Der "schwarze Tourismus"
Stets wächst die Zahl der Menschen, die gerne den schwarzen Tourismus betreiben. Hier ein kurzer Überblick, was dieser Begriff bedeutet und was dahinter steckt.
Der Tourismus ist eine sich rasant entwickelnde Branche. Ihre Entwicklungsrichtungen sind sehr unterschiedlich. Jedoch sind für viele Menschen das Meer, die Palmen oder die Berge nicht mehr so attraktiv wie früher. Nun wird mehr vom Urlaub erwartet, nämlich tiefe Emotionen und Nervenkitzel, die sicherlich mit der sommerlichen sorgenlosen Idylle nichts zu tun haben.
In letzter Zeit hat der schwarze Tourismus sehr an Popularität gewonnen. Was bedeutet eigentlich dieser Begriff? „Der schwarze Tourismus“, „der dunkle Tourismus“ oder „Thanatostourismus“ (aus dem Griechischen Thanatos bedeutet Tod, d.h. Todesgott Thanatos) ist eine spezielle Art des Tourismus, bei der die Touristen die Orte besuchen, wo sich die großen Tragödien in der Vergangenheit abgespielt haben. Diese Orte sind Schauplätze von Massenmorde, Todesfällen, leidvollen Geschehnissen und locken immer wieder große Touristenmenge an. Schon im Jahr 2005 in Großbritannien an der Universität Lancashire wurde das Institute for Dark Tourism Research unter der Leitung von Dr. Philip Stone gegründet. Der schwarze Tourismus wird folgendermaßen definiert: „Dark Tourism bezeichnet die Besichtigung von Orten, Attraktionen und Ausstellungen, welche Tod, Leid oder das scheinbar Makabere als Hauptthema haben. Besuche von Touristen zu ehemaligen Schlachtfeldern, Attraktionen zum Thema Sklaverei, Gefängnisse, Friedhöfe, bestimmte Ausstellungen im Museum, Plätze des Holocausts oder Katastrophengebiete fallen alle in das breite Gebiet des Dark Tourism.” Zu den bekanntesten und beliebtesten Orten von schwarzem Tourismus gehören u.a. das Konzentrationslager Auschwitz in Polen, „Killing Fields“ in Kambodscha, Tschernobyl in der Ukraine oder Hiroshima in Japan.
In den Medien wird der schwarze Tourismus eher negativ, unmoralisch und unethisch gesehen. Man wirft dieser Tourismusart die Oberflächlichkeit sowie Kommerzialisierung vor. Das war der Fall bei Hiroshima, der vom amerikanischen Time Magazine kritisiert wurde, weil dieser Ort schnell zur Unterhaltungsindustrie wurde. Zu offensives Marketing beschädigt die authentische Geschichte dieser Plätze. Darüber hinaus lässt das Verhalten der Touristen noch viel zu wünschen übrig. Der jetzig herrschende Trend von „Selfies” ist dem schwarzen Tourismus nicht entgangen. Man fragt sich selbst, warum macht man Fotos mit einem großen Lächeln auf dem Gesicht in Auschwitz in dem Ausstellungsraum, wo sich die persönlichen Gegenstände oder Haare von Opfern befinden? Auf diese Weise wird dieser Tragödienort entweiht und Andenken an Opfer beschmutzt. Ein interessantes und zugleich kontroverses Projekt „Yolocaust“ wurde in diesem Jahr von dem in Berlin lebenden israelischer Schriftsteller, Musiker und Satiriker Shahak Shapira durchgeführt. Die Erinnerungskultur des Holocausts der Menschen wurde von ihm hinterfragt. Er hat die „Selfies” am Holocaust-Mahnmal in Berlin mit aus Vernichtungslagern stammenden Fotos zusammengestellt. Seine Aktion hat sich enormer Beliebtheit erfreut und seine Homepage haben sich über 2,5 Millionen Menschen angeschaut.
Der schwarze Tourismus kann laut Stone auch positiv sein. Seiner Meinung nach habe der Besuch der Orte, wo Tragödien geschehen sind, eine positive Auswirkung auf ihre Besucher, denn sie steuern moralisches Empfinden. Darüber hinaus werden die Touristen zum Nachdenken und Reflektieren motiviert, wenn sie einen authentischen Ort mit eigenen Augen sehen. Diese Erlebnisse sind nicht so stark, wenn man z.B. über diese graue Geschichte liest oder sich einen Film anschaut. Durch die persönliche Konfrontation empfindet man noch intensiver die damaligen Geschehnissen nach.
Es soll jedoch nicht vergessen werden, dass die Orte vom schwarzen Tourismus nie mit den typischen touristischen Attraktionen wie der Schiefe Turm von Pisa, der Eiffelturm oder die ägyptischen Pyramiden auf eine Ebene gestellt werden können. Der schwarze Tourismus ist keine negative Erscheinung. Fraglich ist nur, wie die Touristen sich bei der Auseinandersetzung mit den großen Dramen der Menschlichkeit benehmen und wie darauf reagieren.
http://www.dark-tourism.com/files/070%20dark%20tourismus.pdf