Ein Mausoleum für Auftragskiller
Kolumbien ist für vieles bekannt und das wenigste davon ist positiv. Drogenkrieg und Entführungen durch die Guerrilla FARC sind meist der Grund, wenn das lateinamerikanische Land in den Nachrichten erscheint. Kaum jemand hier hat allerdings ein wirklich differenziertes Bild von der dortigen Situation. Kolumbien hat und kann viel mehr als Dorgen und Bürgerkrieg, nichtsdestotrotz ist seine Geschichte tragischerweise eng mit beiden verwoben.
Die letzten Jahrzehnte waren Jahrzehnte der Veränderung und ich möchte dies anhand eines Friedhofs in Medellin, der Stadt in der einst Pablo Escobar, der wohl bekannteste aller Drogenbarone und sein Kartell das Sagen hatten, verdeutlichen.
Medellin war in den 80ern die Hauptsadt des Kokains. Escobar hatte die Stadt im Prinzip völlig unter Kontrolle, er liess Polizisten gegen Kopfgelder töten, hatte seine eigene Armee und verdiente sich am Kokainhandel dumm und dämlich. Er hatte ausserdem eine persönliche Truppe von Auftragskillern, sogenannten Sicarios, die auf seinen Befehl hin umbrachten, wen immer er wollte. "Sicario" war in diesem Zeitraum nahezu ein anerkannter Beruf und vor allem stellte es eine der wenigen, wenn nicht die einzige Möglichkeit für die perspektivlosen Jugendlichen aus den barrios populares dar,- schnell - an Geld zu kommen.
An diesem Punkt kommen wir zurück zum erwähnten Friedhof. Der Cementerio San Pedro ist der älteste Friedhof Medellins und war von jeher ein Friedhof der reichen, mächtigen und daher auch vor allem europäischstämmigen Elite. Ein Grab war für jeden Normalsterblichen unbezahlbar, nicht zu reden von einem ganzen Mausoleum, wie die dort ruhenden Familien eines zu haben pflegten. Der Cementerio ist in verschiedene Teile aufgeteilt, um das Zentrum liegt ein innerer Kreis und um diesen herum ein weiterer, äusserer Kreis. Begibt man sich vom Zentrum in den ersten Ring, so stellt man fest, dass die Gräber hier einer komplett anderen Ästhetik folgen. Denn, und das erzeugte auch bei mir zunächst grosses Erstaunen, während die Gräber im Zentrum teilweise vor Jahrhunderten von der alten Elite gekauft wurden, sind in den weiter aussen liegenden Gräbern unter anderem viele Sicarios und Drogenhändler begraben. Ein besonders eindrückliches Beispiel für ein solches Grab mit viel Narco-Kitsch ist das Mausoleum der Brüder Muñoz Mosquera, zweier der wichtigsten Auftragskiller und Terroristen Pablo Escobars. Sie hatten durch ihren brutalen Beruf so schnell so viel Geld verdient, dass ihre Mutter ein ganzes Mausoleum für sie bauen konnte. Ein eindrückliches Grab, mit Bildern der beiden Brüder und mittlerweile weiteren Verwandter, die hauptsächlich durch die langanhaltenden gewaltvollen Auseinandersetzungen der Drogenkartelle untereinander oder mit der Polizei ums Leben kamen.
Dieser offene Krieg, den Pablo Escobar und sein Kartell dem kolumbianischen Staat erklärt hatten, ist seit dessen Tod offiziell vorbei. Man kann nicht sagen, dass heute weniger Kokain exportiert wird. Allerdings hat die Bevölkerung nicht mehr derart stark unter der daraus resultierenden Gewalt zu leiden wie damals. Die Territorien der verschiedenen Kartelle sind relativ abgeklärt, die öffentliche Sicherheit zumindest ansatzweise wieder hergestellt und Städte wie Medellin erholen sich seit nahezu zwei Jahrzehnten wieder. Es gibt nachwievor große Probleme, wie z.B. die immense Korruption, es gibt aber auch viele Menschen mit Ideen und Motivation, nach vorne zu schauen. So hat sich allein am Stadtbild viel geändert: 1995 wurde die Metro (die erste Kolumbiens) eröffnet, das Metrocable, eine weitere Transportmöglichkeit auch in weniger wohlhabende Viertel, wurde konstruiert, Bibliotheken und Parks entstehen in Gegenden, in denen man vorher keine öffentlichen Plätze hatte.
Auf dem Cementerio San Pedro werden heute ganz gewöhnliche Menschen begraben. Direkt neben den Mächtigen der Anfangszeit, liegen heute Hausangestellte, Restaurantbesitzer und Fussballfans. Geradezu symbolisch. Kolumbien hat noch immer mit den Folgen der sogenannten Narco-kultur zu kämpfen, und das dauert. Doch es bewegt sich vieles.