En voyage
6 Städte, 4 Flüsse, 1 Berg, 7 Autos und 5 besondere Menschen -
All dem bin ich auf meiner Reise in den Süden Frankreichs begegnet.
In Lyon habe ich mich zuerst ein bisschen verloren gefühlt, alleine in dieser viel zu großen Stadt. Keine zweistündige Morgenroutine, keine eigene Küche und Raum, kurz: kein eigenes zu Hause. Während meiner Reise habe ich in einigen Momenten das Gefühl gehabt, dass Reisen doch nichts bringt. Das Besichtigen einer Kathedrale, eines Museums... am Ende des Lebens ist es sowas von irrelevant, ob man diese eine Museumstafel gelesen hat oder nicht. Und entspannen kann man sich auch zu Hause und muss, um die Sonne in einem Park zu genießen, nicht 1300km hinter sich legen, so wie ich es getan habe.
Das erste Ostern abseits meiner Familie und gefärbter Eier habe ich in Lyon verbracht. Ostern ist hier echt keine große Sache. Ich hätte es gar nicht gemerkt, wenn ich es nicht wüsste. Ostersonntag bin ich in die größte und übrigens faszinierende architektonisch konstruierte Kathedrale zur Messe gegangen. Nachdem ich schon die Weihnachtsmesse auf Französisch hinter mir hatte, war dies ein Kinderspiel. Allerdings hat mich dieser Katholizismus so sehr abgeschreckt, dass ich mich immer mehr von der Kirche entferne. Ich habe mittlerweile ein anderes Bild auf Religion als noch vor einem Jahr. Ich brauche keine Holzbank oder edle Gewänder, um zu mir selbst zu kommen. Es ist nur ein Umweg, was man mit anderen Mittel viel effektiver erreichen kann. Das einzige, was mich noch an der Kirche hält, sind die Traditionen, die alljährlich wiederkehren und somit eine Struktur geben. Das aufzugeben, wäre schade. Allerdings kann man sich ganz einfach seine eigenen und viel persönlicheren Rituale erschaffen.
Von Lyon habe ich einen sehr schönen, aber auch turbulenten Eindruck. Für mich ist die Stadt einfach zu groß (sie ist die drittgrößte Stadt Frankreichs). Aber sie hat ihre berechtigte Attraktivität, mit den zwei Flüssen, der schönen Kathedrale und der beeindruckenden Basilique, dem internationalen Studentenleben und den tausend Möglichkeiten. Es war ein guter Einstieg in meine Reise. Auch mein Gastgeber hat mir einiges über die immer schwierigere Wohnungssituation, dem förmlichen Explodieren der Stadt etc. nähergebracht. Am Karsamstag brachte er mich zu einem internationalen Picknick in den größten Park Lyons, in dem es sogar Elefanten und Affen gibt. Während wir auf der Wiese die ersten Erdbeeren der Saison genossen, wurde der Käse während der vielen Stunden des Austauschens von Storys in eine cremeartige Flüssigkeit verwandelt, da der Sonne es einscheinend nicht reichte, ihre Macht auf unserer immer röter werdenden Haut zu demonstrieren. Am Abend habe ich für uns gekocht und dann kam die Musik. Mein Gastgeber hat mir auf seiner Gitarre und Ukulele vorgespielt und ließ mich auch spielen. Dann zeigte er mir sein kleines Aufnahmestudio und ließ mich sein professionelles Mikro ausprobieren. Jetzt fühle ich mich inspiriert, wieder mit Gitarre weiterzumachen. Und just als ich nach Hause kam, war meine Gitarre verschwunden, da meine Mitbewohnerin sie sich geschnappt hatte, um sich an ihren jahrelangen eingeschlafenen Liedern auszuprobieren.
Mein zweiter Stop war Grenoble - die Stadt in den Alpen - an sich ist sie nicht gerade schön und für mich noch immer zu groß, auch wenn das Studentenleben dort recht ausgefallen ist. Aber die Berge, die die Stadt wie ein Tuch umhüllen, sind atemberaubend. Und ich habe sie nicht nur von unten betrachtet, nein, ich habe einen auch bestiegen. Den Mont Rachais bin ich mit der allerletzten physischen Kraft und der unterstützenden psychichen Motivation meiner Gastgeberin, einer wahren Wandermaus, hinaufgekrakselt. Geplant war, die Seilbahn bis zur Bastille zu nehmen, allerdings war die Warteschlange so lang, dass ich das Ende noch nicht mal erkennen konnte. Kurzerhand ging es also zu Fuß hoch. Alleine das war eine körperliche Herausforderung für mich. Als wir dann oben ankammen ging es nach einer Pause in die wirklichen Berge. Als ich fragte, wie lange wir denn bräuchten, bekam ich als Antwort 2 bis 3 Stunden und das hat mich zusätzlich einige Kraft zum Verdauen gekostet. Alleine hätte ich es niemals geschafft, ich hätte nach 1/3 kehrt gemacht. Ich bin meiner Gastgeberin unglaublich dankbar, mit ihrer Hilfe den Gipfel doch erreicht zu haben. Oben angekommen habe ich solch eine freudige Energie gespührt. Mir ist klar geworden, dass ich alles, aber auch wirklich alles, erreichen kann, wenn ich es nur will. Desweiteren habe ich Ruhe und Harmonie gespührt. So abseits der Stadt, in der reinen Natur fühlte ich meinen Körper mit voller Präsenz und einer unglaublichen inneren Stärke. Die Natur tut immer wieder gut und lässt einen die Perspektive wechseln. Beim Wandern grüßen sich die Menschen ständig und ermutigen selbst Wildfremde. In der Stadt kann ich davon nur träumen. Der Abstieg war dann ein Kinderspiel und fühlte sich so leicht an. Wir sind auf der anderen Seite abgestiegen und kamen in einem kleinen, idyllischen Dorf an, von wo aus wir dann nach Grenoble getrampt sind. Am nächsten Tag hatte ich so starken Muskelkater, dass ich kaum etwas unternahm und unsere gemeinsame Zeit mit meiner Gastgeberin im Park ausklingen ließ. Sie hat mir nicht nur das leckerste chinesische Essen gekocht, sondern auch viel über China und die chinesische Sprache nähergebracht. Wir falteten bis in die tiefe Nacht hinein ein altes Magazin zu einem Korb, da sie die Methode des selbstgemachten Gastgeschenkes lernen wollte. Sie war die beste Schülerin, die ich je hatte. Nachdem wir zusammen meine nächste Pappe mit Buchstaben bemalt hatten, begleitete sie mich bis zur nächsten Autobahnauffahrt.
Das Trampen von Grenoble nach Valence war eine einzigartige Erfahrung. Ich wurde nach Alger eingeladen und wir haben viel über „Ausländer sein“ diskutiert. Es ist verrückt, wie viel Bekanntschaft man auf der Straße machen kann. In Valence selbst hatte ich eine ruhige Zeit. Ich bin für Minuten um den großen Gebäudebau herumgeirrt, bevor ich die Wohnung meines Gastgebers gefunden hatte. Von außen ist die Wohnung eine von vielen in hässlichen Mauern. Aber als ich über die Türschwelle getreten bin, wurde ich extrem positiv überrascht. Die Einrichtung mit den Holzmöbeln und der Dekoration waren so liebevoll und entschieden gewählt. Sofort wusste ich, dass hier wirklich gelebt wird in Achtsamkeit zu der Umgebung. Während der zwei Abenden des Kochens und Essen, tauschten wir uns viel über unsere gemeinsame Leidenschaft aus: Theater. Er ist nämlich Schauspieler und ich fand mal wieder Inspiration in den Gesprächen. Am Tag hat es sowas von gestürmt, geregnet und gewittert, sodass ich erst am Nachmittag aufgebrochen bin. Aber es gab eh nicht viel zu sehen in der Stadt. Am nächsten Morgen ging es weiter nach Montélimar, wo ich bei schlechtem Wetter herumirrte. Als ich gerade angekommen bin, war es Mittagszeit und klar hatte das Schloss geschlossen, wie ein geschlossenens Schloss eben. Nur um dies zu besichtigen, habe ich einen Stop in dieser Stadt gemacht. Schließlich habe ich einen ruhigen Ort gefunden und bin wieder zur nächsten Autobahnauffahrt aufgebrochen.
Am Abend angekommen in Aix-en-Provence wurde mir direkt die wunderschöne Stadt bei Nacht gezeigt. Von meiner Gastgeberin bin vom ersten Moment an inspiriert worden. Auch sie hat eine wunderschöne Wohnung im Stadtzentrum. Sie kam gerade von ihrer großen Indienreise wieder und so konnte ich mir all ihre Erzählungen aus diesem Land anhören. Aix-en-Provence, die Stadt des Künstlers Cézanne war für mich die schönste auf meiner Reise. Das südliche Flair mit den Restaurants unter freiem Himmel, die kleine Größe und die wunderschön, aus hellem Stein gebauten Gebäuden mit der Kathedrale, dem Rathaus und dem Glockenturm habe ich mit meinen Augen förmlich aufgesogen. Zum Leben nur ein bisschen teuer da unten.
In Marseille wurde ich von einer jungen Musikerin mit ihrem neunjährigen Sohn in einem der großen, hässlichen Wohnungen empfangen. Sie zeigte mir direkt all ihre Musikinstrumente, darunter alleine drei Hafen). Ich bewundere ihren Mut, mit ihrem Sohn nach Berlin zu ziehen, obwohl sie erst seit ein paar Monaten mit Deutsch angefangen hat. Sie will einfach raus aus Marseille, der zweitgrößten Stadt Frankreichs und zugleich einer der ärmsten. Da mich viele vor der Schönheit, oder besser gesagt Hässlichkeit, der Stadt gewarnt haben, hatte ich erst gar nicht viele Erwartungen und kann sagen, sie ist wirklich nicht gerade schön. Nichtsdestotrotz haben der alte Hafen und die Küste so ihren Scharm. Notre-Dame-de-la-Garde, die große Kathedrale auf einem Hügel, ist absolut sehenswert. Sowohl die Miniaturschiffe, die im Gotteshaus von der Decke baumeln, da früher die Fischer vor Aufbrechen in die See um ein heiles Zürückkommen gebeten haben, als auch die fantastische Aussicht auf die ganze Stadt und das Meer haben mich eingenommen. Die Küste erinnerte mich sehr an die in der Bretagne, obwohl es das Mittelmeer und nicht der Atlantik ist. An Marseille hat mir allerdings die viele Multikulturalität gefallen. Alles ist durchmischt, die kulturellen Angebote sind vielfältig und die arabische Lebensweise ist genauso präsent wie die westlich europäische. Am vorletzten Tag habe ich mir einen so großen Sonnenbrand geholt, da der starke Wind mich die Stärke der Sonne nicht spühren ließ. So tauschte ich meinen Plan, den nahegelegenen Nationalpark zu besichtigen, durch das stundenlange Lesen in einem Buchladen aus, stets mit einem nassen T-Shirt auf der Nase. So formte dieser Ausflug in die Bücherwelt die letzte Station meiner zwölftätigen Reise.
Und was nehme ich mit? In den vielen Gesprächen mit den Couchsurfern läuft das Gespräch oft auf das Thema des Glücklich Seins hinaus. Im normalen Alltag denke ich nicht so viel darüber nach. Aber auf Reisen ist es irgendwie immer präsent, in Bezug auf mich und all den Menschen, denen ich begegne. Manchmal habe ich das Gefühl, Anstoßer zum Umgestalten des Lebens zu sein. Wenn Fremde mir von ihren Träumen erzählen und ich ihnen meine Rückmeldung gebe („Warum nicht? Versuch's doch“)... Also hat sie doch einen Sinn, meine Reise.
Auch wenn die Art des Alleine Reisens manchmal einsam sein kann, möchte ich all diejenigen ermutigen, die es noch nicht getan haben. Denn so kann man wirklich mit Einheimischen in Kontakt kommen und besser sein Leben reflektieren. Die Menschen, die Orte, die Städte, alles ändert sich, rauscht vielleicht an dir vorbei oder nimmt dich ganz in den Bann bevor du wieder weiterziehst. Aber das einzige, was bleibt, bist du. Deine Träume, Visionen und Ziele.
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