Skilehrer und ein Skigebiet finden. Letzteres sollte kein Problem sein. Circa fünf Skigebiete liegen um mich herum. Das mit dem Skilehrer ist aber schon etwas schwieriger. E. Gibt mir einen Telefonnummer, bei der ich mal anrufen soll. Aber selbst auf Deutsch hasse ich es fremde Menschen anzurufen. Auf Französisch ist die Hürde dementsprechend höher. Den Anruf schiebe ich solange voraus bis…), macht T. An einem Samstag mit den Jugendlichen vom Centre einen Skiausflug und M. Und ich begleiten ihn. Wobei begleiten sehr relativ ist. Oben auf der ersten Piste angekommen wird mir schmerzlich bewusst, dass meine einwöchige Skierfahrung, die nun aber auch schon gute sechs Jahre zurückliegt, vielleicht doch nicht reicht um direkt mit den Kinder mitzuhalten, die bereits seit sie drei sind auf den Brettern unterwegs sind. Kurzer Hand setzen sich M. Und ich von der Gruppe ab und ich erhalte einen kurzen Privatcrashkurs, der häufig so abläuft:
M: „Oh guck mal. Da ist eine blaue Piste. Ich glaube die kannst du schaffen. Fahr die mal runter.“
Ich: „[Leicht verunsichert und etwas wackelig auf den Skiern. Zudem verängstigt von der Tatsache gerade einen Mann gesehen zu haben, der so unglücklich gelandet ist, dass er sehr unnatürlich verdreht auf der Piste lag und vom Hubschrauber abgeholt werden musste.] Bist du sicher?“
M: „Jaja. Wir sehen uns unten.“
Und obwohl ich am Ende des Vormittages meinen Lieblingsberg (oder -hügel?) gefunden habe, der für M. So gar keine Herausforderung darstellt, merke ich, dass ich Fortschritte mache. Nach einem ungewollten halbstündigem Stopp (Nach meinem ersten „Unfall“. Ich bin auf der Piste ganz links am Rand und sehr langsam gefahren. Ein Schweizer hatte aber leider das dringende Bedürfnis zwischen mir und dem linken Rand hindurch zu fahren. Das kann ja gar nicht gut gehen. Meine Skier flogen dementsprechend ab. Leider kam ich dann aber nur in den einen Skier wieder hinein. Der andere Skischuh passte nicht in die Öffnung. Leider war M. Aber schon unten angekommen und konnte mir nicht helfen. Als ich nach einer halben Stunde aber immer noch dort oben in luftiger Höhe stand, lief er den Berg wieder hoch. Um mir zu sagen, dass ich die Öffnung schon aufmachen muss um mit dem Schuh hinein zukommen. Boden, tu dich auf!) weiß ich dann auch, wie man wieder in die Skier hinein kommt.
Das Mittagessen nehmen wir alle zusammen im Tiefschnee ein. Die Sonne scheint sehr schön und ich merke regelrecht wie meine Vitamin D Produktion angekurbelt wird. Aufgrund einer sehr ausgelassenen Schneeballschlacht schaffen es manche der Jugendlichen heute nicht ihr Mittagessen zu essen. Nach der kleinen Pause fährt M. Mit der Gruppe und T. Fährt mit mir und einem kleinen Jungen, der noch weniger fahren kann als ich. Im Vergleich zu ihm fühle ich mich beinahe wie ein Vollprofi. Während ich am Morgen noch alle Pisten im Schneepflug hinunter gefahren bin, traue ich mich nun sogar ein bisschen zu Carven. Viele Pausen unterbrechen allerdings unsere Tour, da T. Und ich den Kleinen aus dem Tiefschnee ausbuddeln müssen. Wir machen Halt ganz oben auf dem Berg und erfreuen uns an dem Hammer-Ausblick. Ich stehe oben auf dem Berg, habe einen atemberaubenden Ausblick, blinzel wegen der Sonnenstrahlen und genieße die wunderbare Bergluft. Kurz um: Ich bin glücklich. Beinahe bin ich davor ein Jodeln von mir zu geben, kann mich dann aber noch rechtzeitig zurück halten.
Als wir am Abend wieder zu Hause ankommen, falle ich wie ein Stein bzw. eine Lawine ins Bett. Es ist ein schönes Rundumwehtu-Gefühl. Ich habe den ganzen Tag über etwas gemacht und das spüre ich nun. Ich bin mal gespannt, ob ich morgen viel Muskelkater habe.
- Ich bekomme Besuch. Endlich. Es kommt Leben in die Bude! Doch bevor A. Und seine Freundin K. Am letzten Januarwochenende die Landschaft bei uns genaustens unter die Lupe nehmen, müssen M. Und ich noch einen Spieleabend vom Centre absolvieren. Insgesamt erscheinen ganze zehn Leute. Lustig ist es trotzdem. Bereits vorher dekorieren M., M. Und ich den Raum und testen ein Spiel, in welchem es natürlich – wie sollte es anders sein? - um Krieg gehen. Bereits beim BAFA-Seminar habe ich die leise Ahnung bekommen, dass Franzosen zu allem was mit Krieg zu tun hat eine etwas andere Einstellung als viele Deutsche haben. Anfangs scheitern wir kläglich und weder M. Und ich, noch M. Verstehen die Spielregeln richtig. M. Und ich wegen des Französischs. M., weil die Regeln zu kompliziert sind. Irgendwann haben wir dann aber doch das Gefühl, dass es einigermaßen klappt. Unsere ungefähre Ahnung können wir dann auch direkt mit einer Dame – ja, was genau macht sie hier? Natürlich spielen. Irgendwie beschleicht mich aber das Gefühl, dass sie gekommen ist um vor allem eins zu finden: Freunde. Soziale Kontakte. - testen. M. Und ich amüsieren uns köstlich, die Dame verzieht die ganze Zeit keine Mine. Rätselhafter Weise bleibt sie uns den ganzen Abend aber auf den Fersen. Obwohl wir beide das Gefühl haben, dass sie sich total langweilt, bedankt sie sich am Ende überschwänglich. Vom Spieleabend geht es dann direkt zum Bahnhof, wo wir A. Und K. Abholen. Nach einem kurzen Missverständnis finden wir uns schließlich. Ich bin gespannt wie die Kommunikation laufen wird. Mit A. (Kleine Erinnerung: Der Freiwillige aus Lyon, bei dem ich Anfang Dezember war) Habe ich immer Französisch bzw. wenn ich zu müde oder es mir zu kompliziert war Französisch zu sprechen auch Englisch gesprochen. Da sein Englisch aber nicht das beste ist, hat er immer auf Französisch geantwortet. Im Gegensatz dazu kann seine Freundin aber „nur“ Polnisch (beide sind Polen) und Deutsch. Sprich, wir haben keine Sprache, auf der wir uns zu dritt unterhalten können. Auf der Fahrt vom Bahnhof nach Hause verblüfft mich K. Aber mit einwandfreiem Deutsch. Es muss nur immer jemand dolmetschen, damit alle alles verstehen. Anfangs ist das anstrengend. Am Ende des Wochenendes mache ich das automatisch. Freitagabend sitzen wir dann noch in unserer Küche und tauschen uns auf. Ich bin froh, dass die beiden da sind.
Am nächsten Tag müssen M. Und ich arbeiten. Diesmal steht ein Vortrag in der Nähe von Annecy an. Hier sollen wir etwas über den EFD erzählen. Viel mehr wissen wir aber nicht. Weder unser chef, noch T. Kann uns Näheres sagen. Am Morgen treffen wir uns mit A. Und K. Im Gepäck – ich mit dem Camion, M. Mit seinem Auto – mit T. Und den Jugendlichen vorm Centre. Sie werden nämlich zu dem sogenannten „Festi‘ Jeunes“ - der Veranstaltung auf der wir den EFD promoten sollen – auch einen Ausflug machen. Mit Schrecken stellt T. Fest, dass statt acht neuen Kinder angemeldet sind. Die passen aber nicht alle in den Camion. Kurzerhand werde ich dazu degradiert mit seinem Auto und einem Kind auf dem Beifahrersitz hinter ihm hinterher zu fahren. Anfangs etwas unsicher (Dies liegt primär daran, dass der Sender, den ich aus Versehen einstelle, lautstark amerikanisch-katholische Predigten verkündet. Während der Fahrt habe ich aber keinen Kopf dafür den Sender zu ändern. Zu viele Knöpfe liegen vor mir. Dazu sollte erwähnt werden, dass T.s Auto ein 89er Modell ist. Also beinahe Antik.) fahre ich T. Hinterher, der mir zu Liebe wirklich langsam fährt. Der Junge, der in meinem Auto sitzt, taut zusehends auf und unterrichtet mich über sämtliche Tiere, die er jemals besessen hat. Ich hätte nie gedacht, dass es viel Spaß macht Eidechsen zu Hause zu halten.
In Annecy angekommen beginnt die Parkplatzjagd. Ich mit T.s Miniauto finde nach vielem Vor-, Zurückfahren und Kurbeln einen Parkplatz. Für die anderen beiden ist es schwieriger. Als aber alles geparkt ist, beginnen wir unseren kleinen Annecy-Trip, der uns durch die Altstadt, über einen Flohmarkt, hoch zum Schloss und an den Lac d‘Annecy führt. Dann geht es auch schon weiter zum „Festi‘ Jeunes“. Unerwarteter Weise steht dort schon F./Monsieur L. Bereit und quetscht uns ein bisschen aus. Er interessiert sich wirklich für uns und ich fühle mich geehrt, dass er uns in der Moderation immer wieder hervorhebt. Er ist stolz auf uns und das macht mich stolz. Das Fest beginnt mit einer offenen Spielephase, bei welcher ich die Kinder in einem Schnickspiel in Grund und Boden schnicke. Erst A., der Betreuer eines anderen Jugendklubs aus dem Nachbarort, kann meiner Siegesfolge ein Ende setzten. Danach hat jeder einen kleinen Infostand und soll die Interessierten informierten. Leider sind viele der Jugendlichen aber nicht sonderlich interessiert. Generell habe ich den Eindruck bekommen, dass die Franzosen nicht sonderlich motiviert sind ihr Land zu verlassen. Gut, wer kann es ihnen verübeln? Es ist ja auch wunderschön hier. Wenigstens die drei momentanigen Service Civique-ler (Pendant zu dem deutschen BFD) können wir etwas motivieren. Am Ende sollen noch die, die Lust dazu haben ihr Projekt bzw. ihren freiwilligen Einsatz auf der Bühne vorstellen. Es wird keiner gezwungen und so kommt es, dass nach zwei Personen keiner mehr auf die Bühne kommt. An sich würde ich das ja auch machen. Ich schaue M. An, versuche Blickkontakt zu bekommen. Er weicht mir aber geschickt aus. Schließlich ruft uns F. Praktisch auf. Und so schlimm ist es dann auch gar nicht. Nach der überstandenen Prüfung beginnt der DJ mit der Kinderbelustigung und leitet eine etwas andere Art des Reise nach Jerusalems an. Als mir bewusst wird, dass man Tanzen kann, überrede ich T. Und A. Mit mir gemeinsam die noch nicht von Kindern besetzten Reifen zu übernehmen. Und so kommt es, dass ich an einem Samstagnachmittag in einem kleinen französischen Städtchen zu den Charts mit einer Horde von Kindern um Hulahoopreifen hüpfe.
Die Rückfahrt gestaltet sich dann leider als herausfordernder als gedacht. Aber dazu später mehr.