Die Rückkehrer
Donald Trump glaubt, den sogenannten Islamischen Staat besiegt zu haben - Und kündigt an, seine Truppen aus Syrien abzuziehen. Das heizt die Situation in Syrien wieder auf, und es scheint, als ob ausländische Dschihadisten einfach freigelassen werden - Aber mit wenig Chancen auf Rückkehr in ihre Heimatländer.
Wie radikalisiert sich ein junger Mensch? Diese Frage beschäftigt mich, während ich die aktuelle Debatte um rückkehrende Dschihadisten verfolge. Denn unter den vielen ausländischen Dschihadisten ( die also nicht aus Syrien oder dem Irak stammen) sind unglaublich viele junge Menschen, teilweise waren sie noch minderjährig als sie sich dem mörderischen IS anschließen. Natürlich empfinde ich keine Sympathie mit ihnen, aber ich kann nicht anders, als mich zu fragen: Wie haben sie sich radikalisiert? Und wer hätte es verhindern können, der Staat, die Schulen, die Gesellschaft, die Eltern? Kann man so etwas überhaupt verhindern? Und vor allem: Wie gehen wir jetzt mit ihnen um?
Die Situation in Syrien spitzt sich zu: Auch wenn nun fast alle Gebiete des sogenannten „Islamischen Staates“zurückerobert sind und unter der Kontrolle kurdischer Kräfte sind, ist das Problem IS noch lange nicht gelöst. Es befinden sich noch viele radikale Islamisten auf freiem Fuß, bereit nun im Untergrund zu agieren. Dies ist natürlich noch eine große Gefahr und wird die Region noch lange destabilisieren, es droht aber noch eine viel unmittelbarere Gefahr: Mit der Ankündigung Trumps, amerikanische Truppen abzuziehen und die amerikanische Unterstützung damit drastisch zu kürzen, gerade die kurdischen Truppen, die die Region zur Zeit verwalten, unter Druck. Mit ihren geringen finanziellen und personellen Ressourcen müssen sie nun ein Land wieder aufbauen, gleichzeitig aber auch all die Gefangenen unter Kontrolle haben, vor Gerichte bringen und für ihren Strafvollzug sorgen. Das wirft die Frage auf, wie mit ausländischen Dschihadisten umgegangen werden soll, können/sollten sie zurück in ihre Heimat?
Schätzungen zufolge sind über 41.000 Menschen aus der ganzen Welt nach Syrien gereist und haben sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen. Viele haben sich selbst gefilmt, wie sie ihre Pässe und Ausweise verbrannten, um zu demonstrieren, dass sie sich nun in einem besseren Staat wähnten und alle Brücken zu ihrer alten Heimat abbrechen. Viele sind in den Kriegen des „IS“ gestorben - Und die die überlebten, wenden sich nun häufig wie gestrandete Touristen an ihre Botschaften und möchten nach Hause zurückkehren. Das löst im Westen häufig Empörung aus: Trump kündigte an, keine radikalisierten Dschihadisten zurückkehren zu lassen. In Australien wurde sogar extra ein Gesetz erlassen, dass es dem australischem Staat erlaubt, Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft die australische Staatsbürgerschaft zu entziehen - Damit haben sie ihr Recht verwirkt, in dem Land zu leben. Auch in England wird einem Mädchen, dass sich minderjährig dem „IS“ angeschlossen hat, die Staatsbürgerschaft entzogen mit der Begründung, dass sie auch zu der bangladeschischen Staatsbürgerschaft berechtigt wäre und diese nun in Anspruch nehmen soll.
Es ist verständlich, dass kein Politiker sich dazu bereit erklären möchte, radikale, gewaltbereite Islamisten zurück ins Land zu holen. Trotzdem kann man das Problem so nicht einfach lösen. Es ist ein moralisches Dilemma, aber es ist auch eine Frage der Verantwortung. Zum einen wäre es nicht fair, bereits sehr schwachen und krisenhaften Ländern wie dem Irak oder Syrien die Verantwortung über diese Menschen zu zu schieben - Denn dort gibt es viel weniger Ressourcen und Kapazitäten mit diesem Problem umzugehen. Es ist auch ein wichtiges Zeichen, in dieser Problematik Verantwortungsbewusstsein zu zeigen - Schließlich darf es uns nicht egal sein, dass unsere ehemaligen Mitbürger in diesen Ländern unglaublichen Schaden angerichtet haben und die Population dort terrorisiert haben.
Gerade bei den sehr jungen Mitgliedern des „IS“ kann man nicht davon ausgehen, dass sie ihre Wahl bewusst, rational und als Straftat getroffen haben. Viele Umstände haben dazu geführt, dass sie sich radikalisiert haben, vor allem geschah dies aber auch in einer Gesellschaft, die dies zuließ. Es ist schwierig, von Schuld zu reden, aber mich beunruhigt dieser Gedanke sehr, dass unsere Gesellschaft die Anwerbung und Ausbildung von radikalen Islamisten zulässt, diese in anderen Ländern morden und zerstören, und sich diese Ländern nun weigern, sich mit dem Problem auseinander zu setzten.
Auch die deutsche Politik will mit einem Passentzug auf rückkehrende Dschihadisten reagieren - Ist das moralisch zu vertreten, Islamisten einfach zu einem Problem der Anderen zu machen? Europäische Staaten müssen darüber diskutieren, und anstatt mit drastischen Maßnahmen wie dem Entzug der Staatsbürgerschaft zu drohen sollten wir uns aktiv damit auseinandersetzen, was junge Menschen radikalisiert und vor allem, wie man das verhindern kann. Denn solange wir diese Problematik aus unseren Ländergrenzen verbannen, werden sich immer mehr junge Menschen radikalisieren und ihr Leben aufs Spiel setzen.
Quellen:
https://www.economist.com/special-report/2019/02/14/radicalised-jihadists-have-done-untold-damage-to-islams-image
https://www.economist.com/middle-east-and-africa/2019/02/21/governments-are-struggling-to-deal-with-returning-jihadists
https://twitter.com/tagesschau/status/1097808234302394368