Eine Horde Belgier in Tübingen
Viele Belgier empfinden deutsche Autofahrer als aggressiv. Wer hätte das gedacht? Mariann jedenfalls war überrascht. Überhaupt sorgten Autos in den letzten zwei Wochen bei ihr für ziemlichen Trubel.
Hallo! Ich habe mich ja länger nicht gemeldet. Vor knapp zwei Wochen bin ich mit ein paar Leuten vom Miroir nach Tübingen gefahren. Denn Daniel Seret, ein belgischer Künstler und auch beim Miroir, präsentierte dort im Hölderlinturm eine Ausstellung seiner Werke. Der Miroir fährt jetzt stückchenweise nach Tübingen. Zu uns sechs Leuten kamen noch acht einkommensschwache Menschen: zwei Familien und ein Pärchen. Freitagfrüh ging es mit zwei Kleintransportern los.
Richtig lustig wurde es aber erst auf der deutschen Autobahn, denn irgendwie scheinen wir doch sehr schlimm und aggressiv zu fahren. So schrie Nicolas die ganze Zeit nur herum, dass er schon wieder links überholt wurde. Da wir das wohl irgendwie gewohnt sind, konnte ich nur lachen. Ich weiß nicht, wie es Euch beim Fahren so geht, aber ich hatte nie den Eindruck, dass wir schlimmer fahren, als unsere Nachbarn. Gerade im Vergleich mit Frankreich und Italien fand ich es eher besser. Aber die Belgier bilden hier wohl eine Ausnahme.
Ich hatte viel Spaß, denn sie wollten alles vorlesen was sie so an Straßenschildern sahen. Irgendwann nach vielen Stunden kamen wir dann in Tübingen an und mussten erstmal die Jugendherberge finden. Das ging relativ schnell und zum Glück war ich dabei, denn das Englisch des Zivis an der Rezeption war nicht so überragend. Nachdem sich alle auf die Zimmer verteilt hatten und der Kicker entdeckt wurde, ging es los zur Mensa, denn wir wollten billig essen. So bekamen wir schon mal einen ersten Eindruck von Tübingens schöner Innenstadt, weshalb ich etwas neidisch auf die Leute bin, die hier studieren können. Auch die Horde Belgier war größtenteils begeistert, weil es eine solche Bauart zumindest in der Wallonie nicht gibt.
In der Mensa ging es dann mit dem Übersetzen weiter und zu meiner Freude habe ich das Plakat von "Strom und Wasser" entdeckt, die am Samstag im Sudhaus spielen sollten. Nun ja, jetzt war Überzeugungsarbeit gefragt und ich schaffte es, dass Christian (vom Miroir) mitkam.
Am Freitag flüchteten wir vor Schnee und Wind ins Neckarbistro, wo ich gleich mal die Bestellung übernehmen durfte. Weizen für die Belgier. Irgendwann vor Mitternacht sind wir zurück zur JH und spielten fröhlich Kicker. Leider bin ich bestimmt die Schlechteste! Samstagmorgen, nach einem für Miroirmitarbeiter viel zu frühem Frühstück (7.30 - 9.00 Uhr) machten wir uns an die Erkundung von Tübingens Innenstadt und die Suche nach dem Hölderlinturm. Das ging alles recht schnell und so blieb viel Zeit für Schneeballschlachten. Gegen 11 Uhr trennten sich unsere Wege und wir (ich, Christian, Marie-Aline und Nicolas) liefen durch die Straßen Tübingens und stopften uns mit Döner voll. Endlich wieder, denn in Belgien gibt es keine ordentlichen, außerdem sind sie sehr rar.
Um zwei Uhr trafen wir uns alle im Hölderlinturm und bekamen eine Führung durch die Räume. Für mich war es ganz praktisch, mal wieder was über Hölderlin zu hören, weil man sowas immer schnell vergisst. Aber die Bilder von Daniel? Nun ja, also ich bin einfach kein Freund von dieser Kunstart. Er hat mehrere Zyklen gemalt. Der erste entstand, während er sich Gedichte von Hölderlin auf Deutsch vorlesen lies (obwohl er es nicht verstand). Grundlage des zweiten waren französische Übersetzungen und des dritten Vertonungen. Im Anschluss hatten wir wieder Freizeit bis 19.30 Uhr, Zum Abendessen gingen wir in ein italienisches Restaurant. Da dieses aber noch Gäste hatte, gab's für jeden ein Glas Wein gratis und sie sangen vor der Tür ein paar belgische Lieder. Sehr witzig.
Danach stopften Christian und ich uns Nudeln rein und rannten zum Bus, denn es sollte ja um 21 Uhr losgehen. Als erstes hat ein Liedermacher schwäbischer Mundart gespielt. Christian wollte wissen, was der da so sang und fand es ganz witzig als ich sagte, dass ich fast nix verstand. Irgendwie gibt es diese sehr unterschiedlichen Dialekte wohl nur in Deutschland. Danach endlich „Strom und Wasser“. Meine Lieblinge! Da gab es wieder viel zu Übersetzen. Aber es wurde zeitlich sehr knapp. Als wir auf die Uhr sahen, dachten wir, wir könnten den Bus noch erreichen, der vor Mitternacht fährt, denn der nächste wäre erst kurz vor ein Uhr gefahren. Also rannten wir, aber es brachte nichts und wir gingen zurück.
So hatte ich auch noch Zeit, mal wieder ein wenig mit Ratz, dem Sänger von Strom und Wasser, zu labern und Christian eine CD zu kaufen. Außerdem hörten wir so Johanna Zeul. Die ist echt richtig gut und ich war ganz froh, dass wir den Bus verpasst hatten. Gegen halb zwei kamen wir dann in der JH an und spielten noch ein wenig mit den noch Wachen. Sonntag ging es schon wieder zurück. Aber da Christian Probleme mit dem Kartenlesen hat, fuhren wir erstmal nach Baden-Baden. Dort legten wir zuerst eine ungeplante Pinkelpause ein und gerieten mächtig in Stress. Denn unser alter Kleintransporter sprang nicht mehr an und ratterte nur - oh nein! Das war der Horror. Wir versuchten es bestimmt eine Viertelstunde, aber nichts tat sich. Nachdem sämtliche Väter angerufen wurden, die Tipps gaben, regte sich auch nichts. Also Überlegen: Wieviel kostet der Zug, die Jugendherberge oder der Abschleppdienst. Ich bin erstmal zur Tankstelle und bat die Frau an der Kasse, einen Abschleppdienst für uns zu rufen. Das ist gar nicht so einfach an einem Sonntag, aber es fand sich einer, der sich das mal schnell angucken wollte, weil er sowieso gerade auf dem Weg war. Nach einer weiteren Viertelstunde des Wartens kam er, hatte zwar keine rechte Ahnung, aber rief bei Renault an. Und dann ging alles ganz schnell. Türen zu, zünden und er lief. Haha! Es war die Wegfahrsperre! Tückisches Ding.
Nicolas nahm schnell alle bösen Sprüche über den Miroir zurück und wir fuhren weiter. Die restliche Rückfahrt war recht ruhig. Wir machten noch einmal an der Tankstelle in Luxembourg Pause, damit jeder billig Zigaretten kaufen konnte. Tanken ging nicht, denn die Schlange war zu lang. Hier bestätigte sich, was mir mein Gastvater schon erzählt hatte: Luxembourg ist das Tschechien des Westens.
Gegen 20 Uhr kamen wir in Marche an und aßen alle zusammen Pommes. Und das war auch schon das Wochenende.