Dies und das und von allem noch viel mehr
Sanne hat sich in Schottland eingelebt. Sie war in Dunbar und konnte dort das herrliche Frühlingswetter genießen. Im Mai geht's nach London.
Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Aber so viel ist in letzter Zeit auch nicht passiert, sodass es nichts zu berichten gab. Das wird sich aber im nächsten Monat ändern, da allerlei ansteht. So werde ich am 5. Mai mit Anne nach Glasgow fahren, worauf ich mich schon sehr freue. Dann kann ich mir auch endlich eine Meinung darüber bilden, welche Stadt schöner ist, Glasgow oder Edinburgh.
Vom 10. bis 17. Mai bekomme ich Besuch, den ich schon sehnsüchtig erwarte. Ungünstigerweise muss ich aber am 14. Mai nach London, was ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge betrachte, denn natürlich freue ich mich auf London, aber es ist sehr schade, Freunde zurückzulassen, die mich besuchen wollen und die ich jetzt schon gute zehn Wochen nicht gesehen habe. Vom 14. bis 17. Mai werde ich also zu meinem (etwas verspäteten) On-Arrival-Seminar fahren, was Teil des EFD-Programms ist. Und da ich am 18. und 19. eh frei habe, werde ich zwei Tage länger in London bleiben. Ihr seht, der Mai wird sehr spannend!
Arbeit ist das halbe Leben
Wie schon erwähnt ist in den letzten Wochen nicht sonderlich viel passiert. So langsam, aber sicher kehrt doch ein richtiger Alltag ein. Auf der Arbeit lerne ich immer mehr, mir Beschäftigung zu suchen, indem ich die Gäste beschäftige, was teilweise anstrengend ist, da die Leute manchmal extrem viel Motivation und Unterhaltung brauchen und ich nicht unbedingt der super Entertainer-Typ bin, aber auch sehr interessant sein kann, weil man viel über die unterschiedlichen Charaktere lernt, wo Grenzen liegen und wie man mit Kleinigkeiten einen schlechten Tag zum Guten wenden kann.
Wie immer habe ich auch in den letzten Wochen an Ausflügen teilgenommen. Neben der typischen Shoppingtour durchs Ocean-Terminal-Center in Edinburgh und dem Besuch im Seabird-Center in North Berwick, ging es diesmal zum ‚Falkirk Wheel’.
Das Falkirk Wheel (Rad) ist ein rotierender Lift für Schiffe und einmalig in der ganzen Welt. In circa vier Minuten überwinden Schiffe einen Höhenunterschied von 35 Meter. Im Großen und Ganzen war es schon interessant, doch so gigantisch das alles vielleicht auch klingen mag, die anderthalb Stunden Fahrt waren es am Ende nicht wirklich wert, von dem Preis mal ganz abgesehen, den ich zum Glück nicht zahlen musste, da ich als "Pfleger" dort war.
Am Samstag hat mein Kollege Jim mal wieder den kleinen Hund seiner Frau mit auf die Arbeit gebracht, worüber sich die Gäste immer sehr freuen. Da wir schon die ganze Woche schönes Wetter hatten, konnte "Honey" quer über den Rasen flitzen, was für allgemeine Belustigung sorgte und dazu führte, dass jeder komische Laute von sich gab oder anfing in Babysprache zu sprechen, sobald der Hund sich näherte. Ich war vollends damit beschäftigt Fotos zu machen, immer mit dem Hintergedanken schöne "Photosheets" für die Gäste zusammen zustellen.
Vor zwei Wochen fand im Leuchie House ein Workshop über "Customer service" für die Angestellten statt, an dem ich teilnehmen konnte. Der Workshop war wirklich interessant und ich hatte überraschend wenig Probleme alles zu verstehen, obwohl etwas fachspezifischeres Englisch gesprochen wurde. Es ging um Körpersprache, positives Reden und solche Sachen. Am Ende gab's ein Zertifikat und einen Anstecker.
Letzte Woche hatte meine Präsentation über Dresden Premiere. Und nachdem es (von den anfänglichen technischen Schwierigkeiten mal abgesehen) ganz gut gelaufen ist, werd ich sie diese Woche noch mal machen. Die Gäste waren sehr interessiert und dankbar für das kleine Kulturprogramm. Schockierend war für mich allerdings in der kleinen Gesprächsrunde nach der PowerPoint-Präsentation zu sehen, wie die älteren Herrschaften vom schlechten Gewissen geplagt wurden, wegen dem, was sie Dresden im Februar 1945 angetan haben.
Wie kann es sein, dass sich 80-jährige Männer bei mir für die Geschehnisse im 2. Weltkrieg entschuldigen, während Jugendliche meiner Generation Obdachlose, alte Menschen oder Einwanderer auf der Strasse attackieren und Menschen wie Holger Apfel im Landtag sitzen? Es heißt, dass man aus der Vergangenheit lernt. Ich hoffe sehr, dass Deutschland das getan hat! Fest steht, dass stumpfsinniges, rassistisches Gedankengut noch in zu vielen Köpfen steckt, sowohl in Deutschland als auch hier, wie ich leider schon feststellen musste. Fest steht leider auch, dass sich die meisten Menschen ihrer Verantwortung, gegen dieses Gedankengut vorzugehen, nicht bewusst sind. Das ist eine Sache, die sich definitiv ändern muss. In jedem Land. Diese Verantwortung zu tragen ist mit Sicherheit nicht leicht, wir aber meines Erachtens nach einfacher, sobald sie von mehreren Menschen getragen wird.
Ich wurde mit dieser Verantwortung auf einer Party von Megans Schwester konfrontiert, wo der zukünftige Schwager meiner Mitbewohnerin in einem Gespräch eine sehr starke Abneigung gegen Polen verlauten ließ. Da ich die von ihm geäußerten blöden Kommentare nicht ignorieren konnte, entwickelte sich die Unterhaltung zu einer etwas angespannten Diskussion. Ob ich durch dieses Gespräch irgendwas bewirkt habe, weiß ich nicht, doch es war allemal besser als den Mund zu halten.
Das Leben nach der Arbeit
Vor zwei Wochen war ich mal wieder bei Mairi O’Keef, der Managerin von Leuchie, zum Essen eingeladen. Ihre Schwester kam auch auf einen Sprung vorbei, erzählte, dass sie Volleyball spielt und lud mich prompt ein dem "Training" am Dienstag beizuwohnen. Also geh ich jetzt jede Woche Volleyball spielen, was wirklich Spaß macht, weil es jedem nur darum geht zu spielen und niemand verbissen versucht zu gewinnen.
Letzten Sonntag war ich zur "Youth Group" eingeladen, was wohl in etwa dasselbe ist, wie die junge Gemeinde in Deutschland. Leider konnte ich an diesem Tag nicht hingehen, weil in der Kirche der "Fishermens Choir" war, den ich mir anschauen wollte und der zugegeben nicht so schlecht war. 20 weißhaarige Männer, von denen der ein oder andere schon nicht mehr richtig laufen, dafür aber um so kräftiger singen konnte, wurden von einer kleinen weißhaarigen Frau in Schach gehalten. Ein schönes Bild! :-) Da ich die Youth Group an diesem Tag verpasste, wollte ich vorgestern hingehen, was aber leider nicht so lief, wie gedacht, da nur eine Person nach dem Gottesdienst und der Gesprächsrunde danach noch da war. Also warte ich gespannt auf den nächsten Sonntag.
Natürlich darf eine Freizeitaktivität nicht fehlen, wenn man in Schottland ist: der Pub-Besuch. :-) Zusammen mit Megan war ich schon so einige Male im Pub oder auf irgendwelchen Feiern, was zwei Mal mit Tränen endete, da meine wirklich liebenswerte Mitbewohnerin entweder einen Streit mit ihrer Schwester hatte oder sie beschloss ihren Ex-Freund wieder zu kontaktieren. Ist es da ein Wunder, dass ich mir wie in einer Seifenoper vorkomme, wenn ich um fünf Uhr in der Früh auf dem Fußboden in der Wohnung sitze und die in Tränen aufgelöste Megan tröste? Naja, so wird es zumindest nie langweilig. ;) Letzten Samstag waren wir zusammen im "ship inn", einem Pub der nach einer längeren Renovierung wieder eröffnet hat und dazu eine Band engagiert hatte. Das Haus war voll, die Stimmung gut und die Musik wirklich klasse!
Die Woche zuvor war ich auch mit Megan unterwegs und habe dadurch Tereza kennen gelernt, ein Mädchen aus Tschechien, was im Nachbarort als Au Pair arbeitet. Es war schön mit jemandem zu reden, der sich in der Nähe zu den selben Situation befindet, wie ich. Tereza wollte am nächsten Tag mit einer Freundin aus Edinburgh (Nadja, aus Tschechien, arbeitet ebenfalls als Au Pair) Dunbar erkunden und lud mich dazu ein.
Dunbar
Da ich selbst noch nie in Dunbar war, aber schon fest eingeplant hatte dort mal hinzu fahren, machten wir uns also am Sonntag nach dem Gottesdienst gemeinsam auf den Weg. Nach einer unglaublich langen Busfahrt (Dunbar ist nicht sonderlich weit von North Berwick entfernt, aber da der Bus durch jeden noch so kleinen Ort gefahren ist und wir auch noch umsteigen mussten, hat sich das natürlich extrem in die Länge gezogen) kamen wir gegen Mittag in Dunbar an, dem sonnigsten Ort von ganz Schottland. Da wir drei ja keine Kulturbanausen sind, ging es natürlich gleich ins Stadtmuseum, was sehr überschaubar war und ungefähr 15 Minuten in Anspruch genommen hat. Danach sind wir zum Hafen und von dort aus zum Strand, wobei wir eine kleine Klettertour über die steinige Küste gemacht haben und Nadja fast von einem Golfball getroffen worden wäre, dabei haben wir uns kurz vorher noch über das Warnschild amüsiert, dass auf fliegende Golfbälle hinweist. Am Strand angekommen konnten wir bei strahlendem Sonnenschein Surfer beobachten. Ein Bild, dass nicht wirklich zu der Vorstellung von Schottland passt. Blauer Himmel, Megastrand und Surfer im Sonnenschein. :-)
Danach begaben wir uns zurück auf den Weg ins Stadtzentrum und nach einem kleinen Fish & Chips–Snack für Tereza, Nadja und die Möwen (ich hab dankend abgelehnt) sind wir zum John Muir-Museum. John Muir wurde in Dunbar geboren und hat seine Kindheit dort verbracht, bis er nach Amerika gegangen ist und dort angefangen hat Naturschutzgebiete zu eröffnen. Zu Ehren von John Muir gibt es auch hier in Schottland die so genannten "John Muir Wege" zum spazieren und wandern. Nach diesem kleinen Kulturprogramm ging es zurück nach North Berwick.
Soweit der Stand der Dinge hier bei mir. Nächste Woche werde ich noch mal umziehen, auch wenn ich och keinen Schimmer hab, wohin. Langsam aber sicher werde ich diesbezüglich doch etwas unruhig. Mal sehen, was sich in den kommenden Tagen so entwickelt.
See you!