Die Angst vor der Aufmerksamkeit
Wir werden immer wieder mit unseren eigenen Ängsten konfrontiert! Tagein, tagaus begegnen uns Reize, die urplötzlich Panik auslösen. Eine Spinne kann solch ein Reiz sein, das Betreten eines Flugzeuges oder schlicht und einfach Aufmerksamkeit.
Meine Chefin hatte mich überredet mit in das Public Speech Training zu kommen, welches sie leitet. Hier könne man zu einem Menschen werden, der einfach vortreten kann, dort stehen und reden, als gäbe es nichts Einfacheres, meinte sie. Doch stattdessen wurde ich mit Angst konfrontiert. Ich kann zwar vortreten, ich kann auch dort stehen, aber einfach reden, das klappt dann nicht mehr. Ich bin nervös. Alles, was ich sage, scheint keinen Zusammenhang mehr zu haben. Dadurch werde ich noch nervöser und stehe mir selbst im Weg. Ein Teufelskreis an Unsicherheit. Und damit bin ich nicht alleine!
In einer Studie von Beidel und Turner benannten befragte Jugendliche das Sprechen in der Öffentlichkeit als eine der führenden furchterregenden Situationen! Und das war nicht die einzige Studie mit diesem Ergebnis. Angstforscher, die Angst vor der Aufmerksamkeit miteinbezogen, mussten feststellen, dass sie noch viel verbreiteter ist, als die vor Ungeziefer oder Krankheiten. Und das überall auf der Welt. Sei es ein Jugendlicher vor einem Bewerbungsgespräch in Deutschland, oder ein Schulkind in Ungarn, welches eine Präsentation halten muss, das unbehagliche Gefühl in solchen Situationen macht nicht vor Ländergrenzen halt und hindert Jugendliche daran, ihre Ziele zu erreichen.
Vielleicht geht es auch euch so, egal wo ihr euch gerade befindet und in welcher Situation ihr euch der öffentlichen Aufmerksamkeit stellen müsst. Fragt ihr euch auch, wie wir einen Ausweg daraus finden können? Wie können wir diese Angst besiegen und das Ziel erreichen, welches mir meine Chefin versprach?
Die Quelle für unsere Panik ist die ungeteilte Aufmerksamkeit, die uns entgegengebracht wird! Laut Duden umschreibt diese unsere Fähigkeit, aus dem vielfältigen Reizangebot der Umwelt einzelne Reize oder Reizaspekte auszuwählen und bevorzugt zu betrachten. Und genau das machen die Menschen, die uns in solchen Situationen zuhören. Sie suchen sich uns aus und konzentrieren ihre gesamte Reizwahrnehmung auf uns! Natürlich fühlt man sich dann beobachtet. Jedes einzelne Wort, jede einzelne Bewegung wird genau wahrgenommen. Etwas falsch zu machen ist jetzt viel fataler, jeder würde es sehen und man möchte schließlich nicht ausgelacht, kritisiert oder verurteilt werden! Herzklopfen, Herzrasen, Stottern, Schweißausbrüche: all das sind vertraute körperliche Symptome, welche beinahe jeder kennt.
Juha, mein finnischer Mitfreiwilliger, bekommt ganz zittrige Hände und eine Menge roter Flecken. Er meinte zu mir, dass er sich deswegen lieber vor solchen Situationen drücke. Auch das Public Speech Training verließ er nach der ersten Stunde ohne ein Wort gesagt zu haben. Aber dieses Vermeidungsverhalten ist keine Lösung! Ein lockeres: „Auch du schaffst das schon. Bleib einfach selbstbewusst“, bringt aber kaum etwas, sagt eine ungarische Teilnehmerin in dem Kurs. Das ganze Problem ist viel komplexer und mehrschichtiger. Würde man nämlich nur krampfhaft diesem Rat folgen, erschiene man ganz schnell unecht. Die Fassade hält nicht. Das Publikum bemerkt die verschleierte Angst, reagiert ablehnend und reflektiert dies auf uns, die Sprecher, und die Unsicherheit wächst.
Stattdessen schlagen Ratgeber Beruhigungsübungen vor. Ruhiges und kontrolliertes Atmen soll helfen. Man kann auch ein paar Yogaübungen finden, die das Gewinnen von Gelassenheit und Selbstbewusstsein versprechen. Der Krieger 3 mit offenen Armen oder das Dreieck zum Beispiel. Für einen Moment scheint dies vielleicht auch zu klappen, aber sobald man dann vor dem Publikum steht, kommen die Panikgedanken zurück.
Schließlich bin ich auf einen Artikel gestoßen, der meinte, die Lösung sei, seine Denkmuster in solchen Situationen aufzudecken und zu ändern! So könnte man letztendlich der Angst entkommen und authentisch sein. Das klingt ziemlich logisch und einfach. Aber wie ändert man sein Denkmuster?
Meine Chefin bekräftigte, dass habe viel mit dem erste Schritt zu tun. Man muss seine schlechten Überlegungen nur einmal überwältigen schon würde der Rest fast wie von selber funktionieren. Ganz am Anfang muss man aufhören, sich furchtbare Schreckensszenarien vorzustellen: „Ich könnte den Text vergessen“ oder „Das Publikum könnte meinen Vortrag furchtbar finden“. Man muss aufhören, sich durch diese selber verrückt zu machen, denn sonst tritt schnell die „Selbsterfüllende Prophezeiung“ ein. Die vorgestellten Szenen geschehen tatsächlich und bestätigen auch noch die Panikgedanken. Man sollte fest an einen guten Verlauf denken: „Das Publikum wird begeistert sein!“ oder „Ich habe meinen Text so gut gelernt, da kann gar nichts schiefgehen“. Wenn man daran glaubt, dann gibt es auch hier die „Selbsterfüllende Prophezeiung“ und der Vortrag wird ein Stück besser! Dazu reicht dieser Gedankenwechsel.
So kann man also sagen, zunächst sollte man sich bewusstwerden, dass man solche Schreckensgedanken hat. Man sollte sie aufdecken und analysieren. Und dann geht es daran, diese Gedanken umzudrehen. Man muss die Situationen, in denen man im Mittelpunkt steht und Aufmerksamkeit erlebt mit positiven Gedanken und Gefühlen verbinden. Wenn man das dann geschafft hat, schaden auch ein paar Yogaübungen für Gelassenheit nichts. Der guten Präsentation steht nichts mehr im Weg.
Ich werde dies definitiv ausprobieren und auch das nächste Mal wieder zu dem Public Speech Training gehen. Und ich hoffe, damit bin ich nicht alleine. Es wird Zeit, dass wir Jugendlichen diese Angst überwinden. Dann können wir Prüfungen großartig bestehen und in Bewerbungsgesprächen glänzen und uns steht die Welt ein kleines bisschen offener:).
Quellen: https://www.duden.de/rechtschreibung/Aufmerksamkeit https://books.google.hu/books?id=JchGp_tGgH0C&pg=PA12&lpg=PA12&dq=Beidel+und+Turner+soziale+%C3%A4ngste&source=bl&ots=vw1FfIi https://karrierebibel.de/redeangst-ueberwinden/ https://www.uni-bonn.de/neues/224-2013