Erinnerungen
Was bei einem nächtlichen Heimweg hochkommt und nicht mehr unterdrückt werden kann und darf.
Es gibt einige Dinge, die ich vermisse. Einige Dinge, die ich nicht wirklich zu schätzen gewusst habe, solange sie noch da und selbstverständlich waren.
Eigentlich hätte mir das schon von vornherein klar sein sollen. Denn woher sonst kommen die ganzen klugen Sprüche a la „du wirst erst merken, was du hattest, wenn es weg ist“.
Schon mein nächtlicher Heimweg lässt mich in Erinnerungen versinken.
Während meine Füße wie von allein einen Schritt nach dem anderen zu meinem neuen, zeitlich begrenzten zu Hause machen, bringen mich meine Gedanken in eine andere Richtung.
Die Musik meines MP3-Players bringt mich zurück.
Eine Band ist auf einmal nicht mehr eine Musikgruppe.
Viel mehr ist sie die Manifestation der Verbindung zu seiner eigenen Schwester, deren Liebe für diese Musik man anfangs nicht mal ansatzweise verstehen konnte und die dann doch zum Teil des eigenen Ichs geworden ist. Vom Kauf der neuesten CD bis hin zum sich selbst geschenkten Konzert Ticket.
Auf einmal ist ein Lied nicht mehr ein Melodie kombiniert mit Text.
Es ist viel mehr die Verbindung zu einem Menschen, der über zweitausend Kilometer entfernt ist.
Die Erinnerung an Gespräche, die ich vor über 3 Jahren, in einem scheinbar anderem Leben geführt habe.
Als das Wichtigste war, mit meiner Freundin bei der Vorbereitung und der Jugendherberge bei meinem Lieblings-Wettbewerb klar zu kommen.
Ein Sternenhimmel erinnert dich an Menschen, die schon seit Jahren aus deinem Leben verschwunden sind. Plötzlich kommen dir Gespräche in den Sinn, die so vielleicht niemals stattgefunden haben. An die du dich eigentlich gar nicht erinnern kannst und die dir doch so klar vor Augen stehen und in den Ohren klingen, als wäre es erst gestern gewesen. Als wärst du erst gestern unter dem sternenklaren Himmel Taizé' s gesessen und hättest stundenlange Gespräche geführt.
Weit weg und doch hier.
Auf der aufgerissenen Straße, mit den baufälligen Zäunen und den streunenden Hunden.
Die dünne Weiße, die viel zu scheu ist um hinter dem zerstörten Gartenzaun hervorzukommen. Der komische Dackel-Mix, der mich manchmal bis zur Kreuzung begleitet. Der Strubbelige, der mich immer in der Nähe der Treppen erwartet.
All das kommt mir so normal, so unveränderbar vor. Die Art, wie das Haus aus dem „Nichts“ aufzutauchen scheint und mit jedem Schritt größer wird. Wie der Mond die Schatten der Balkone an die Wand wirf und damit einzigartige Muster erfindet.
Doch auch das wird bald nur noch eine ferne Erinnerung sein.
Dann sind es Lieder in einer Sprache, die mehr eine Mischung aus unverständlichem Deutsch und Französisch zu sein scheint, die mich an die wohl 'smarteste' Holländerin erinnern.
Oder Schimpfwörter, die einer Sprache entspringen, die keine Melodie sondern Rhythmus hat. Deren Flüche wirklich spontan aus meinem Mund kommen, ohne dass ich es selbst merke.
Das Gefühl, etwas besser in Englisch als in seiner eigenen Muttersprache beschreiben zu können.
Die Demütigungen und Enttäuschungen, die man hinnehmen musste.
Aber auch die Dinge, die dir die Kraft zum Weitermachen gegeben haben.