Der neunte Monat - emotional, schön, veränderungsreich
Mein letzter Monat in Namur und der Abschied vom EFD.
Viele lange Wochenenden, ein Kloster, der Eurovision Song Contest und die deutsche Bahn.
Hallo meine Lieben,
Zum letzten Mal erzähle ich euch jetzt von meinem EFD, meinen Erfahrungen im Altersheim und meinen Reisen.
Gerade habe ich noch einmal meinen allerersten Blog gelesen und muss überraschenderweise feststellen, dass sich mein Eindruck vom Projekt und von Namur nicht wirklich geändert hat.
Ich bin immer noch sehr zufrieden mit dem Foyer und Namur ist mir wirklich eine zweite Heimat geworden.
Ich bin es so gewohnt hier zu leben und durch die Straßen zu laufen, dass es sehr komisch sein wird, zurück nach Gießen zu kommen. Ich setze zwar mein "altes" Leben nicht fort, sondern fange einen neuen Abschnitt an, aber ich gehe trotzdem an schon bekannte Ort zurück.
Gerne möchte ich euch aber zuerst von meinen Unternehmungen im Mai berichten.
Am ersten Maiwochenende haben Klara und ich, die anderen Freiwilligen von unserer Koordinationsorganisation in Tournai besucht. Dort haben wir das gesamte Wochenende verbracht und viel Spaß gehabt.
Glücklicherweise konnten wir bei ihnen übernachten, da sie in einem Priesterseminar wohnen. Allerdings war es etwas gruselig dort nachts durch die Flure zu laufen, weil es ein riesiges Haus mit sehr wenigen Bewohnern ist. Aber immer noch besser als die Pédagogie.
Am Freitag haben wir zusammen gegessen und sind abends noch in eine Bar gegangen. Am nächsten Tag haben wir dann einen Ausflug nach Lille gemacht. Da es sehr warm war, verbrachten wir viel Zeit mit Picknicks in Parks. Allerdings haben wir uns auch die Stadt angesehen und auf einem kleinen Flohmarkt herumgestöbert.
Später hat uns ein Freund von Lidiana noch einige unbekanntere Ecken von Lille gezeigt und wir waren in einem Café.
Am Abend hat Cristella für uns Nudeln mit selbstgemachter Pesto gekocht und Marlene hat uns Cupcakes gemacht. Nach dem leckeren Essen, waren wir dann noch in einer Bar, wo man auf den Tischen tanzen konnte und es gutes Bier gab.
Am letzten Tag unseres langen Wochenendes haben wir auf dem großen Platz in Tournai, Eis gegessen und Marlene hat uns ihre WG gezeigt. Danach ging es auch schon wieder zurück nach Namur.
Das darauffolgende Wochenende war nicht weniger spannend oder schön.
Am Samstag sind wir zu Joana nach Brüssel gefahren, um uns gemeinsam mit anderen EFDlern den ESC anzuschauen. Zuerst waren wir aber bei ihr zu einem Brunch eingeladen, der dazu diente, Geld für ihr Englisch-Projekt mit lokalen Jugendlichen zu verdienen.
Nach dem Brunch beschlossen Klara, Cristella, Marlene, eine deutsche Freundin von ihr und ich, zu einem Umzug in Brüssel zu gehen. Marlenes Freundin war noch nie in Brüssel und wollte sich die Stadt ansehen und glücklicherweise war genau an diesem Tag eine Parade. Die Zinneke (Das weibliche Äquivalent zu Manneken Pis) Parade drehte sich um das Thema "illegal" und es waren viele verschiedene Gruppen dort, die von der Gesellschaft nicht gern angesprochene Themen repräsentiert haben. Zum Beispiel Behinderte, Flüchtlinge, Populismus, Plastik oder Unterbezahlung.
Die Parade war sehr vielseitig und interessant, auch wenn man manchmal nicht erraten konnte, worum es ging. Wir wurden mit Kohle und mit Spielgeld beworfen, aber es war sehr lustig und interessant.
Abends waren wir dann einkaufen und haben gemeinsam einen Salat gemacht und mit den anderen zusammen gegessen. Jeder hat etwas mitgebracht und der Tisch war reich gedeckt.
Eine Ukrainerin hat uns dann noch Honig Wodka und gezuckerte Kondensmilch kosten lassen, und ich muss sagen, es hat gut geschmeckt, obwohl man das nicht unbedingt erwartet.
Natürlich haben wir auch den Eurovision Song Contest geschaut und gemeinsam getanzt, gesungen und uns über die Teilnehmer lustig gemacht. Es war ein wirklich schöner Tag und wir konnten die Zeit mit den anderen EFDlern nochmal genießen.
In der darauffolgenden Woche waren wir zu einem Fest für neue Freiwillige in Marche-en-Famennes eingeladen. Dort kannten wir zwar nur wenige Leute, aber wir haben uns trotzdem gut unterhalten, neue Menschen kennengelernt und leckeren Kuchen gegessen.
Am Ende wurden wir noch von ehemaligen EFDlern zum Bahnhof gebracht und sind dann gemeinsam Zug gefahren. Im Gegensatz zur deutschen Bahn, funktionieren die belgischen Züge nämlich meistens.
Den nächsten Tag habe ich nämlich fast ganz in Zügen der deutschen Bahn verbracht, da ich meine Eltern zu Hause überraschen wollte, da meine Mutter und mein Opa an diesem Wochenende Geburtstag hatten.
Leider hat die Zugfahrt wesentlich mehr Zeit in Anspruch genommen als gedacht, da ich mit der DB unterwegs war. Ich war extra früh aufgestanden und habe den früheren Zug genommen, um den ICE in Liège auf jeden Fall zu erreichen. Dieser kam dann aber schon einige Minuten zu spät, was mich unter Druck setzte. Außerdem musste ich im Zug feststellen, dass mein Abteil von einer schwäbischen Schulklasse im Alter von ca. 14 Jahren besetzt war. Kurz darauf blieb der Zug stehen und das Licht ging aus. Die Mitarbeiter erzählten uns es gebe "ein kleines technisches Problem", welches in 5-10 Minuten gelöst sei.
At this point Leila knew, she fucked up.
Das Ende vom Lied war dann nämlich, dass ich fast zwei einhalb Stunden mit dieser Schulklasse in einem Tunnel verbringen durfte. Als dann endlich die Feuerwehr kam, wurde uns mitgeteilt, dass wir unsere Koffer nehmen und durch den Tunnel laufen durften. Danach wurden wir dann von der Feuerwehr zu einem Bus befördert, der uns zurück zum Bahnhof brachte. Dort konnte ich dann den 4 Stunden späteren Zug Richtung Frankfurt nehmen, der natürlich selbst auch noch einmal eine Stunde Verspätung hatte.
Am Ende kam ich 5 Stunden zu spät in Gießen an. Thank you for traveling with deutsche Bahn!
Trotz alledem haben sich meine Mutter und meine Oma riesig gefreut, als Thomas aufeinmal mit mir im Restaurant auftauchte. Ich habe ein langes Urlaubswochenende zu Hause verbracht (das erste seit Weihnachten), viel Erdbeerkuchen gegessen und wertvolle Zeit mit meiner Familie verbracht.
Auf dem Rückweg hat die deutsche Bahn natürlich wieder ihr Bestes gegeben und ich musste wieder zurück fahren und eine Nacht in Gießen verbringen, bevor ich einen Tag später als geplant ziemlich verspätet zur Arbeit gehen konnte.
Von meinen letzten Arbeitswochen konnte ich profitieren und sie gut nutzen. Ich habe im Foyer sehr viel gelernt und wichtige Erfahrungen gemacht. Aber dazu später noch mehr.
In unserer vorletzten Woche waren wir zu einem Abendessen für die Freiwilligen im Altersheim eingeladen. (Also die Rentner, nicht die EFDler). Da wir die Adresse falsch interpretiert hatten, haben wir aus Versehen bei einem Anwohner geklingelt, der sich sehr darüber gewundert hat, dass bei ihm ein Abendessen für Freiwillige stattfinden soll.
Später haben wir das Haus aber zum Glück gefunden und konnten, auch wenn es länger gedauert hat als geplant, einen anständigen Kartoffelsalat zubereiten. Es war schön sich auch einmal privat mit den Freiwilligen zu unterhalten und es gab gutes Essen (vor allem die Desserts).
Am Wochenende wurde es sehr heiß und wir haben leckeres Eis gegessen und uns ein Chorfestival angeschaut, wo unterschiedliche Chöre in der Stadt aufgetreten sind.
Nun zu meiner letzten Woche in Namur. Es war eine harte Woche, die sehr regnerisch war und aber irgendwie auch schön.
Es ist nicht leicht einen ganzen Lebensabschnitt, in dem man so viel erlebt und gelernt hat, so schnell abzuschließen. Ich habe die Zeit hier sehr genossen und viel davon profitiert, ich bin daran gewachsen und bin nun gelassener und reifer. Das Mädchen ist zu einer jungen Frau geworden.
Unser letzter Arbeitstag war sehr schwer. Ich habe die Bewohner und die Kollegen sehr ins Herz geschlossen und viel mit ihnen erlebt. Diese Zeit, auch wenn es nur wenige Monate waren, bedeutet mir sehr viel und hat mir unglaublich viel gebracht.
Wir haben nur gutes Feedback bekommen und am Nachmittag wurde eine kleine Feier für uns ausgerichtet. Eine Kollegin hat eine tolle Ansprache über uns gehalten und wir haben wunderschöne Geschenke als Erinnerung an diese besondere Zeit bekommen. Die meisten Bewohner wurden zu uns auf die Etage gebracht und man hatte extra Kuchen gekauft. Am Ende des Tages war die halbe Etage in Tränen aufgelöst und ich kann von mir behaupten, dass ich noch nie so in der Öffentlichkeit geweint habe.
Es gibt für alles ein erstes Mal. Und bald fängt ein neuer Lebensabschnitt an, der zwar anders, aber bestimmt auch lehrreich und spannend wird. Ich bin bereit für ein neues Abenteuer und freue mich auf die Zukunft!
Danke, dass ihr immer meinen Blog gelesen und mich auf dieser Reise begleitet habt.
Ich fahre morgen zurück nach Gießen und freue mich schon, euch wiederzusehen.
Alles Liebe,
Eure Leila