Dublin
Dieser Text erzählt etwas von meinen Erfahrungen mit dem "Immobilienmarkt" in Dublin, den Schwierigkeiten eine Bleibe zu finden und dem irischen Gemeinschafts- und Familienleben.
Ir(r)land und andere grüne Inseln
Jetzt bin ich schon einen Monat in Dublin, mit folgendem Ergebnis:
Jedesmal wenn ich meinen Internet Browser starte tuen sich folgende Websiten fast wie von selbst auf: Daft.ie und rent.ie, die wohl besten Adressen um die eigenen vier Wände, in welchem Ausmaß auch immer, zu finden. Und es wurde mir versichert, dass es möglich wäre eine Unterkunft innerhalb von drei bis vier Tagen Suche nicht nur zu finden, nein, gar schon zu beziehen können und das mit Leichtigkeit. Angefangen mit dieser Leichtigkeit ist es nun nur noch ein verhasstes Ritual geworden. Schnell musste ich feststellen, dass Wohnungsbeschreibungen nicht immer, aber immer seltener der Wahrheit entsprechen. So wie der nette „Single Room-girls only“, der von Marcos präsentiert wurde mit seiner Mutter, einer betagten Frau zu teilen und das auf 9m², nebenan würde er mitsamt seiner Freundin residieren.
Auf zum nächsten Objekt: Ein heruntergekommenes Häuschen in einer vielversprechenden Gegend, bewohnt von vier Männer, um die vierzig, die sich wahnsinnig über mich als potenzielle Mieterin und meinen Besuch im Allgemeinen freuten, mit in Fetzen hängenden Tapeten, verdreckten Zimmern und einer nicht funktionierenden Dusche nebst einem kaputten Herd. In einer anderen Bleibe stand noch das Abendessen und die Asia-Boxen der letzten zehn Tage in der Küche nebst dem Frühstück und das Bett fehlte in dem Zimmer was doch etwas größer auf dem Foto wirkte, wo es übrigens auch komplett möbliert war. Also besser auch nicht allzu sehr auf die geschickt arrangierten Fotos verlassen! Zwischen all diesen Ausflügen hatte ich allerdings noch genug Zeit um insgesamt 26 Seiten mit potenziellen Objekten vollzuschreiben und alle diese zu kontaktieren, per Mail, SMS, am Telefon. Das Witzige ist, dass die meisten ausschließlich E-Mails wünschen, aber lediglich einer von zehn Kontaktierten auch wirklich antwortet. Die meiste Zeit verbringt man am Telefon um nur ein mehr oder minder mitleidiges „Sorry, it’s gone“ zu hören. Gut, vielleicht ist das Budget (350€) zu niedrig, vielleicht bin ich zu anspruchsvoll weil ich nicht eine Wohnung und ein Bad mit fünf anderen teilen will und nicht erst noch von Pontius zu Pilatus reisen möchte bevor ich zu meiner Arbeitsstelle komme. Man sollte sich also vorher wirklich genau überlegen mit was und wie man leben möchte und inwiefern man Kompromisse einzugehen bereit ist.
Ich empfehle also allen Dublin EVSlern früher zu kommen oder dann schon einmal einen Blick auf oben genannte Seiten zu werfen- insofern die Gastorganisation nicht schon praktischerweise eine heimeliche Bleibe bereitstellt- vielleicht am Ende des Collegesemesters, aber vor allem solltest du geduldig und ausdauernd sein in dem Irrland aus missführenden Anzeigen, Wohnungsbesichtigungen, Telefonaten und für immer unbeantwortet bleibenden E-Mails.
Auf meiner Berg- und Talfahrt zwischen Hoffen, aufgrund von hochtrabenden Anzeigen, und niederschmetternder Realität bei diversen Objektbesichtigungen habe ich allerdings eine „kleine grüne Insel“ in Dublins Durcheinander gefunden: Das irische Familienleben und die umgreifende Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft. Im Angesicht meiner Heimatlosigkeit hat mich meine Arbeitskollegin Eileen, 62, humorvoll, aktiv und wahnsinnig (warmherzig)mit einer Offenheit, Freude und Herzlichkeit bei sich aufgenommen, wie ich sie noch nie erlebt habe. Hinter dieser geöffneten Tür entfaltete sich ein Netz aus Freunden, Nachbarn und Bekannten, die alle vorgestellt wurden und mir mit Interesse und Verständnis begegneten. Aber das Irre kommt noch: Seit dem letzten gemeinsamen Sonntagsdinner habe ich acht E-Mails mit Wohnungsvorschlägen und dem Angebot für mich über den Preis mit den „Landlords“ zu verhandeln von dem Sohn der Familie bekommen. Dessen Frau wiederum hat mich auf einen Kaffee eingeladen. Der Rest der Familie hörte sich wiederum bei Freunden und Bekannten nach irgendwelchen verfügbaren Zimmern um. So hatte ich schließlich das Angebot bei Eileens Schwester zu wohnen oder bei der besten Freundin der Tochter oder andernfalls so lange hier zu bleiben bis ich etwas wirklich Passendes gefunden habe. Eileens zweite Tochter öffnete mir jederzeit ihr Haus und überließ mir ganz selbstverständlich für zwei Stunden ein Zimmer und den Zugang zu ihrem Internet.
Meiner Erfahrung nach hat hier Familie und Gemeinschaft, Unterstützung einen ganz anderen Stellenwert und ich bin immernoch dankbar und erstaunt über all die offenen Augen und Türen für meine Belangen. Die Menschen haben hier an ihren grauen Häusern bunte Türen und ich glaube das ist ein schönes Bild für Dublin im Allgemeinen. Dublin ist grau, an manchen Stellen erschreckend, dreckig, gefährlich, aber es gibt bunte Türen, die diese grüne Inseln vermuten lassen, die sich die Menschen hier für sich geschaffen haben und jederzeit für jedermann offen sind.