Der Mont Blanc ruft (oder auch nicht...)
Von Kuhmärchen, französischen Jugendlichen, hochtrabenden Wanderplänen und einer improvisierten Radtour.
Mittwoch, 23.09.2015
T. kommt uns morgens abholen. Im Centre angekommen, widmen wir uns der Programmplanung und -vorbereitung für den Tag. Nachdem wir mit T2. Ausgetüftelt haben, wie man am besten Kleisterkühe herstellt, wird M. die Aufgabe zugeteilt, sich ein deutsches Märchen mit einer Kuh zu überlegen. Besagtes Märchen will T2. Das nächste Mal dann den Kindern erzählen. Auf Deutsch. Wobei das Erzählen dann eher M.s Part sein wird. Viel mehr wird T2. Die Geschichte in Zeichensprache übersetzten. So sollen die Kinder einzelne deutsche Wörter lernen. Ich bin mal gespannt, ob das klappt. So spontan fällt nämlich weder mir (und das soll etwas heißen; mein Märchenrepertoire ist Dank exzessiven Märchenstunden mit meinem Opa riesig) noch M. eine geeignete Geschichte ein. Aber zurück zu den Kühen. Das, was T2. mir vor die Nase setzt, erinnert eher an ein adipöses Schweinchen, als an eine Kuh. Aber gut, die Kinder werden es schon nicht ganz so genau nehmen. Wir schneiden viele Eierkartons auseinander, ich bläue T2. ein, dass er
1. eine Tischdecke auf den Tisch legen soll, wenn er mit den Kindern malt. Das hat er letztes Mal nicht gemacht. Da war aber noch Kleistern angesagt. Das Aufräumen bzw. Sauberwischen war kein großer Spaß. Alles glitschte und man verteilte den Kleister nur noch mehr, wenn man versuchte ihn irgendwie vom Tisch, den Stühlen und dem Boden abzubekommen.
2. den Kindern unbedingt Malkittel anziehen soll. Auf der Farbflasche wird nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Farbe nicht mehr aus den Kleidern raus geht. Und da ein Kind letztes Mal nach unserer Kleisteraktion von oben bis unten mit Kleister voll war, muss sich dies ja nicht unbedingt mit Farbe wiederholen.
Nach diesem tierischen Ausflug stehen unsere Busse auch schon bereit. Heute fahre ich mit M. Die andere Route. Erst sammeln wir in Cervens ein paar Kinder ein. Unter anderem ein etwas älteres Mädchen, was mir mal wieder ein neues Wort beibringt: Ohrring. Mit fröhlich schnatternden Kindern geht es weiter nach Perrignier, dann nach Draillant und danach ins Centre.
Ich mache Bekanntschaft mit einer Couscous-Weizenkeim-artigen Substanz, die sich Ebly nennt. Sie gibt es heute zusammen mit Fisch, Käse und merkwürdigen aufgepufften Marshmallows (?) und Vanillesauce zum Mittagessen.
In der folgenden Ruhephase wollen sich die Älteren gar nicht beruhigen. Insbesondere fünf der Jungs drehen vollkommen verrückt und hüpfen wie vom Affen gebissen auf dem Sofa auf und ab. Ich sehe schon, dass sich einer von ihnen verletzt und ins Krankenhaus muss. Zum Glück kommt dann auch schon Kaya und beginnt wieder den Kindern beim Comic zeichnen zu helfen. D. und ich haben geplant, dass die Kinder mit Kaya heute kurze Witze illustrieren sollen und somit daraus einen kurzen Comic machen. Doch besagte Jungs haben heute keine Lust auf Stillsitzen und Zeichnen. Rennen macht doch viel mehr Spaß. Wenigstens können sich die Mädchen für unsere Aktion begeistern. Die Ergebnisse lassen sich wirklich sehen und ich bin stolz darauf, was die Kinder gezeichnet haben.
Mit dem Goute sind wir heute etwas später dran, sodass bereits die ersten Kinder abgeholt werden, als ich gerade dabei bin Apfelmus und Kekse zu verteilen.
Als alle Kinder verschwunden sind, machen sich M. Und ich an den Lamastall. Rein theoretisch sollen wir die Lamas Mittwochs gemeinsam mit den Kindern versorgen. Rein praktisch ist das aber nicht möglich. Wir sind schon froh, wenn wir es mit allen Kindern, die wir zu den Lamas mitnehmen (meistens um die drei), zum Stall und wieder zurück schaffen, ohne das eins in einen Lamaköttelhaufen fällt.
Donnerstag, 24.09.2015
Da wir heute wieder erst spät anfangen müssen, genieße ich morgens die frische, gute Berg-Seeluft und kuschel ein bisschen mit Jacques. Da das Internet (nein, ich rege mich an dieser Stelle nicht darüber auf. Ist verschwendete Energie. Ich habe es schon ausprobiert. Durch verzweifeltes Rufen oder wildes Klicken am Laptop kommt das Internet auch nicht in Schwung) seit Montag schon wieder nicht funktioniert – mysteriöser Weise allerdings nur nicht auf meinem PC; das Handy funktioniert problemlos und auch M.s Computer bereitet keine Probleme -, habe ich vor A.-M. einen Besuch abzustatten. Praktischer Weise hat sie aber genau die gleiche Idee. Und so kommt es, dass es, als ich unter der Dusche stehe, klopft. Ich denke erst, dass es sich bei dem Klopfenden um M. handelt, der ganz verzweifelt auf Toilette muss. In Wirklichkeit ist es aber A.-M., die vor unserer Haustür steht. Da wir keine Klingel besitzen, muss man immer klopfen. Und A.-M. ist nicht alleine. Auch ihr Mann B. steht vor der Tür. Ich stehe etwas schüchtern mit vom Duschen verstrubbelten Haaren und ungeschminkt in der Tür, ergreife aber direkt die Chance und berichte von meinem Computer-Rätsel. A.-M. sagt, dass wir uns darum gleich kümmern werden und eröffnet mir, dass ich die letzten drei Wochen im Prinzip auf dem Boden geschlafen habe. Ja, ich habe durchaus bemerkt, dass meine Matratze nur auf einem kleinen Gestellt liegt, habe das aber nie hinterfragt. Bei so merkwürdigen Bettwäsche-Fixiertechniken habe ich aufgehört irgendetwas zu hinterfragen. Jedenfalls stehen die zwei nun mit einem neuen bzw. zusätzlichen Bettgestell vor meiner Tür. Mit großem Tohuwabohu wird das alte Gestell aus meinem Zimmer entfernt, einmal quer durch die Wohnung getragen - da mein Zimmer am anderen Ende liegt - und das neue Gestell genau so laut hinein getragen und aufgebaut. Mir macht der Lärm nichts. Ich hoffe aber inständig, dass M. mir die Aktion nicht übel nimmt. Er schläft noch... Nach einiger Zeit steht mein neues Bett und ist jetzt deutlich höher als vorher. Na, das wird nachts nun schön warm werden. Und da die Heizung nun auch angestellt ist, fehlt es mir praktisch an nichts mehr. Außer vielleicht an Internet.
Aus diesem Grund begleite ich A.-M. mit meinem Laptop bewaffnet in ihre heimelige Küche und bekomme zwischen Angeboten von Kartoffeln und Zwiebeln aus dem heimischen Garten mit A.-M.s Hilfe das Internet zum Laufen. Auch wenn das nun eigentlich nicht der Port ist, über den wir gemeldet sind, funktioniert alles und ich verschicke direkt ein paar Mails. Unter anderem an das Flagfootball Team in Thonon. Ich brauche Sport und andere Menschen. Ganz dringend. Der Koordinator dort antwortet mir sehr schnell und es scheint kein Problem zu sein, einfach mal beim Training vorbeizuschauen. Wäre da nur noch die Frage, wie ich immer nach Thonon komme. Aber vielleicht ergibt sich da ja auch eine Fahrgemeinschaft.
Beschwingt geht es ins Centre. Natürlich holt uns T. Aber erst nach einer 15-minütigen Verspätung ab. Er hat mir eine Karte der Umgebung mitgebracht und erklärt mir lange, welche Wanderungen und Radtouren schön sind. Während ich begeistert am Planen bin, was ich am Wochenende alles machen könnte, lächelt M. Nur sehr gequält. Wandern passt jetzt nicht so ganz in seine Vorstellungen eines schönen Wochenendes.
In Orcier spiele ich mit den Kindern zum dritten Mal in dieser Woche „Chef d'orchestre“. Erstaunlicher Weise können sie sich immer wieder für das Spiel begeistern. Außerdem passe ich höllisch auf, dass ich den Kindern bzw. ihren Händen nicht zu nahe komme und mit meinen Händen in mein Auge gehe. Eine Bindehautentzündung reicht mir dann doch erst einmal.
Nach TAP begleiten wir T. Noch zu einer Schule in Thonon. Es handelt es sich hierbei um eine weiterführende Schule. Und leider liegt M. Mit seinen Erwartungen an die Schüler nicht so sonderlich falsch. Außer flüchtig beim Schüleraustausch, an dem aber auch nicht ich, sondern eine Freundin von mir teilgenommen hat, habe ich keinerlei Kontaktstellen mit französischen Jugendlichen vorzuweisen. „Jogginghosen, Asi-Style und laute Musik“ fasst M. Auf der Fahrt zur Schule zusammen, was mich erwarten wird. An der Schule angekommen bin ich überrascht, dass zumindest vom Kleidungsstil M.s Bechreibung ziemlich gut auf die Jugendlichen passt. Beinahe bin ich etwas enttäuscht, dass sich manche Klischees erfüllen. Aber was zählt sind ja bekanntlich die inneren Werte. Und schließlich bin ich ja auch nicht zum Freundschaftenknüpfen, sondern zum Flyerverteilen hier. Jeder von uns dreien stellt sich vor einen Bus und drückt den Kindern einen Flyer in die Hand. Eigentlich bieten wir vom Centre nur Betreuung für 2 bis 10-jährige Kinder an. Samstags gibt es aber auch immer Aktivitäten für 12- bis 15-jährige. Dann wird beispielsweise Ski gefahren (natürlich nur im Winter) oder T. Geht mit den Jugendlichen Bowlen.
Leider verteilen wir nicht so viele Flyer, sodass wir noch im Sekretariat ein paar deponieren. Danach geht es über eine kleinen Irrfahrt zur Post (hier wurde mein Pakte hin geliefert, da wir nicht zu Hause waren, als es bei uns in der Wohnung ankam) nach Hause, wo ich erst einmal freudig mein Päckchen auspacke. Und obwohl das Paket mit einem roten Warnklebeband „Tabakwaren“ zugeklebt ist, erwarten mich nicht Unmengen an Zigaretten. An dieser Stelle sollte man auch noch hinzufügen, dass ich eine felsenfeste und sehr überzeugte Nichtraucherin bin. Das macht mir hier teilweise auch etwas Probleme. Beispielsweise, wenn unsere Kollegin, wenn sie uns abholen kommt, im Auto beginnt zu rauchen. Ich spüre sofort, wie sich mein Hals zusammen zieht. Aktivrauchen ist nichts für mich. Passivrauchen auch nicht... Generell scheinen hier aber alle zu rauchen. Ich finde das etwas paradox. Viele der Franzosen fahren täglich in die Schweiz, weil sie dort mehr Geld verdienen als in Frankreich. Und gleichzeitig schmeißen sie das Geld für Zigaretten aus dem Fenster. Aber gut, jedem das Seine.
Zurück zum Paket. Neben einem Teevorrat, der vermutlich für das nächste halbe Jahr reichen wird, einem Vlies zum Unterlegen für meinen einen Teppich und brauchbarem Nagellack (der Nagellack hier besitzt leider nur zwei Eigenschaften: Er hält maximal für drei Tage und kostet ein Vermögen), werde ich auch noch mit sehr nützlichen Fahrradspanngurten ausgestattet.
Freitag, 25.09.2015
Ich gehe mal wieder Joggen und wage mich mit Jacques an meiner Seite in den mysteriösen Wald. Aufmerksame Leser können sich vielleicht daran erinnern, dass ich direkt am zweiten Tag hochmotiviert joggen gehen wollte. Der Wald hier unterteilt sich in zwei Teile. Der eine Teil liegt links und oberhalb von meinem Zimmer, der andere Teil rechts und unterhalb. Bei ersterem handelt es sich um den Teil des Waldes, der zum Joggen sehr gut geeignet ist, da man nicht immer aufpassen muss, dass man nicht über Wurzeln stolpert, aber leider auch um den Teil, in dem ich mich natürlich prompt verlaufen habe. Nun wage ich aber einen neuen Versuch. Da Jacques Nase uns bereits bei der letzten Runde nach Hause gebracht habe, verlasse ich mich voll und ganz auf „meinen“ Vierbeiner. Selig trabe ich ihm hinterher. Als wir wieder im Chalet ankommen, kann ich nur wieder staunen, wie gut das mit uns beiden klappt. Ich habe vielleicht noch keine anderen Leute – außer M. - in meinem Alter hier kennengelernt, aber ich habe Jacques. Und das ist ja schon mal was.
Auf der Arbeit passiert nichts Weltbewegendes. Es sind mal wieder Leute zu Besuch. So weit ich das richtig verstehe, geht es um den Ersatz für T., da er bald in Vaterschutz gehen wird. Allerdings nur für ca. zwei Wochen. Und eine neue Sekretärin ist auch schon eingestellt.
Kurz bevor wir nach Orcier aufbrechen, befördert T. Wieder eine Karte zu Tage und erläutert mir lange und ausführlich, welche Wanderungen schön sind und welche Fahrradtouren sehr bergig sind. Die Karte darf ich mir sogar ausleihen. In Gedanken besteige ich schon beinahe am Wochenende den Mont Blanc. Ein Blick auf M. Verrät mir aber, dass er davon nicht so sehr begeistert ist. Aber um meine Schnapsidee nochmals aufzugreifen: Zum Mont Blanc würde ich innerhalb meiner Zeit hier wirklich gerne mal...
Bei TAP spielen die Kinder wieder verrückt und begreifen nicht, dass sie „Ochs am Berg“ vollkommen falsch spielen. Ich habe es aber mittlerweile aufgegeben die Regeln zu erklären. Letztendlich werden die Spiele von den Kindern immer anders umgesetzt, als sie gedacht sind. Als wir nach Schulschluss dann auch J.s „Goute“ - den Indikator, dass er noch nicht abgeholt wird, sondern noch in der Schule bei der Garderie bleibt – in einer kleinen Seitentasche seines Hunderucksacks gefunden haben, machen sich T., M. Und ich in Windeseile auf den Weg zu einer anderen weiterführenden Schule. Es gibt allerdings zwei eher suboptimalen Aspekte: 1. Wir sind spät dran und es ist viel Verkehr, 2. Die Schule ist weit entfernt. Obwohl T. Auch durch die Ortschaften mit 90 Sachen rast, kommen wir erst um fünf nach fünf an der Schule an. Dumm gelaufen. Die Schule hört um fünf auf und die Kinder sitzen schon im Bus. Sich davor stellen und warten, dass noch jemand einsteigt, macht darum wenig Sinn. Kurzer Hand stürzt sich T. In den Bus und verteilt drinnen Flyer.
Zurück darf ich dann den Mini-Bus fahren. Wir haben schließlich keinen Zeitdruck. Da macht es dann auch gar nichts, dass ich mich – gefühlt als Einzige – an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halte und einem Fußgänger am Zebrastreifen den Vortritt lasse. In Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Hier guckt mich die Dame nur überrascht, glücklich und auch etwas verschreckt an. Herrje, wozu sind Zebrastreifen denn sonst da? T. Erklärt mir, dass man rein theoretisch wirklich immer anhalten sollte. In der Praxis tut das nur beinahe keiner der Franzosen. Komisch, komisch. Nach einem kurzen Telefonat mit L. Hat T. Eine gute Nachricht für uns: Wir dürfen den „Mini“-Bus über das Wochenende behalten. Spaßeshalber denke ich an den Mont Blanc. Als wir T. Am Centre absetzten (natürlich erst nachdem ich den Bus drei Mal abgewürgt habe. Das erste Mal Abwürgen, dann auch noch drei Mal und dann auch noch, wenn wir den Bus dann ein ganzes Wochenende haben sollen. Schlimmer geht es ja eigentlich nicht. Sollte man meinen. Ich kann aber beruhigend sagen: Doch, es geht noch schlimmer! Und zwar, wenn man den Bus am Berg an der Einfahrt zum Centre abwürgt. Anfahren am Berg ist mit diesem Schwergewicht von Fahrzeug beinahe unmöglich. Selbst die Handbremse kann nur mäßig verhindern, dass man rückwärts den Berg hinunterrollt. Mit ziemlich großer Angst denke ich an die schneereiche Zeit, die uns hier noch erwartet. Mir wird eiskalt), fällt M. siedend heiß ein, dass der Bananen-Sahne-Kuchen, den er am Montag als Geburtstagskuchen mitgebracht hat, noch im Kühlschrank steht. Ich bin etwas irritiert. Zum einen hält sich Sahne meines Wissens nicht so lange, zum anderen, warum ist der Kuchen nicht schon längst von unseren Kollegen verputzt worden? So hat M. aber für das Wochenende noch ein Viertel Bananenkuchen. Auf der Rückfahrt fühle ich mich in bisschen so, wie als ich zum ersten Mal ganz alleine Auto gefahren bin. Aber es klappt alles gut. Sogar das Einparken. Und ich bin stolz.
Abends skype ich mit meiner Familie und freue mich, dass dort alles beim Alten geblieben ist. Es macht mir nur zu schaffen, dass mein Bruder sich laut meines Vaters eine To-do Liste geschrieben hat, was er am Wochenende alles für die Schule machen möchte. Zum Glück ist meine Fassungslosigkeit nicht umsonst: Irgendwann stellt sich heraus, dass es sich bei der Aussage um einen „lustigen“ Spaß meines Vaters handelt. Wie gesagt, alles beim Alten.
Nach köstlichen Bratkartoffeln und einer Wegschmeißaktion eines ganzen Sacks Kartoffeln (Keime sind nicht gut. Schon gar nicht, wenn sie alle ca. einen Zentimeter lang sind. M. Hält das aber trotzdem nicht davon ab, sie verarbeiten zu wollen. Ich mache aber ganz schnell klar, dass ich nicht an einer Kartoffel-Keim-Krankheit sterben möchte.), wage ich mich mal an meinen Fernseher. Verzweifelt versuche ich einen Nachrichtensender zu finden, scheitre aber. Letztendlich lande ich bei Navi CIS und einer Dokumentation über amerikanische Cops, die Hanfplantagen im Urwald suchen. Höchst interessant. Ich verstehe nur die Hälfte und bin beruhigt, dass das Fernsehen hier genauso niveaulos ist wie zu Hause. Nur ein markerschütterndes „Rooooooobert!“ fehlt mir.
Samstag, 27.09.2015
Da M. Sich nicht ganz pässlich fühlt, mache ich mich alleine auf den Weg. Ich wähle zwischen den Wanderrouten und Radtouren meinen Drahtesel. Ganz alleine möchte ich dann doch nicht durch den Wald traben. Ohne Jacques. Wer soll mir da schließlich den Weg zeigen?
Ich beginne die umliegenden Käffer abzufahren, halte immer überall, schaue mir die Kirchen und Kappelchen an (alle leider verschlossen) und studiere eingängig die Aushänge an den Rathäusern.
Von l'Ermitage aus, kämpfe ich mich den Berg hoch nach Lonnaz. Zwischen Kühen und einem Campingplatz entdecke ich Armoy. Dort gibt es aber nur eine Metzgerei. Das falsche Geschäft für mich. Das Örtchen ist aber sehr süß. Die Häuser vereinen Heruntergekommenheit, aber auch eine unbeschreiblich süße Liebe zum Detail. Insbesondere ein Haus tut es mir an. In Gießkannen stehen in den Fenstern wunderschöne Blumen. Rosafarbene, blaue und gelbe. Das erinnert mich daran, dass ich mir auch noch etwas Grünes für mein Zimmer besorgen wollte. Ein kleines Pflänzchen. Bis jetzt habe ich aber noch kein offenes Blumengeschäft gefunden.
Von Armoy geht es an der einen Schule, an der wir am Mittwoch die Kinder eingesammelt haben, weiter nach Lyaud. In einer Bistro-ähnlichen Kneipe, die merkwürdiger Weise auch ein Postshop mit integriertem Lotteriespielangebot ist, erstehe ich Briefmarken. Meine gesuchte Nano SIM Karte finde ich leider auch hier nicht. Ich laufe etwas ziellos durch den Ort und entdecke eine beschriebenes Bettlaken, das von einem Balkon herunter hängt. Wörtlich übersetzt steht dort: „Langsam fahren“. Oh ja, dass sollten die Leute hier sich mal wirklich zu Herzen nehmen. Ich entdecke ein Wanderschild. Bis zum nächsten Ziel wären es 1,5 Stunden. Das könnte ich schaffen. Allerdings sieht es so aus, als ob es bald anfängt zu regnen. Und ich habe mein Fahrrad nur sehr provisorisch abgeschlossen. Also vielleicht doch nicht so eine gute Idee.
Ich fahre weiter über Orcier, Draillant, bis nach Perrignier. Perrignier hatte ich irgendwie größer im Kopf. Als ich auch hier keinen Tabakladen finde um nach einer SIM Karte zu fragen, gebe ich auf und fahre nach Allinges zu unserem Stammsupermarkt. Nach einem erfolgreichen Einkauf, verschnaufe ich bei einem Kaffee.
In der Wohnung angekommen beginnt eine intensive Skypephase. Erst testet nun meine andere Oma das Wunder der Technik, danach berichten meine anderen Großeltern von ihrem Urlaub, aus dem sie mir sogar eine Karte geschickt haben. Zwischendrin backe ich Brot und esse Abendbrot. Danach geht es weiter und ich skype mit einer Freundin. Danach bin ich glücklich, müde und mein Hals tut mir weh. Skypen ist zwar immer schön, aber es sind doch immer sehr viele Infos, die mein Köpfchen verarbeiten muss. Und ich bin es nicht mehr so richtig gewohnt, drei Stunden am Stück zu reden. Dies ist aber bei besagten Telefonaten häufig der Fall, da es aus mir nur so heraussprudelt. Ob die Halsschmerzen ein Resultat des vielen Redens sind oder daher kommen, dass ich meine Regenjacke beim Radfahren nicht anhatte, sei mal dahin gestellt. Leider halten sie aber bis zum nächsten Tag an. Doch da meine Lieben mir ja ganz viel Tee zugeschickt haben, bin ich optimistisch, dass ich die Halsschmerzen ganz schnell wieder los werde.