Der Beginn eines Romans: Teil 4 – Das Leben ist ein Festival (Part 1)
In Edinburgh ist Festivalzeit, sodass Sanne die letzten Wochenenden permanent dort war. Durch ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk erlebte sie zwei besonders mitreißende Stunden.
Bunt, laut, abwechslungsreich.
Das ist Edinburgh im Sommer.
Der Grund ist ganz einfach: Es ist Festivalzeit! Theater, Jazz, Oper, Musical, Politik, Comedy. Es ist für jeden was dabei. Garantiert!
Die letzten Wochenenden war ich permanent in Edinburgh, um so viel wie möglich von dieser gigantischen Atmosphäre aufzusagen.
Let’s get it started!
Am 2. August startete das "Fringe – Festival", das eigentlich das größte Angebot an Veranstaltungen und auch viele kostenlose Shows im Überfluss hat. Man braucht aber nicht unbedingt das fast 300 – seitige Fringe-Heft zudurchstöbern und sich den Kopf zuzuerbrechen, welche Show die Beste ist.
Man bekommt auch schon genügend Entertainment auf der Straße. Am 2. August gab es eine große Parade entlang der Princess Street. Da ich aber nicht so der Paraden-Freund bin, hat mich das nicht sonderlich vom Hocker gerissen.
Zusammen mit Sahla kämpfte ich mich durch die Massen zur Royal Mile, der Strasse, die zum Castle führt. Und ohne groß suchen zu müssen, fanden wir auch schon den ersten Künstler an der Straßenecke, einen Gitarre spielenden Komiker, der auf sehr amüsante Weise für seine Show warb.
Danach begaben wir uns ins große Getümmel, wo ein einziger Werbekrieg geführt wurde und Passanten mit Flyern bombardiert wurden. Ich hatte allerdings Glück, da ich zwischen der ganzen Werbung noch ein Free-Ticket für ein Theaterstück ergattern konnte.
Nachdem wir uns einige Strassenkünstler angeschaut hatten (Jongleure, Sänger & andere Musikanten, Komiker), musste Sahla leider zurück zur Arbeit. Also begab ich mich allein auf Nahrungssuche und dann zu dem Theaterstück.
Für "Motherland" – so der Titel des Stückes – wurden diverse Frauen interviewt, die Kinder, Freunde, Bekannte im Krieg im Iran/Irak verloren haben. Und das wurde zu einem Schauspiel zusammengefasst, das mit einer simplen Kulisse wirklich professionell und brillant wiedergegeben wurde.
Keep me busy
Das Wochenende darauf war ich wieder in Edinburgh. Am Samstag bin ich direkt von der Arbeit in die Stadt, um einen Freund zu treffen und mit ihm gemeinsam durch die Pubs zu ziehen.
Gegen halb drei landete ich dann in meinem Bett, um fünf Stunden später wieder aufzustehen und zum Gottesdienst zu gehen. Dort wurde ich auch prompt zum Mittagessen bei den Grahams eingeladen, da Mairi und Ian aus dem Urlaub zurück waren.
Zu gut gefüllt machte ich mich am Nachmittag auf den Heimweg. Nach dem Vorfall bei den Nachbarn (siehe Bericht Teil drei) gleich nach Edinburgh, um Sahla zu treffen.
Nach einem leckeren Abendbrot in der Community machten wir uns mit fünf anderen Freiwilligen von ihrem Projekt auf den Weg zu einem Comedy-Club. Nach teilweise guten und teilweise doch recht schlechten Witzen, beschlossen Sahla, Emilie (Sahlas Freundin aus Frankreich) und ich, noch tanzen zu gehen. Mit einem Zwischenstop bei Burger King, da meine zwei Begleiterinnen schon wieder Hunger hatten.
Dort trafen wir auf einen obdachlosen Mann, dem wir etwas von unserem Essen abgaben und mit dem wir ein bisschen schwatzten. Gary, so stellte er sich uns vor, hat ein super Talent, um Portraits zu zeichnen, und malte auch gleich drauf los, um unsere Gesichter auf Papier zu bringen.
Gary war kein Alkoholiker, das konnte man sehen und auch riechen. Er war einfach nur ein alter, unglaublich verwirrter, aber wahnsinnig intelligenter Mann, der irgendwann mal an einer Lebenskreuzung den falschen Weg gewählt zu haben scheint.
Es tat mir Leid, ihn so zu sehen, und in dem Moment nicht wirklich helfen zu können. Ich gab ihm die Wegbeschreibung zum billigsten Hostel in Edinburgh, ohne daran zu denken, dass es wegen dem Festival wahrscheinlich ausgebucht ist.
Nachdem wir uns von Gary verabschiedet hatten, gingen wir ins "El Barado", einen Salsaclub in den Sahla und Emilie wollten. Ich gab mich geschlagen, obwohl ich keinen Schimmer hab, wie man Salsa oder andere Lateinamerikanische Tänze tanzt.
Nachdem wir schon eine Weile getanzt hatten (ich versuchte, mich nicht völlig unrhythmisch zur Musik zu bewegen) machten wir eine kleine Verschnaufpause an der Bar, wo mich der Barkeeper doch gleich zum Tanzen aufforderte, ich aber dankend ablehnte. Allerdings kurze Zeit später bekam ich von seinem Kollegen seine Handynummer zugesteckt.
Ich schätze, er hatte Mitleid mit mir, weil ich so furchtbar schlecht war! ^^ Ein anderer Typ beschloss kurz darauf, auch mit mir zu tanzen. Salsa und Merengue. Meine Güte, ich weiß ja nicht einmal wie man das richtig schreibt, wie soll ich es da tanzen können!?
Gegen 3.30 Uhr beschlossen wir, uns auf den Heimweg zu machen. Vom Regen durchnässt und vom Tanzen völlig fertig fielen wir gegen vier Uhr ins Bett.
Nach fünf Stunden Schlaf waren wir auch schon wieder auf den müden Beinen, da die beiden Mädels mit mir nach North Berwick kommen wollten. Nachdem ich den beiden meinen Wohnplatz gezeigt hatte und ein kleines Gespräch mit den Kriminalkommissaren im Nachbarhaus geführt hatte, machten wir uns auf den Weg zur Highstreet und dann zum Strand, wo wir uns gegen zwölf Uhr ein Frühstück gönnten.
Nachdem wir etwas durch die Geschäfte geschlendert sind, quasselten wir zu Hause noch gemütlich bei einer Tasse Tee und dann mussten die Beiden auch schon zurück nach Edinburgh.
Auch ich musste mich fertig machen, da ebenso dieser Abend dem Festival gewidmet wurde. Saarje hatte mir als vorzeitiges Geburtstagsgeschenk eine Karte für den "Soweto Gospel Choir" geschenkt, der mich wirklich vom Hocker gerissen hatte! Was uns geboten wurde waren zwei Stunden ununterbrochener Gesang, Tanz und somit ein Stück afrikanische Kultur und Lebensfreude!
Als einzige in der Gruppe mit christlichem Glauben, hatte ich natürlich einen anderen Bezug zu den Liedern. Doch Saarjes Freundin meinte, diese Musik lasse einen wirklich glauben, dass es da einen Gott gibt.
Da war so viel Freude, soviel Gefühl, es musste einen einfach mitreißen (und die Freudentränen in die Augen treiben). Nach dem Konzert gingen wir noch eine Kleinigkeit essen. Und so ließ ich ein aufregendes, abwechslungsreiches Wochenende gemütlich ausklingen.