Der rote Deutsche in Kolumbien
Erste Wochen meines Auslandssemsters
"Entschuldigung, ist hier die Wohnung in der zwei Zimmer vermietet werden?". Wenn dieser Satz in den letzten Wochen in eine Gegensprechanlage in Bogotá gerufen wurde, dann war vermutlich ich unten an der Haustür- vermutlich habe ich es aber geschafft einen grammatikalischen Fehler einzubauen. Aber der Reihe nach: Am 8. Juli hieß es für mich: Tschüss Deutschland, Bienvenido a Colombia. Für die nächsten sieben Monate werde ich ein Auslandssemester hier verbringen und danach noch einige Zeit in Südamerika reisen. Nebenbei würde ich ganz gerne meine Spanischkenntnisse verbessern: An diejenigen die sich an meine katastrophalen Rumänisch-Versuche erinnern- Keine Angst, diesmal scheint es deutlich vielversprechender.
Da ich eine Wohnung erst vor Ort suchen wollte, mietete ich mir mit einer anderen deutschen Studentin aus Mannheim für eine Woche eine AirBnB Wohnung und startete schon am 2. Tag das Unterfangen "Hilflose Deutsche suchen Wohnung in Bogotá". Das Straßensystem von Bogotá ist eigentlich recht simpel aufgebaut. Große Hauptstraßen, sogenannte Carreras, werden von kleineren Calles gekreuzt, sodass eine Adresse also immer aus Carrera, Calle und Hausnumer besteht. Soweit ist das recht einfach, so dass man sich wohl hier gedacht hat, um es für Ausländer etwas anspruchsvoller zu machen, baut man ab und an wahllos Buchstaben in die Straßennamen ein. Fragt man dann Kolumbianner auf der Straße nach dem Weg, sind diese zwar immer furchtbar hilfsbereit und gestikulieren wild mit den Armen umher, aber es kann schon mal passieren, dass 4 Leute in 4 unterschiedliche Himmelsrichtungen zeigen.
Manchmal frage ich mich da, wie die ganzen Menschen wohl ihr eigenes Zuhause finden jeden Tag. Ich habe jedenfalls den Verdacht, dass ein Großteil der Menschen die nachts noch durch die Stadt geistern, einfach nur ihren Straßennamen vergessen haben. Deswegen kann es schon mal sein, dass man sich an der richtigen Adresse wähnt, aber einen Buchstaben vergessen hat. Klingelt man dann und fragt ob es sich eben um die Wohnung aus der Anzeige handelt, kriegen manche Anwohner glaube ich ein wenig Panik. Nachdem wir es aber mit Hilfe gefühlter 24502 Menschen geschafft hatten, 3 Wohnungen zu besichtigen, erschienen wir für uns eine WG in Laufnähe zu unserer Uni. Was sich mir bisher noch nicht erschließt, ist wer eigentlich alles hier wohnt. Es war mal die Rede von 2 Kolumbianern, aber dafür treffe ich hier echt zu viele Leute. Sollte es jemals ein Einbrecher in die Wohnung schaffen, werde ich ihn vermutlich freundlich grüßen und für meinen Mitbewohner halten. Das ist ein weiteres großes Ziel für meine Zeit hier- herausfinden wer denn alles hier wohnt. Man braucht ja Ziele im Leben. Die Vermieter sind auf jeden Fall extrem freundlich und hilfsbereit (der Vermieter zählt auch zu den potientiellen Mitbewohnerkandidaten), erst heute wurden uns neue Decken gebracht, da es nachts recht kalt werden kann.
Das bringt mich zum nächsten Punkt: Wer gerne mal alle 4 Jahreszeiten an einem Tag durchleben möchte, ist hier in Bogotá goldrichtig. Wenn man morgens aus dem Haus geht, kann man von Sonnencreme bis Regenschirm alles einpacken. Das Wetter wechselt so häufig wie meine Mitbewohnerin Stefanie die Orientierung verliert (ein Blinder findet etwa doppelt so schnell ans Ziel wie sie).
Die Uni beginnt erst in einer Woche, so dass mir in den letzten beiden Wochen auch noch Zeit zum Reisen blieb. Die Kurswahl der Uniandes - meiner Partneruni- ist ziemlich anspruchsvoll. Die Uni scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben das ganze möglichst abwechlslungsreich zu machen, damit es auf keinen Fall langweilig wird. Besonders witzig sind Änderungen der Sprachkurszeiten 3 Tage vor der Kurwahl, damit man seine Kurse wieder umwählen kann, aber auch das ist inzwischen geschafft. Inzwischen habe ich aber diesbezüglich mit meiner Koordinatorin in Mannheim und dem Koordinator hier in Bogotá so viele Emails geschrieben, dass man daraus wohl ein Buch im Umfang der Bibel machen könnte (wahrscheinlich etwas weniger philosophisch, aber schon auch spannend)
Während meiner ersten zweiwöchigen Reise durch Kolumbien stellte ich vor allem eines fest: Der Mensch kann sehr viel schwitzen in nur 24h. An der Westküste herrschen solch andere Temperaturen als in Bogotá, dass mein Wasserkonsum einem Kamel Konkurrenz machen konnte. Vor allem waren die Orte Cartagena, Puerto Colombia, Santa Marta und San Andrés aber wunderschön. Allerdings bin ich mir sicher, dass selbst Donald Trump nach 2 Tagen in Cartagena zum glühenden (Wortspiel hihi) Verfechter des Klimawandels werden würde. Ich war mehrmals versucht mich in den Kühlschrank zu legen. Einen Tag habe ich vergessen mich einzucremen und bin nun so rot, dass ich von einem Grillhähnchen nicht mehr wirklich zu unterscheiden bin. Die Städte sind in der Regel nicht all zu groß und man kann in 2 Tagen eigentlich alles sehen, aber die Strände und zum Teil mittelalterlich anmuteten Städte sind wirklich einen Besuch wert. Wie schon in Rumänien war ich auch hier bisher von der Gastfreundschaft beeindruckt, so wurden wir beispielsweise 3 Tage von einer kolumbianischen Familie aufgenommen oder durften umsonst 3 Nächte in einem Hostel schlafen. Gerade diese Begegnungen mit Kolumbianern, bei denen man auch viel über die Kultur und Politik erfährt, machen den Aufenthalt in diesem Land bisher so besonders.
Die Busfahrten sind so eine Sache. Bei Fernfahrten wird man erst mal fotografiert im Falle einer Entführung oder eines Unfalls: So beruhigend fange ich Reisen immer sehr gerne an. Naja immerhin hat der kolumbianische Polizist jetzt 4 ganz tolle Fotos von mir. Die Busse werden dann auch immer in eine Art Nordpol verwandelt, so stark sind die runtergekühlt. Ein Eisbär würde sich bestimmt wohlfühlen, ich eher nicht so. Kauft man die Tickets online, muss man das Dokument auch erst noch am Schalter in ein echtes Ticket umtauschen (damit es nicht so einfach ist). Die Personen haben aber wahscheinlich den Auftrag nur etwa eine Person jeden Tag täglich zu bedienen. Bei den Busfahrten innerhalb der Städt haben die Erbauer leider vergessen, dass ein gesunder Mensch gelegentlich Beine besitzt, die er gerne irgendwo hinstellen würde, aber immerhin sind die Fahrten sehr günstig. ( 30 Minuten etwa 50 Cent). Sehr günstig sind hier auch Taxifahrten, allerdings verwechseln viele Fahrer ihr Auto mit einem Formel 1 Cockpit. Bei dem Fahrstil steigt mein Blutdruck jedenfalls immer in solche Höhen, dass ein Arzt wohl vor Schreck in Ohnmacht fallen würde.
Was etwas merkwürdig anmutet ist, dass man hier für fast alles seinen Pass braucht: Zum Betreten eines Nationalparks (da hatten meine Mitbewohnerin und ich unsere Pässe nicht dabei und erfanden einfach eine Passnummer. Es wurde zwar angedroht, dass im Falle einer falschen Passnummer die zu einer gesuchten person gehört, Interpol kommt, aber die kamen nicht. Dabei wollte ich die echt mal kennenlernen), zum Aktivieren einer SIM Karte oder manchmal auch zum drucken (?!?!?!?!?!).
Was bestimmt viele interessiert, ist die Frage nach der Sicherheit. Nach der Einbruch der Dunkelheit muss man vorsichtig sein, gerade wenn man alleine ist, aber man muss es auch nicht übertreiben mit der Sorge. Generell fühle ich mich jedenfalls sehr sicher bisher! Das war es jetzt auch erst mal mit den ersten Eindrücken aus Kolumbien.
PS: Hat jemand meine Kopfhörer gesehen? Hab der Busgesellschaft hier welche geklaut, aber die gefallen mir nicht.
PPS: Weiß jemand wo man Salami in Bogotá kaufen kann?
PPPS: Das Hinzufügen von Bildern hier übersteigt meine technischen Kompetenzen wieder maßlos, aber ich arbeite daran.
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