Ein Wochenend in der Ukraine
Mart hat sich für ein Wochenende aufgemacht und die etwas umständliche und lange Reise durch Transnistrien und Odessa per Bus und Taxi gewagt, um im Süden der Ukraine die Stadt Krywyj Rih zu besuchen und an einem Training teilzunehmen. Dabei hat er den besonderen Charme mancher ukrainischer und moldawischer Transportangestellter kennen lernen dürfen.
Die Anreise
Über mir der wundervolle ukrainische Himmel – tief, klar, dunkelblau – der mit zunehmender Entfernung seine Farbkraft verliert und in ein Wolkenband übergeht, das gespickt ist mit großen, dank der Sonne von sauber-weiss bis ins bedrohlich-grau übergehenden Wolken. Und unter ihm leuchten grün die perfekten Landschaften um allerlei Gewässer.
Ja, das ist sie, die Ukraine, und visa-frei bin ich hier! In einem stickigen Bus, vollbesetzt, der 400 Kilometer in 13 Stunden abfährt – durch das militärische Transnistrien, das irgendwie reicher aussieht als Moldawien, wenn auch die Panzer, die militärischen Denkmäler, und die vielen Uniformierten befremdlich wirken. Und durch das schöne Odessa mit altem Charme und nichts als getunten Autos – darunter viele getunte Ladas, einfach köstlich. Neben mir schwitzt ein nach Alkohol riechender Mann, vor mir tschirpen die Küken, die eine später zugestiegene alte Frau mitnimmt. Die Ukraine - ohne Visum!
Ein Wochenende vor dem Grand Prix d’Eurovision habe ich die Chance genutzt, und mich aufgemacht in ein Gebiet, das auch im Sommer nicht von früheren Mallorca-Touristen überlaufen werden wird: Krivoi Rog (russische Variante) oder Krivyi Rig (ukrainischer Name), die längste Stadt der Ukraine, mit über 100 Kilometern Länge.
Der Aufenthalt
Nach den 13 Stunden von Chisinau kam ich in der beschaulichen Minenstadt an. Beschaulich? Das ist natürlich nur ein erster Eindruck nach zwei Tagen und beispielsweise an Folgendem festzumachen: Am zweiten Tag meines Besuchs (einem Sonntag), nach verzweifeltem Postkartensuchen, finde ich das Postamt geöffnet. Verwundert, beglückt taumele ich hinein, und finde eine Frau hinter einem Schalter, Sonnenblumensamen kauend - gut für die Gesichtsmuskulatur, Hautstraffheit, Schönheit, so sagte man mir vor einiger Zeit im Zug von Moskau. Bei ihr hatte dies zwar nicht geholfen, aber ich ließ mich nicht beirren und fragte freundlich nach Postkarten. Etwas wie "Gibt's nicht." kam zurück. Nun ja, man kann da nix machen, dachte ich mir, wer soll auch Postkarten von dieser Stadt herstellen. Das Ruhrgebiet der Ukraine quasi, Top-Eisen-Hütten-Stadt... Nachdem ich draußen aber den Einfall gehabt hatte, mir wenigstens eine dieser wunderbaren "60 Jahre glanzvoller Sieg der SU"-Sätze für eine selbst gemachte Postkarte zu sichern, ging ich frohgemut wieder ins schattige Haus, das die Kontakte macht. Ob sie mir nicht diese Briefmarke... "Die sind dort drüben…“ (etwa fünf Meter entfernt) „…und ich arbeite hier!" kam die Antwort bissig, während die Dame, einen Samen spuckend, auf ihren schwarzen Bildschirm zeigte. Fast erinnerte sie mich an die Frau vom Schalter des Busbahnhofs in Chisinau, die sich ungewillt gezeigt hatte, um meiner Willen noch länger ihr "Kartenlegen" ruhen zu lassen. ;)
Was ich hier nun eigentlich wollte? Ich war am Dienstag von einer ukrainischen Partnerin zu einem Trainingswochenende eingeladen worden, bei dem so einiges vermittelt wurde: von PR-Management über Website-Knowhow bis hin zu Kommunikation in der NGO. Sehr nett. Ich war der einzige mit sehr ’ploxo’ Russisch, und so war es etwas schwer, sich in Gespräche zu integrieren. Aber wenigstens wurde mir alles nett übersetzt. Und es waren echt coole Leute hier, die mich von AVI abwerben wollten, nach Krivoi Rog, Kharkov und Kiev. :D Dazu kamen noch ein Italiener, der etwa zehn Sprachen spricht, sowie zwei immer lustige Ukrainerinnen (mit einer davon hatte ich eine echt coole französische Konversation). Und am Ende war die Zeit natürlich zu schnell um. Leider gibt es auch von hier keine Fotos, die Kamera hatte ich mal zu Haus gelassen (Fehler!)
Die Heimfahrt
In Chisinau wollte mir der Taxifahrer zum Busbahnhof keine Quittung geben – ich hätte das beim Anruf bestellen müssen. In Krivoi Rog hatte ich das bereits gelernt, daher bestellten wir das Taxi mit klaren Wünschen. Dem Taxifahrer wurde, bevor ich einstieg, klargemacht, ich benötigte eine Rechnung. Als wir auf dem Busbahnhof ankommen heißt es: „Nein.“ Heilige Hölle – eine kleine Quittung mit dem Wortlaut "Ja, ich hab ihn gefahren."? Nix!
Wenigstens fuhr der Bus los. Etwa drei Stunden lang, dann platzte ein Reifen. Nichts Besonderes, wie es scheint: geübt bauten die Busfahrer ein Rad aus, der alte Reifen wurde entspannt in den Wald gerollt, der neue malträtiert. Und ich habe nicht gesehen, dass die Boys einen Schlauch mit hinein gebaut hätten...
Jedenfalls checkte einige Zeit später der Ticket-Checker mein Ticket ein zweites Mal und machte mir verständlich, das Billet wäre von gestern. Und er hatte auch noch Recht! :( Die Frau in Krivoi hatte mein schlechtes Russisch benutzt, um mir ein falsches Datum anzudrehen. Ponnedelnik, Montag, war ihrer Aussage nach am 15. Mai, statt am 16. Und im vollsten Vertrauen hatte ich das falsche Datum nicht bemerkt. Eieiei, so habe ich also noch einmal den vollen Preis bezahlt.
Dann, an der transnistrischen Grenze. Es ist wirklich so lustig, wie die Jungs traurig sind, dass sie mir nicht die Hosen ausziehen können. Aber die Registrierung für den Transit war an dieser Seite Transnistriens schon 80 Bani höher (die Bösen hatten die alten Preise seit 2003 nicht erneuert!). Im Bus dann sprach mich ein Ukrainer an, der in Bristol studiert, und ein langes Gespräch über die Bibel rundete ein gelungenes Wochenende ab. ;)