Die Eroberung Afrins – Welche Motive hegt die Türkei?
Eine Nachricht, die ich kurz im Vorbeigehen auf einem Bildschirm sah: Die nordsyrische Stadt Afrin wurde von der Türkei angenommen. Eine dramatische Entwicklung
Zwei Monate nach Beginn der Militäroperation der Türkei hat sie nun Afrin, eine Stadt in der kurdischen Norden Syriens, eingenommen. Die Kurden-Miliz YPG musste sich zurückziehen und tausende Menschen befinden sich auf der Flucht vor den Angriffen der türkischen Armee. Was erhofft sich der türkische Staat von der Belagerung Afrins und warum schaltet sich nicht die internationale Politik ein?
Denn bei dem Militäreinsatz in Syrien handelt es sich um eine große Verletzung von internationalem Recht: Da es keine offizielle Kriegserklärung gab, gibt es keinerlei Legitimation für das Operieren des türkischen Militärs auf syrischen Boden. Das vom Bürgerkrieg zerstörte Land wird so zur Bühne verschiedener Akteure um die regionale Vorherrschaft. Und der neo-osmanische Kurs der türkischen Regierung mit zwanghafter Integration anderer Ethnien. Es geht weniger um territoriale Erweiterung, eher um die Hegemonialstellung in der Region und dem Unterdrücken von nationalistischen Bewegungen: Und hier sieht Ankara die Gefahr in Rojava, dass sich syrische und türkische Kurden gegen die Türkei verbinden könnten, gerade weil kurdische Milizen im Kampf gegen den sogenannten IS von den USA unterstützt wurden.
Ankara kündigte zwar an, dass die türkischen Truppen das Gebiet bald wieder räumen würden, allerdings deutet sich eher an, dass Menschen dort vertrieben werden und vor allem arabische Flüchtlinge, die sich zur Zeit in türkischen Flüchtlingslagern befinden, dort angesiedelt werden sollen. Wenn sich dies bewahrheiten sollte, sollte sich die Europäische Union wirklich der Anklage stellen müssen, dass sie riesige Summen an die türkische Regierung zahlt, um Flüchtlinge in der Region zu halten und damit den Krieg immer weiter fördert (abgesehen davon dass dieser Vertrag gegen Menschenrechtskonventionen und gegen die proklamierten Werte der EU verstößt..).
Die Befürchtung, dass Erdogan Grenzen verschieben könnte, ist akut: Es sind bereits Fotos publiziert worden, in denen Afrin als weitere türkische Provinz aufgezählt wurde. Auch die Rhetorik des Staatspräsidenten Erdogan ist als klassisch imperialistisch und expansionistisch zu bewerten. Die Internationale Politik und supranationale Institutionen wie NATO oder UN haben bisher kaum reagiert, aber die Zivilgesellschaft fordert eingreifen: In ganz Europa gehen Menschen auf die Straße und fordern glasklare Stellungnahmen und Sanktionen.
Die österreichische Zeitung "Der Standard" bewertet die Ereignisse an der türkisch-syrischen Grenze interessanterweise als Sollbruchstelle der NATO: Obwohl die Türkei eigentlich ein Bündnispartner ist, agiert sie um nationale Interessen durchzusetzen mit den Erzfeinden Iran und Russland. Und der Einfluss Amerikas kann sie nicht davon abhalten, daher urteilt der Kolumnist Christoph Prantner : "Jeder Schuss, der in Afrin fällt, ist auch ein Schuss ins Knie der Nato".
Mehr Infos:
https://derstandard.at/2000076379732/Schlacht-um-Afrin-Schuss-ins-Nato-Knie
http://www.deutschlandfunk.de/offensive-auf-afrin-in-nordsyrien-zeit-fuer-eine-haertere.720.de.html?dram:article_id=413310
http://www.eurotopics.net/de/196367/was-hat-die-tuerkei-mit-afrin-vor?zitat=196413#