Der Sumpfgeist Soovana
„Soovana erscheint dem Wanderer als Nebelstreifen, als Baum oder als Blüte. Wenn der Sumpfgeist die Form der Blüte angenommen hat, darf man ihn nicht stören, denn er ist gerade traurig, und auch wenn man nur eine Moosbeere gepflückt, kann er sich aufregen und dann kann man nicht wissen, wie er reagieren wird.“ (www.visitestonia.com)
Viele Esten gehören keiner Religion an, fühlen sich jedoch der Natur sehr stark spirituell verbunden. Auf einer Wanderung durch den Nohipalu Sumpf konnte ich dieses Gefühl gut verstehen. Während wir durch den Sumpf gelaufen sind, haben wir uns die Zeit mit Geschichten von estnischen, mythologischen Naturgeistern vertreiben. Auf unserem Hinweg durch den Wald hat Dominyka, eine Studentin aus Litauen, von der Wald Elfe Metsik erzählt. Metsik wurde vom Wolkengott geraubt und hat den Regenbogen geschaffen, um auf ihm ab und zu auf die Erde hinabsteigen zu können. Der traurige Sumpfgeist Soovana war in der nebligen Landschaft so allgegenwärtig, dass wir ihn fast spüren konnten.
Auf schmale Holzstege haben wir den vereisten Sumpf bis zum Mustjärv (schwarzen See) durchquert. Das, von Mineralien schwarze, Wasser war von einer 10 cm breiten Eisschicht bedeckt, aus dem ein paar kreisrunde Löcher zum Eisfischen herausgebrochen wurden. Die Farben des Sumpfes waren so intensiv und die Spiegelungen im sumpfigen Boden so malerisch, dass wir vor lauter Fotos nur sehr langsam vorrangekommen sind. In ganz Estland gibt es liebevoll gepflegte Holzhütten im Wald, deren Türen für jeden offen stehen. In einer haben wir es uns gemütlich gemacht und vor dem Haus Brennholz gehackt. Bald saßen wir alle um des Feuer herum, haben gegrillt und unsere nassen Füße gewärmt. Am Ende waren wir dennoch so durchgefroren, dass es geradezu ein Wettrennen gab, wer zuerst in die Sauna kommt.
Dieser wunderschöne Tag haben Kertu und Tauri organisiert und Freunde aus Venezuela, Mexico, Frankreich und Litauen dazu eingeladen. Seitdem mich Mirjam zu einem von Kertu’s wöchentlichen Saunaabenden mitgenommen hat, gehen wir regelmäßig Schlittschuhlaufen, kochen zusammen oder spielen Brettspiele neben dem Kaminfeuer. Natürlich endet jeder Abend in der Sauna, ohne die ich mir den Winter schon gar nicht mehr vorstellen könnte.
Der Ausflug in die Natur hat in mir den Wunsch geweckt, mehr von Estland zu sehen und öfter von meiner Arbeit loszukommen. Während wir im Museum das Gefühl haben, dass uns die hohen Türme von Umzugskartons bald unter sich begraben werden, hat mir der Blick über den Sumpf und die kalte Luft sehr gutgetan.