Egon kratzt sich am Kopf
Egon ist in Moldawien und plant. Immer. Jetzt aber fragt er sich, warum immer irgendwas seine Pläne durchkreuzt und alles anders kommt, als man denkt. Und vor allem: Wer ist eigentlich Egon?
Egon sitzt im Bett vor seinem Laptop und grübelt. Wie jeden Morgen seit nun mehr drei Wochen ist Egon kurz vor neun aufgewacht - ohne Wecker, rein nach der inneren Uhr. Wie jeden Morgen sind Egon mit dem ersten Augenaufschlag gleich die Aktivitäten der nächsten drei Tage durch den Kopf gesurrt, deren Anordnung und Ausführung bis aufs kleinste Detail. Egon hat den Plan, wie immer. Jetzt sitzt Egon jedoch da und kratzt sich den Kopf. Wie soll Egon die Ereignisse der letzten Woche in einen Text kriegen, wo diese doch so voller Konfusionen und Planänderungen verlief. Aber Egon verweilt nicht lang, Egon entwickelt schnell einen Plan, Egon ist schließlich Egon, Egon bringt schon Ordnung in die Sache.
Für alle, die jetzt denken, dass ich nur mal schnell eine Olsenbande-Kurzgeschichte einbringen wollte: Nein, dies lag nicht in meiner Absicht. Tatsächlich ist Egon hierzulande mein zweiter Vorname, würdevoll von meiner Mitbewohnerin verliehen, weil ich grundsätzlich, notorisch und fast zwanghaft alles vorher plane. Ja, tatsächlich wache ich seit geraumer Zeit jeden Morgen zu exakt selben Zeit auf. Und ja, letzte Woche ist mir wieder mal trauriger Weise klar geworden, dass man zwar immer Pläne schmieden kann, deren Umsetzung jedoch weitaus nicht nur vom eigenen Engagement abhängt.
Man lese selbst:
Montag, 18. Januar
Erwache kurz vor neun, lerne für Russisch und Alt-Griechisch, arbeite an den Choreografien für meine Tanzgruppen. Abends Alt-Griechisch-Stunde bei einer anderen Freiwilligen. Soweit alles nach Plan. Aber dann: Lies (meine Alt-Griechisch-Ikone), Ingrid und ich wollten einen richtig peinlichen Mädchenabend machen. Mit augenkrebshervorrufendem Glitzernagellack, Quark-Gurken-Masken und Liebesfilm. Blöd nur, dass schon wieder den ganzen Tag ein kleiner dicker Freiwilliger namens Siim bei Lies und Ingrid hockt, ihre Zimmer als zweite Bleibe auserkoren hat und sich einfach nicht rauswerfen lässt. Ständig geht er allen mit ‚Ich pack dich von hinten, du erschrickst dich und musst dann drüber lachen‘- Aktionen, unnützen Kommentaren und penetranter Anwesenheit auf den Zeiger.
Als ein anderer Freiwilliger, der Lies’ Laptop repariert hat, ihn endlich mit rausschleift, bricht ein Streit zwischen Ingrid und Lies aus, weil Lies der impertinenten Kotfliege schon wieder erlaubt hat, den Tag bei ihnen zu verbringen. Zudem schütten sie mir ihr gesammeltes Leid zum Thema fehlendes Privatleben aus, da sie in der Wohnung leben, die direkt in den Räumlichkeiten des Büros der Organisation ist und jeder glaubt er könne bei ihnen ein- und ausgehen, wann er will. Jeder isst ihr essen, jeder lässt seinen Müll rumliegen und jeder kreuzt auf, ohne sich vorher zu melden. Das würde mir auch auf’n Senkel gehen. Leider ist Lies zu lieb um mal ein Machtwort zu sprechen, und Ingrid allein kann nichts ausrichten, weil sich dann alle einfach an Lies wenden. So wie die impertinente Kotfliege zum Beispiel.
Aber nicht verzagen, Jule fragen. Anstatt also wie üblich an einem Mädchenabend über Liebensbeziehungen und Hosengrößen zu reden, bastelt Jule kurzerhand Schilder, um die anstandsunerfahrenen Damen und Herren in die Schranken zu weisen. Jetzt zieren die Küche nette Aufschriften wie ‚This is OUR food!‘ und im Flur hängt gut lesbar der Hinweis auf den stark privaten Charakter der Räumer von Lies und Ingrid, die gern mit einer Aufenthaltshalle verwechselt werden. Naja. Schlussendlich war der Streit beschwichtigt und wir konnten doch noch unseren Mädelsabend machen, nur dass der Joghurt für die Masken sich als unerwartet flüssig rausstellte, der Glitzernagellack gar nicht so schön pervers rosa war, wie er in der Flasche wirkte und wir all das tolle Essen, das die Mädels unerwarteter Weise noch für den Abend gekauft hatten, nicht annähernd alle wurde. Bis heute warten ein Kilo Eis, vier Tafeln Schokolade, ein Pfund Zwiebeln und eine Packung Reis auf den Verzehr. Naja, man kann eben nicht immer alles genau vorausplanen.
Dienstag, 19. Januar
Erwache wie geplant um neun Uhr, lerne, esse, gehe zur Arbeit, um Tanzunterricht zu geben. Gehe dann mit Rosi esse, Brokkolisuppe im Brot, wie immer. Daraufhin Fahrt zum Treffpunkt mit anderen Freiwilligen, um gemeinsam in die Sauna zu gehen. Vorher noch Einkauf von zwei Schokoriegeln und zwei Liter Bier, beides essenziell und üblich in moldawischen Saunen. Gemeinsamer Gang zur Sauna, Einlass, kleidungsmäßige Präoaration, erster Saunagang. Bieraufguss, Bier trinken, laut zu acht in der Sauna singen, alles nach Plan, alles nach Wunsch. Kurzer Sprung ins große Tauchbecken. Dann zweiter Saunagang, selbiger Ablauf.
Aber dann: Wie wir uns das zweite Mal zu acht im Tauchbecken tummeln (welches eher einem kleinen Swimmingpool ähnelt) gerate ich mit dem Rücken vor den Sog, durch den das Wasser abgepumpt wird. Ohne mich wehren zu können wird mein Rücken an- und ins Loch hineingezogen. Ich strample wie wild, kann mich aber nicht. Während der Sog meine Rückenhaut, meine Muskeln und allmählich gefühlt auch Wirbelsäule und Lunge mit sich zieht, schreie ich wie am Spieß. Rosi versucht mich wegzuziehen, schafft es aber auch mit aller Kraft nicht. Zu meinem großen Glück realisiert da endlich Julian, ein Freiwilliger mit Schwimmerkreuz, der die ganze Zeit nur etwas verwirrt dreinblickend daneben stand, dass er auch mal helfen sollte und zieht mich dann zusammen mit Rosi heraus.
Zuerst merke ich nur drei Sachen: Schock, Schmerz und die um mich lachenden Freiwilligen. Ich selbst komme mir so bescheuert vor, dass ich auch lachen muss. Aber als Rosi dann das Resultat meines ungewollten Fluchtversuches durch die Abflussrohre sieht, vergeht ihr fast das Lachen. Julian beschreibt es liebevoll als Knutschfleck eines Blauwals, Rosi gibt nur ‚Oh mein Gott‘ von sich, ich will lieber gar nichts wissen. Kurz darauf hocke ich, Oberkörper auf den Knien abgelegt, in der Ecke und warte darauf, dass der Schmerz nachlässt. Tut er aber nicht. Romy legt fachmännisch ein kühles Handtuch auf das heiße, rot-blaue, mittlerweile hügelähnlich angeschwollene Ding auf meinen Rücken. Alf und Rosi legen fest, dass sie jetzt mit mir ins Krankenhaus fahren. Julian hilft mir auf (ich konnte mich nämlich nicht allein aufrichten), Rosi und Lies ziehen mich an, Romy packt mich in ihre Jacke, weil meine zu eng gewesen wäre. Lies ruft die Chefin von der Organisation an, die kommt mit dem Taxi zu uns, fährt mit mir, Rosi und Alf ins Krankenhaus.
Jeder Huckel ein Genuss für eifrig schmerzweiterleitende Nervenenden in der Rückengegend. Im Krankenhaus angekommen, werde ich beim Pförtner angemeldet. Die Notaufnahme gleicht von Ausstattung und Stimmung eher einem Grundschulflur während der ersten Stunde. Ein paar müde Gesichter nur, alles schon alt und abgenutzt, ein Geruch zwischen Reinigungsmittel und allem, was so an Schülerschuhen kleben kann. Ich werde in ein großes Zimmer geführt, in dem ungefähr zehn Ärzte im Schein von grellem Neonlicht sitzen und auf nächtliche Notfälle warten. Eine bemüht sich zu mir, meine Chefin erklärt das Problem, ich muss mich obenrum ausziehen. Dem Arzt entfährt ein ‚Boahh!‘ und auf Rumänisch ‚Kommt ma her, dass müsst ihr euch ma angucken!‘
Schon stehen zehn Ärzte dozierend hinter mir, ich hätte noch drauf gewartet, dass sie die Stundeten holen, damit die sich den Klassiker mal angucken können. Einer tatscht mittenrauf, mir entfährt ein Schrei, daraufhin wird lauter doziert. Dann werde ich endlich von einer kleinen lieben Ärztin weggeholt, die mich ein anderes Behandlungszimmer führt. Es ähnelt einem alten Grundschulfoyer, nur dass alte Metallbetten mit Rollen und einem lieblos drauf geworfenen Ferienlagerbettlaken im Raum herumstehen, einige von ihnen belegt mit Obdachlosen, die sich vor dem grellen Neonlicht zu schützen und zu schlafen versuchen. Es riecht komisch, ich fühle mich sehr komisch. Wieder muss ich meinen Rücken frei machen, bestimmte Bewegungen ausführen, mich betasten lassen.
Die kleine freundliche Dame verschreibt mir diverse Schmerz-Kombinationspräparate, lächelt mir aufmunternd zu und entlässt uns wieder. Ihre Behandlung kostete umgerechnet 3,20 €. Eine Quittung wird nicht ausgestellt, die gibt es nachts nicht. Kurz darauf sitzen wir wieder im Taxi (naja, ich hocke eher, konnte mich ja nicht anlehnen), ich zähle die Huckel bis zur Apotheke. Nachdem meine Chefin dort die Medikamente besorgt hat, fährt uns der Taxifahrer nach Hause. Er ist übrigens der einzige Taxifahrer in meinem Leben mit hellgrauem natürlichem Afro… und er war kein Schwarzer! Das jedoch nur am Rande. Oben in der Wohnung hab ich dann noch meinen Eltern per Skype mein Leid geklagt, musste noch die Tortur über mich ergehen lassen, mir von Rosi den Rücken mit Heilsalbe einschmieren zu lassen und diverse Bomben zu schlucken. Dann hab ich mich irgendwie ins Bett fallen lassen und fiel in einen Schlaf voller hässlicher Albträume.
Mittwoch, 20. Januar
Bleibe zuhause. Mir geht es aber schon besser. Wollte heute so viel machen. Unterstütze aber im Wesentlichen nur den Heilungsprozess durch konsequentes Nichtstun. Kann nicht mal zum Russischunterricht. Draußen wird es immer kälter.
Donnerstag, 21. Januar
Bleibe immer noch zuhause. Draußen ist es, Entschuldigung, arschkalt. Hab mich um 11:30 Uhr etwa 15 Minuten von zuhause entfernt an einer Straßenecke mit einer Moldawierin verabredet, die mir ein bisschen bei Rumänisch helfen will. Aber dann: …stehe ich an dieser Ecke eine halbe Stunde lang bei -15°C. Leider habe ich das Handy nicht mitgenommen, wozu auch, ich wollte sie ja nur schnell abholen und dann wieder fix zu mir ins Warme. Wer ahnt denn, dass sie genau eine Minute nachdem ich das Haus verlassen hab schreibt, sie kommt erst eine halbe Stunde später. Irgendwann ist mir so kalt, dass ich wieder nach Haus gehe, allein und äußerst missmutig. Ungefähr zwei Minuten später kam sie dann am Treffpunkt an.
Zuhause sehe ich natürlich die SMS, und irgendwie klappt es nach ewigem hin und her dann doch, sie zu mir zu lotsen. Aber als sie dann endlich da war, war es ein echt netter Besuch. Sie hat mir ein paar Sätze Rumänisch beigebracht, wir haben über Moldawien, ihren Alltag und ihre Wünsche geredet. Wie fast alle hier möchte sie ins Ausland, am besten nach Deutschland. Ihr Deutsch ist auch echt gut; es ist immer wieder faszinierend, wie gut die Leute, die hier Deutsch lernen, die Sprache können. Wenn ich da an mein Russisch denke… Ich denk lieber nicht dran.
Dann erzählte sie mir noch, dass ihre Freundin jetzt die deutsche Staatsbürgerschaft beantrage (das Wort ‚Staatsbürgerschaft‘ ist übrigens ein fehler- und mühelos ausgesprochener Bestandteil ihres Wortschatzes). Ich wies sie daraufhin, ob sie sich dessen gewahr sei, dass sie den ‚Einbürgerungstest‘ bestehen müsse. Dieses Wort war nicht in ihrem Wortschatz enthalten. Wir gingen also auf die Internetseite, wo Deutsche spaßeshalber testen können, ob sie ihren eigenen Einbürgerungstest bestehen würden und versuchten einige Fragen zu beantworten. Resultat: Mal abgesehen davon, dass ich selbst einige von den wenigen gewählten Fragen nicht beantworten konnte, enthielten diese auch noch Worte wie ‚Selbstjustiz‘, ‚Faustrecht‘ und ‚Koalitionsbildung‘. Angegeben war jedoch, durchschnittlich gute Deutschkenntnisse würden reichen, um den Test zu verstehen. Ich möchte von mir selbst behaupten, Deutsch fließend sprechen zu können... aber das Wort ‚Faustrecht‘ ist mir selbst noch nie untergekommen! Wie soll also bitte eine durchschnittlich deutschkundige Einwanderin, die sich bestimmt auch einiges über Deutschland angelesen hat und unbedingt dort leben und arbeiten möchte, diesen Test bestehen? Meine moldawische Besucherin wird also demnächst den Test zusammen mit ihrer Freundin machen und alle Fragen notieren, die sie nicht verstehen… damit ich sie ihnen dann erklären kann. So eine konservative Einwanderextrahiermethode hätte ich von unserer Regierung wahrlich nicht erwartet.
Freitag, 22. Januar
Mir geht es noch besser. Mache erste leichte Rückendehnübungen, um den Buckel loszuwerden. Fahre am frühen Abend zu Romy, um dort meine und ihre Geburtstagsfeier vorzubereiten und um bei ihr zu übernachten. Alles läuft ausnahmsweise mal wie erwartet gemütlich, friedlich und lustig ab. Fallen so gegen eins ins Bett. Ich darf sogar auf ihrem Bett schlafen, wegen meines Rückens. Aber dann: Nachts um vier schrecke ich hoch, ebenso Romy. Lautes Poltern vor ihrer Zimmertür. Schritte, Umhergestolper. Dann laute Stimmen. Wir atmen auf… es sind die Stimmen von Viktor, ihrem französischem Mitbewohner (und meinem Arbeitskollegen) und dessen Freundin; beide stockbesoffen. Mit einigem Krach schaffen sie es die Treppe hoch in Viktors Zimmer.
Samstag, 23. Januar
Der Grund für den nächtlichen Krach ist am Morgen ganz offensichtlich. Viktor ist nachts über meine Schuhe gestolpert dann in Kabeln hängen geblieben und elegant hingeflogen. Und dass bei einem Zwei-Quadratmeter-Flur. Resultat: Zerrissene Kabel, eine Beule im Schrank, eine Beule an Viktor. Aber meinen Schuhen geht es gut. Draußen sind es -20°C. Romi und ich backen zwei weitere Kuchen, gehen restliches Einkaufen, frieren uns dabei alles ab. Zweifeln daran, ob bei der Kälte überhaupt jemand zu unserem geplanten und per Rundmail angekündigtem Geburtstagstadtspiel kommt. Wir steigen in den Bus, fahren zum Treffpunkt.
Aber dann: …kamen doch tatsächlich 15 loyale, der Kälte strotzende Freiwillige. Romy und ich teilten in vier Gruppen ein, verteilten die Aufgabenzettel. Jede Gruppe musste vier Aufgaben erfüllen, so gut und kreativ wie möglich. Alle hatten dieselben Aufgaben. Zu diesen später. Romy und ich bekamen sogar ein Geschenk, durften es aber noch nicht aufmachen. Wir schickten die Gruppen los und hetzten selbst nach Haus zu Romy, um alles für die später zu uns kommenden Gruppen gebührend zu empfangen. Schon während der zehn Minuten vom Bus zu Romy dachte ich, dass alle nach Hause gehen würden, bei der Kälte; ich hätte es niemandem übel genommen. Doch oh Wunder, alle Gruppen kamen wieder bei uns an.
Alle hatten alle Aufgaben erfüllt, und wurden damit zunächst mit heißem Wein, heißem Apfelsaft, Tee, indischem Gewürzkuchen, Buttermilchkuchen, warmem Schokokuchen, Keksen, Kerzenschein und Muschebubumusik belohnt. Dann versammelten wir uns alle in Romys Zimmer zur glorreichen Auswertung der Aufgabenresultate. Aufgabe eins: Kauft soviel wie möglich für zwei Lei. Während die eine Gruppe dafür nur ein kleines trockenes Törtchen erstand, waren andere schon klüger und kauften eine kleine Packung Bastelperlen (geschätzte 200 Stück) und gewannen natürlich um Längen.
Eine andere Gruppe wiederum hatte zur Erfüllung dieser Aufgabe einen Obstverkäufer erst zur Verwunderung du dann zur Weißglut gebracht. Sie hatten folgende Bestellung aufgegeben: eine Rosine, eine Trockenpflaume, eine Trockenaprikose und den kleinsten Apfel bitte. Jaaa, bitte alles genau abwiegen, wir möchten auf den Ban (Pfennig) genau bezahlen. Was sich die Leute nicht alles einfallen lassen.
Die zweite Aufgabe bestand darin, eine Packung Streichhölzer so kreativ wie möglich einzutauschen. Eine Gruppe wiederum tauschte die gesamte Packung gegen eine Zigarette und ein Feuerzeug ein… was zwar ein nettes Resultat war, aber nicht besonders bemerkenswert. Zwei Gruppen kamen auf die Idee, jedes Streichholz einzeln einzutauschen. Dafür bekamen sie unter anderem: Kekse, Schokolade, diverse Werbeflyer, eine Geschenktüte, Essstäbchen, ein Brot , drei Haarspangen, zwei Zopfgummis… wer hätte gedacht, dass die Moldawier solche Spielchen so gern mitmachen und man so tolle Sachen bekommen kann? Allerdings fiel uns die Entscheidung über den Gewinner schwer, denn die vierte Gruppe hatte sich wiederum etwas Tolles ausgedacht. Sie hatten einem Straßenmusiker die Streichholzschachtel geschenkt und ihn gebeten, dafür ein Geburtstagslied für uns zu singen, was sie mit der Kamera aufnahmen. So haben wir auf ewig eine tolle Erinnerung.
Die dritte Aufgabe bestand darin Fotos zu fünf verschiedenen Themen zu machen.
Hier die Highlights zu jedem Thema:
1. I feel like flying (Ich fühle mich, als würde ich fliegen.). Eine Gruppe hatte sich in einem Einkaufszentrum auf alle Etagen übereinander verteilt und ans Geländer gestellt, die Arme ausgebreitet und Titanic gespielt. Von unten war dann ein kolossales Froschperspektivenfoto entstanden.
2. Second spring (Zweiter Frühling). In jeder Gruppe, in der ein Deutscher gewesen war, hatte man den übertragenen Sinn verstanden. So gewann eine Gruppe, die folgendes Foto machte: Ein Pärchen küssend am Springbrunnenrand. In diesem Bild hatte man den ‚Second Spring‘ dann gleich drei mal: Erstens das Pärchen selbst, zweitens der Springbrunnen mit Fontänen (‚spring‘ ist auch Englisch für ‚aus dem Boden schießen‘) und beides zusammen auf einem Bild, sodass eines von beiden das zweite sein musste.
3. Everything is movement. Hierbei gewann eine Gruppe aufgrund besonderer Umstände. Das es nachts zuvor um die -25 Grad war, waren einige Stromkabel für die Trolleybusse (sie funktionieren wie bei uns die Straßenbahnen) zerborsten und somit das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel lahm gelegt. So standen hintereinander zwanzig leere und nicht wegbewegbare Busse, während drum herum lauter Leute wuselten, die nicht so recht wussten, wie sie jetzt nach Hause kommen sollten. Ein Foto von dieser Szene brachte den eindeutigen Sieg.
4. ‚The bee and the flower‘ (die Biene und die Blume). Natürlich ist die Geschichte zur grundlegenden Erklärung der menschlichen Fortpflanzung international bekannt, und die meisten Gruppen machten auch derartige Fotos. Eine Gruppe stellte derartige Posen mit zwei männlichen Freiwilligen dar, worauf hin laut beklagt wurde, dass seien ja zwei Bienen und die Blume fehle. Gewonnen hat letztendlich ein Foto mit Rosi, dem fleißigen Bienchen, die ganz artig mit einem Strohhalm an einer Kunstblume saugt. Ganz ohne nicht-jugendfreie Hintergedanken.
5. Und letztens: „Holiday at the beach“ (Urlaub am Strand). Ich sage mal so: Zu schade, dass ich nicht dabei war, wie sich vier Freiwilligengruppen irgendwo mitten in der Stadt auf der Straße auf den Boden legten und ‚Ich räkel mich in der Sonne-Fotos‘ machten. Gewonnen hat ein Bild mitten im Einkaufszentrum vor einer riesigen Reisewerbung, auf der unter anderem ein sagenhaft hässliches Manga-Mädchen in Bikini war um die man sich erotisch postierte. Was haben wir gelacht.
Fünfte und letzte Aufgabe (und dann ist auch der Text zu Ende, ich weiß, ich käse mich hier schon wieder ewig mit unwichtigen Kleinigkeiten aus): Dinge mit bestimmten Eigenschaften finden, aber nicht kaufen. Einige Highlights: Bei etwas langem, runden und weichen fotografierte eine Gruppe eine wunderhübsche, frische (das wurde getestet) Hundekacke… weigerten sich allerdings, den Fund mit in die Wohnung zu bringen. Bei etwas eckigem, harten und unappetitlichem schleppte eine Gruppe einen riesigen alten Ölkanister an… wer weiß, wo sie den geklaut haben. Diese und andere Kuriositäten versüßten uns also die Auswertung und ließen sie zu einem gelungenen Abend werden.
Nach der Preisvergabe (nach Grundidee kindgerechte Präsente… ein Fußball (ein bemalter Kohl), eine große Torte (aus Klopapier), eine Puppe (ein bemalter Hefezopf), ein Auto (aus Taschentuchpackungen)) ließ man dann den Abend noch unerwartet lange ausklingen.
OOoooooh eigentlich sollte dies der tolle letzte Satz werden aber eines MUSS ich noch erzählen. Zu jener lauschigen Feier kam nämlich auch der einzige Deutsche, der zurzeit in Moldawien studiert. Medizin auf Englisch, in Deutschland hätte sein NC nicht gereicht. Ein echt netter Kerl, und ratet mal was… hat vorher in Berlin-Buch im Viereckweg gewohnt. Die Welt ist ein Dorf.
Sonntag, 24. Januar
Egon wacht kurz vor neun auf. Egon hat den Plan. Nächstes Wochenende wird Egon mit anderen auf ein großes Weingut fahren und eine Kelterei besichtigen. Und am Sonntag, da wird er moldawisch kochen lernen mit einer Freundin. Und bis zum Wochenende… das plant Egon jetzt.
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