Eine Woche Ausnahmesituation
Wie wir in die (TAP-) Falle tappen, jemand bei uns einquartiert wird und ich endlich einen Sport ausprobiere.
Mit großer Verspätung hier ein kleiner Einblick in die Woche vor drei Wochen...
Samstag, 10.10.2015
Ich wache früh auf. Als ich auf den Wecker schaue ist es kurz vor sechs. Ich versuche wieder ein zu schlafen. Vergebens. Um viertel nach sechs gebe ich den Kampf mit dem Schlaf auf und stehe auf. Draußen ist es grau und ungemütlich. Eine totale Umstellung zu Narbonne – leider.
Ich skype ein bisschen und genieße es, dass das Internet ausnahmslos funktioniert. Ein Weltwunder.
Während ich ein paar der Endprodukte des EFD-Seminars an meine Wand hänge (bzw. Eher mit Maskingtape klebe), lasse ich die letzten Tage noch einmal Revue passieren. Darum kommt mir auch wieder in den Sinn, dass es empfehlenswert ist selbst aktiv zu werden und sich Beschäftigungen zu suchen. Gedacht, getan. Trotz des schlechten Wetters – den gesamten Tag zeigt sich die Sonne kein einziges Mal – packe ich meinen Fotoapparat und die obligatorischen Spazierutensilien in meine Tasche und flaniere den Chateaux des Allinges entgegen. Grob weiß ich die Richtung. Als es jedoch in den Wald geht, bereue ich es sofort, dass ich das GPS-Gerät, das mir von zu Hause zugeschickt wurde, in meiner Schublade habe liegen lassen. Doch so muss ich mich nun im Kartenlesen üben. Als ich der ziemlich eindeutigen Beschilderung folgen möchte, führt mich der (irgendwann nicht mehr wirklich vorhandene) Weg geradewegs ins Dornengestrüpp. Unintelligenter Weise habe ich eine hellgrüne Hose an, die ich dadurch ziemlich gefährdet sehe. Deshalb drehe ich nach kurzer Zeit um und versuche mein Glück mit einem anderen Weg.
Plötzlich höre ich es im Gebüsch rascheln und kann zwei Menschen ausmachen. Panisch taste ich nach meinem Handy und bereue es, dass ich Jacques nicht mitgenommen habe. Schließlich stellt sich aber heraus, dass es momentan viele von besagten Gestrüppmenschen gibt. Sie sammeln Esskastanien. Diese Erkenntnis und die Tatsache, dass mit K. Und D. Auf dem EFD-Seminar auch schon von ihrem gescheiterten Esskastaniensammelversuch erzählt haben, ruft in mit die Frage hervor: "Ja, warum eigentlich nicht? Wieso sollte ich nicht auch welche sammeln?". Das Essen selber zusammen sammeln und aufzuziehen hat mich schon immer fasziniert. Vielleicht wäre ich in diesem Punkt manchmal besser in der Steinzeit aufgehoben. Allerdings hätte ich dann auch keinen Fotoapparat gehabt um das Schloss, das ich letztendlich dann doch noch erreicht habe, zu fotografieren. Warum es als mehrere Schlösser und als Wahnsinnsaussichtspunkt deklariert ist, verstehe ich jedoch nicht so ganz. Denn zum einen laufe ich die ganze Zeit nur durch ein einziges Schloss bzw. Seine Ruinen und zum anderen sehe ich rein gar nichts. Wäre das Wetter besser, hätte man sicherlich eine atemberaubende Aussicht. Im Tal hängt allerdings eine dicke Nebelsuppe, sodass ich vergeblich probiere schöne Bilder vom See zu machen. Nach einem kurzen Ausflug in die schlosseigene Kapelle und einem Stopp an einem Denkmal, das aufgrund eines Busunfalls aufgestellt wurde, mache ich mich wieder auf den Heimweg. Am Schlosstor treffe ich noch eine deutsche Familie, die sich wie ein Schneekönig freut, dass die vermeintliche Französin (ich) sie mit "Hallo" grüßt.
Da ich nicht wieder den gleichen Weg zurück laufen möchte, wage ich mich auf der Straße zu laufen. Ein fataler Fehler, wie ich in einer engen Kurve umgeben von Autos feststellen muss.
Pünktlich zum Einbruch der Dunkelheit komme ich wieder in l'Ermitage an und bin froh, doch noch einmal meinen Fuß aus dem Haus gesetzt zu haben.
Sonntag, 11.10.2015
Als ich aufwache spüre ich es sehr deutlich: Mein Hals kratz. Mal wieder. Genervt verbringe ich einen Großteil meines Tages mit viel Tee und Wärmflaschen im Bett.
Da die Sonne sich Nachmittags aber doch noch einmal kurz aus den Wolken wagt, tue ich es ihr gleich und mache dick eingepackt einen Waldspaziergang. Diesmal aber mit meinem GPS-Gerät. Zu meinem Leidwesen muss ich jedoch feststellen, dass besagte technische Errungenschaft im Großteil des Waldes keinen Empfang hat. Ich genieße es draußen zu sein und wunder mich anfangs über die ganzen anderen Menschen, die mit vollgepackten Plastiktüten durch den Wald laufen. Schließlich wird mir aber klar, dass es sich wahrscheinlich um eifrige Esskastanien- oder Pilzsammler handelt. Also sammle ich auf meinem Spaziergang ein paar Esskastanien. Ganz sicher bin ich mir jedoch nicht, ob es sich bei meinen erbeuteten Objekten wirklich um das handelt, was ich annehme. In der Wohnung bringt das gute alte Internet dann darüber Aufschluss. Und siehe da: So schlecht ist meine Blumen- und Pflanzenkunde gar nicht. Als ich M. Meinen Fund zeige, stellt sich heraus, dass er heiße Maronen genau so gerne mag wie ich. Nach einer kurzen Recherche wie genau man die Kastanien zubereiten muss, beginnt es in unserer Küche nach Weihnachten zu duften. Wir lassen es uns schmecken.
Montag, 12.10.2015
Morgens werde ich von M. Beinahe aus dem Schlaf gerissen. Jedenfalls beinahe. Normalerweise schläft er immer bedeutend länger als ich. Heute nicht. Um kurz vor zehn schlägt er – selbst noch nicht ganz von seiner Idee überzeugt – vor einen Spaziergang zu machen. Ungläubig schnappe ich mir meine Jacke und scheuche ihn aus der Wohnung bevor er es sich noch anders überlegen kann. Unser kleiner Gang führt uns in den sehr belebten Wald. Insbesondere Nordic Walker gehören zu unseren Weggefährten. Dies lässt in mir die Idee aufkommen, dass ich mich da ja vielleicht einer Gruppe anschließen könnte. Aber zunächst steht Badminton und Flagfootball auf dem Programm. Wäre ich nur nicht wieder halb krank. Zu viele neue Eindrücke verarbeitet mein Körper irgendwie immer damit, dass mein Immunsystem schlapp macht.
Mit dem Ziel vor Augen morgen unbedingt zum Badminton Training gehen zu wollen, trinke ich Unmengen an Tee und beginne den heimischen Multi-Wundersaft zu nehmen.
Auf der Arbeit angekommen erwartet uns direkt eine nicht so optimale Nachricht. Unsere Kollegin M. Ist krank. Vermutlich für die ganze Woche. Vor allem für die TAP-Stunden ist das etwas suboptimal. Denn eigentlich ist immer einer von den festangestellten Kollegen mit entweder M. Oder mir in einer Klasse. Dadurch, dass M. Nun aber krank ist, fehlt einer dieser Festangestellten. Unser Chef hat darum den genialen Plan ersonnen, dass ich bei den Kleinen alleine und M. Mit einem Springer bei den Großen sein soll. Warum ich alleine sein soll ist nicht nur mir ein Rätsel. Kurz bevor wir uns mit drei Säcken voller Lamastallhinterlassenschaften – der Stall ist von unseren Kollegen innerhalb der Woche, in der wir auf dem EFD Seminar waren, nämlich immer noch nicht ausgemistet worden, sodass wir das machen mussten – auf den Weg nach Orcier machen, wird der Besetzungsplan kurzer Hand wieder umgeworfen. M. Und ich sind noch verwirrter.
In der Schule stellt sich schließlich heraus, dass M. Und ich zusammen bei den Großen sind. Es läuft einigermaßen. Nicht herausragend, aber auch nicht total schrecklich. Allerdings ist meine Stimme durch das Schreien danach wieder ziemlich angeschlagen.
Nach der Arbeit nutzen wir die Tatsache, dass wir den Camion haben. Ich ergreife die Chance und melde mich in der Bibliothek in Armoy an. Es ist kostenlos, es gibt viele, gute Bücher und die Ausleihdame ist nett. Kurz um: Ich bin glücklich.
Beschwingt begebe ich mich mit M. Noch auf die Suche nach einem Lidl. Auf dem EFD Seminar war uns nämlich zu Ohren gekommen, dass es dort bedeutend billiger sein solle, als im Intermarché.
Nach einigem Suchen werden wir fündig. Neben billigem Waschpulver und erschwinglichem Gouda, laufen mir auch schon die ersten Schokoladenweihnachtsmänner über den Weg. Weihnachten kommt immer näher. Das bedeutet, dass ich bald schon ein Drittel meiner Zeit hier „rum“ habe. Irgendwie kommt mir das aber noch gar nicht so vor.
Dienstag, 13.10.2015
Ich wache auf und merke, dass das mit meiner Stimme heute mal wieder etwas schwieriger werden wird. Noch guter Dinge mache ich erst einmal einen Spaziergang.
Mittags geht es dann wieder ins Centre den Lamastall weiter ausmisten. Anschließend erwartet M. Und mich eine sehr anstrengende TAP-Stunde. Eigentlich mag ich die Kinder wirklich sehr gerne. Nur ab und an übertreiben sie es. Die Tatsache, dass wir heute nicht in der Turnhalle sondern in der Bibliothek sind wird uns zudem zum Verhängnis. Denn in der kleinen Bibliothek ist überhaupt kein Platz, sodass die Kinder ihre überschüssige Energie nicht mit wildem Herumtoben kompensieren können. Bzw. Sollten. Natürlich gibt es viele Kinder, die sich nicht von der Tatsache abhalten lassen, dass man in einer Bibliothek leise sein soll. Das Ergebnis der Stunde ist, dass ich gar keine Stimme mehr besitze, eine große Anzahl der Kinder Kopfschmerzen hat (das liegt primär daran, dass es ein paar Kandidaten gibt, die permanent herum schreien, aber auch daran, dass die anderen Kinder die Störer dann anschreien, dass sie leise sein sollen. Das wiederum trägt nicht wirklich dazu bei, dass es leiser wird, sondern bewirkt eher das Gegenteil), ich total genervt bin und die Uhr über der Tür herunter fällt und in tausend Teile zerspringt. Doch auch das Klirren der splitternden Uhr kann die Kindern nicht dazu bewegen leise zu sein. Nach der Stunde spricht es sich natürlich wie ein Lauffeuer herum, dass es nicht so optimal gelaufen ist. Gefühlt jede der Lehrerinnen kommt auf uns zu und bietet uns Hilfe an falls wir mal nicht weiter wissen. Ich weiß, dass diese Angebote nett gemeint sind. Jedoch führt es mir auch noch einmal sehr direkt vor Augen, dass die Stunde wirklich schlecht gelaufen ist und das kratz an meinem perfektionistischen Ego.
Im Camion mit T. Auf dem Weg zu einer weiteren Schule um Flyer vom Centre zu verteilen, reden wir auch noch einmal mit ihm und schildern ihm die Situation.
Abends ringe ich ca. Eine Stunde mit mir, ob ich zum ersten Mal zum Badminton Training gehen soll oder im Hinblick auf meine angekratzte Gesundheit lieber zu Hause bleiben sollte. Angesteckt von der Motivation, die mir beim EFD Seminar entgegenschlagen ist, beschließe ich zu gehen.
Es ist das erste Mal, dass ich alleine mit dem Camion fahre. Und dann auch noch bei Nacht... Der Weg kommt mir plötzlich unendlich lang vor. War da wirklich solange keine Abbiegung? Kam das Stopp Schild wirklich erst so spät? Und bin ich wirklich auf dem richtigen Weg? Zweifel, die eigentlich lächerlich sind, da ich gar keine großartigen Optionen habe was den Weg angeht und den Weg mittlerweile im Schlaf kenne.
Als ich den Camion schließlich erfolgreich geparkt habe, stelle ich fest, dass ich eine Viertelstunde zu früh bin. Naja, besser zu früh als zu spät.
Nach einer Weile stoßen schließlich auch noch ein paar andere Badmintonbegeisterte zu mir. Ich werde herzlich begrüßt. Wohlgemerkt von jedem mit Küsschen rechts links.
Zunächst befürchte ich, dass es sich bei der Badmintongruppe nur um Männer zwischen 40-50 handelt. Als dann aber auch ein paar (jüngere) Frauen die Halle betreten, hat sich diese These widerlegt. Ich werde direkt integriert und spiele. Eigentlich besteht das Training nur aus Spielen gegeneinander. Jeder, der gerade Lust hat, spielt. Die Atmosphäre ist entspannt, ich fühle mich wohl und genieße es mal wieder mit anderen Menschen Sport zu machen. Meine Erkältung ist vergessen. Ich lerne innerhalb weniger Minuten die Regeln der Badmintonkunst (ganz wichtig: Wie tausche ich richtig und vor allem wann meinen Platz?) und stelle verwundert fest, dass auch zwischen den einzelnen Matches sich mit Küsschen gratuliert wird. Das finde ich dann doch etwas zu viel. Alle Welt schwitzt; warum sollte man sich da freiwillig so nah kommen?
Irgendwann schaue ich auf meine Uhr und stelle erschrocken fest, dass es schon halb elf ist. Morgen ist früh aufstehen angesagt. Darum mache ich mich auf den Heimweg. Ich bin voller Glücksgefühle. Einen Sport habe ich schon einmal sicher.
Mittwoch 14.10.2015
Heute steht mal wieder ein anstrengender Tag im Centre an. Gegen 11 Uhr steht dann auch endlich die Besetzung für heute. Momentan (wobei; eigentlich habe ich das Gefühl die ganze Zeit) ist die Besetzung der Animateure sehr knapp. Aus den Tiefen der Animateurkartei werden dann auf den letzten Drücker C. Und M. Ausgegraben. M. Soll mit M. Die Kleinen bespaßen und C. Mit mir die Großen. Als M. Und ich uns um kurz vor halb zwölf auf den Weg machen die Kinder einzusammeln, stößt eine Fieberkranke M. Zu uns. Allein die Tatsache, dass sogar Kranke dazu bekniet werden zu arbeiten, repräsentiert bereits ganz gut wie knapp wir von der Besetzung sind...
M. begleitet M. In dem einen Bus und ich sammle zum ersten Mal mit dem anderen Bus die Kinder ganz alleine an den Schulen ein. Bewaffnet mit Liste und Stift wage ich mich bei den einzelnen Stopps nach draußen in den Regen und zähle fleißig Kinder. Alles verläuft gut. Kein Kind vergisst sein Kuscheltier im Bus und ich achte peinlich genau darauf, dass alle angeschnallt sind.
Im Centre läuft mir meine heutige Kollegin C. beim Essen über den Weg und erklärt mir im Schnelldurchlauf, was sie heute machen möchte.
In der anschließenden Ruhezeit bereitet C. Die Aktivität vor und ich passe auf die Kinder auf. Jeden Mittwoch gibt es aufs Neue Diskussionen um den Tischkicker. „Temps calm“ heißt, dass die Kinder leise sein sollen; kein Herumgeschreie, kein Herumgerenne und auch kein Tischfußball. Einigen Kindern fällt es aber sichtlich schwer der Versuchung zu wieder stehen und werden beinahe magisch von dem Kicker angezogen.
Für die Aktivität teilen C. Und ich die Kinder unter uns auf. Eine Gruppe geht mit C. In unseren Garten und pflückt dort Tomaten. Außerdem gibt C. Ihnen einen Crashkurs zum Thema Gewürze. Derweil sammle ich mit der anderen Gruppe Esskastanien. Leider verlieren die Kinder bereits nach fünf Minuten die Begeisterung am Sammeln. Es ist doch viel interessanter auf dem Holzzaun herum zu klettern.
Nach dem „Goute“ (vor welchem wir die Kinder Esskastanien und eine Maronencreme probieren lassen; Ersteres mögen die Kinder nicht so sehr, die Creme kommt aber aufgrund der enthaltenen Tonnen Zucker super an) werden die ersten Kinder bereits abgeholt. Ich genieße, dass es langsam ruhiger wird. Plötzlich kommt unser Chef L. Und bittet M. Und mich zu sich. Wir folgen ihm ins Teamzimmer. Dort ist auch schon unser Kollege T. Langsam dämmert mir worum es gehen könnte: Die TAP Stunden. Und genau so ist es dann auch. Uns wird berichtet, dass scheinbar viele Eltern bei der Zuständigen für die TAP Stunden angerufen haben, weil ihre Kinder nicht mit unseren Stunden zufrieden sind. Besagte Zuständige wiederum hat L. Angerufen. Der wusste aber nicht davon, dass die Stunden nicht so gut gelaufen sind. M. Und ich hatten am Dienstag mit T. Über die misslungene Stunde geredet und ich war ehrlich gesagt davon ausgegangen, dass T. Es L. Erzählen würde. Hat er aber scheinbar nicht getan. Auch von den beiden wurde uns nun noch einmal gesagt, dass wir Hilfe annehmen und suchen sollen, wenn es nicht klappt und uns die Kinder auf der Nase herum tanzen. Das ist einfacher gesagt als getan. Für mich war das Gespräch die Bestätigung, dass es Dienstag wirklich schlecht gelaufen ist. Ich war total fertig.
Zu Hause ließ weder mich noch M. Das Gespräch los. Bei heißen Maronen analysierten wir die Situation und ersannen dann einen Plan, was wir ändern können. Die Krisensitzung endete dann schließlich darin, dass wir uns eine Rede überlegten, die wir den Kindern am nächsten Tag halten wollten. Nicht unbedingt im Sinne einer Strafpredigt, aber um klar zu machen, dass weder sie noch wir mit der jetzigen Situation zufrieden sind und wir etwas ändern müssen. Darum schrieben wir auch direkt Regeln auf, die wir den Kindern präsentieren und dann unterschreiben lassen wollten.
Erschöpft ging es dann ins Bett.
Donnerstag, 14.10.2015
Heute steht das Gespräch mit den Kindern vom TAP an. Ich habe darauf einerseits Lust, da ich die Situation klären möchte. Andererseits bin ich aber auch ziemlich skeptisch, ob das alles so klappt wie wir es uns gedacht haben.
Im Centre angekommen vervollständigen wir unser Regelblatt für die Kinder. Vertieft in das Kreieren dieses Blattes bekomme ich überhaupt nicht mit, dass wir Besuch bekommen. Und dieser Besuch ist nicht irgendwer. Zunächst ist die Zuständige für die TAP Stunden da und spricht mit unserem Chef. Als ich schließlich von der Toilette wiederkomme, finde ich M. Vertieft in ein Gespräch wieder. Vertieft in ein Gespräch mit der Bürgermeisterin von Orcier. Sie macht uns Mut, dass Kinder nicht immer einfach sind, wir aber nicht aufgeben sollen. Sie ist total süß, begrüßt mich mit Küsschen rechts links und strahlt uns an. Nach dem Zusammentreffen setzt mich M. Davon in Kenntnis, dass A.-T., die Bürgermeisterin, mit uns heute in die TAP Stunde kommen und die Kinder etwas zurechtweisen wird. Eigentlich sollte ich mich freuen, dass alle hinter uns stehen. Das tue ich auch. Jedoch regt sich in mir auch dieser leise Gedanke, dass nun wirklich alle über unseren Fail Bescheid wissen. Und dieses Wissen lässt sich nicht so ohne Weiteres verdauen. Zumindest ist mein Magen dazu nicht direkt in der Lage. Wer weiß denn noch alles von Dienstag? Sämtliche Bürger von Orcier? Oder ist es auch schon bis nach Thonon vorgedrungen?
Wie dem auch sei, in der Klasse baut sich A.-T. Vor den Kindern auf und spielt ihre Rolle als Bürgermeisterin richtig aus. Sie sagt den Kindern, dass sie brav sein sollen und sie mit uns beiden in Kontakt steht, weshalb sie immer mitbekommen würde, wenn sich jemand daneben benimmt. Und sie könne diesen jemand dann auch ganz schnell aus den TAP Stunden ausschließen. Das macht Eindruck auf die Kinder. Selbst die drei Klassenclowns sitzen reglos auf ihren Stühlen. Hach, Bürgermeisterin müsste man sein.
Den Rest der Stunde lässt A.-T. Uns wieder alleine und wir sprechen auch noch einmal mit den Kindern. Am Ende präsentieren wir ihnen die Regeln und lassen sie unterschreiben. Das ist das Highlight der Stunde. Die Kinder sind stolz wie Oskar, dass sie mit ihrer richtigen Unterschrift unterschreiben dürfen. Na, hoffen wir mal, dass sie sich dann letztendlich auch an das halten, was sie unterschrieben haben.
Nach dem TAP helfen wir noch D., mit der ich auch bereits zwei Mal mittwochs zusammen gearbeitet habe, bei den Vorbereitungen für das „Festival des Bds“ (einem Comic-Festival am Wochenende, bei dem viele Künstler in die Turnhalle der Schule kommen und Zeichenkurse geben und Comics signieren). D. Bereitet das Festival mit einer solchen Leidenschaft vor, dass ich sehr traurig bin am Wochenende keine Zeit für das Festival zu haben. Aber leider rufen andere Verpflichtungen. Obwohl ich eigentlich nicht viel für BDs übrig habe, fasziniert mich das, was ich dort bereits sehe schon. Nach dem M. Und ich die Zeichenversuche der Kinder aus dem Centre an der Ausstellungswand befestigt haben, geht es nach Hause.
Ursprünglich wollte ich heute Abend eigentlich Flagfootball ausprobieren. Da ich mich aber noch nicht ganz so fit fühle und die nächste Woche anstrengend genug werden wird, beschließe ich das Ausprobieren noch einmal zu verschieben.
Eigentlich sollte ich meinen Koffer packen. Am Samstag geht es für M. Und mich nämlich zu einer einwöchigen Fortbildung. Besagte Fortbildung nennt sich BAFA. Es handelt sich hierbei im Prinzip um das französische Pendant zur Jugendleiterausbildung. An sich also nichts Neues für mich. Ein bisschen Angst oder viel mehr Befürchtungen habe ich dann aber doch. Denn schließlich wird alles, wirklich alles, auf Französisch sein.
Statt meinen Koffer zu packen skype ich schließlich noch. Mir war vor meinem Auslandsaufenthalt nie bewusst, wie anstrengend Skypen sein kann. Aber ständig mit vielen verschiedenen Leuten in Kontakt zu sein überlastet merkwürdiger Weise manchmal mein Gehirn. Natürlich freue ich mich immer wieder aufs Neue, meine Familie und meine Freunde live vor mir zu haben, aber eine Stunde am Stück reden ist doch sehr anstrengend. Außerdem werden innerhalb dieser einen Stunde Gespräch so viele Informationen übermittelt...
Freitag, 15.10.2015
Morgens mache ich einen Spaziergang durch den herbstlichen Wald. Es ist herrlich wie sich die Blätter der Bäume langsam orange und rot verfärben. Der Herbst weicht mittlerweile schon beinahe dem Winter. Zwar nicht kalendarisch, aber an der Dicke meiner Schichten, die ich anziehe, gemessen. Zunächst habe ich mich kategorisch geweigert meine Winterjacke anzuziehen. Ihre Benutzung symbolisiert für mich immer das Eingeständnis an den Winter, dass er gewonnen hat und seine eisige Kälte ausbreiten darf. Nun ja, irgendwie ist es mittlerweile aber so kalt, dass ich es ohne Winterjacke gar nicht mehr aushalte.
Die TAP Stunde läuft einigermaßen. S., die die ganze Zeit quer geschossen ist, verhält sich heute mustergültig. Ich bin überrascht. Und als sie dann nachdem wir sie entlassen haben, noch einmal Kehrt macht um mir schöne Ferien zu wünschen, hat sie einen Platz in meinem Herzen sicher. Auch wenn mich sehr viele Kinder hier auf die Palme bringen, ist jedes doch auf seine Art und Weise liebenswürdig und hat auch einmal seine „normalen“ Fünfminuten. Irgendwie beruhigend.
Nach der Arbeit wollen M. Und ich noch einkaufen fahren. Der Camion soll aber danach ins Centre. Ein Abstecher zu Lidl später ruft mich T. An und fragt mich etwas Unverständliches. Im Centre angekommen stellt sich heraus, dass aus irgendeiner Animateurkartei noch eine Betreuerin für die Ferien aus gekramt wurde. Leider wohnt sie aber nicht in Thonon und hat somit keinen Schlafplatz. Darum wurde die „geniale“ Idee ersonnen, dass sie in der Zeit, in der M. Und ich unserer BAFA Ausbildung haben, bei uns wohnen kann. Ich werde von diesem Vorschlag ziemlich überrumpelt, fände es aber auch unhöflich zu sagen, dass ich das nicht möchte. Schließlich ist es in dem Sinne nicht unsere Wohnung.
Wieder zu Hause bricht dann eine große Putz- und Aufräumaktion aus. Nicht, dass es bei uns dreckig oder total chaotisch wäre, aber eine Fremde möchte ich doch nicht in mein Zimmer im jetzigen Zustand lassen. Ich staubsauge, putze das Bad, räume mein Zimmer auf. M. Und ich haben nämlich beschlossen, dass sie bei mir im Zimmer schlafen soll. M.s Zimmer machen wir für die Zeit zu. Ich bin nicht sonderlich begeistert von der Idee, dass jemand Fremdes bei mir im Zimmer (womöglich auch in meinem Bett?) schläft. Wenn ich sie doch wenigstens vorher mal gesehen hätte. Irgendwie bringt mich diese Hals-über-Kopf-Aktion ziemlich aus dem Konzept. Und mein Koffer für morgen ist immer noch nicht richtig gepackt. Wie soll ich das nur alles noch schaffen?
Dazu kommt, dass ich einer Freundin versprochen hatte zu skypen. Irgendwie wird das alles plötzlich sehr viel. Warum fällt T. Auch abends um sieben ein uns von seinen Plänen in Kenntnis zu setzen? Mit der Spontanität mancher Franzosen komme ich noch nicht ganz so klar.
Müde falle ich schließlich ins Bett. Im Hinterkopf immer den Gedanken, dass ich nun viel zu wenig Schlaf bekomme. Das wiederum ist ziemlich suboptimal für die kommende Woche, die auch sehr schlaflos sein wird.