Der Anfang vom Ende
Darüber, dass Neues entsteht wenn Altes endet. Über Zukunftsgedanken und Momente in der Gegenwart. Über den Anfang vom Ende.
Zu Beginn meines Freiwilligendienstes in Schweden hatte ich 12 ganze Monate vor mir. Als ich nach meinem Weihnachtsbesuch zuhause wieder in Åmål ankam, waren bereits 4 Monate verstrichen und ich bestaunte, wie schnell die Zeit doch vergeht. Es hieß immer: “Wow, jetzt ist schon ein Viertel des Jahres um.“ oder „Kaum zu glauben, dass wir schon 5 Monate hier sind.“ Ab einem bestimmten Punkt während der letzten zwei Monate hat sich die Art zu zählen nun aber geändert. Seitdem heißt es: „Jetzt bleiben uns hier nur noch 4 Monate.“ oder „Nur noch der Sommer und dann wohnen andere Freiwillige hier.“ Hinter mir liegen viele tolle Erlebnisse, viel Neues, das ich gelernt habe, aber meine Heimreise Ende August lässt sich mittlerweile nicht mehr so einfach aus dem Blickfeld schieben. Die ersten Bewerbungen für die Uni stehen an und die Frage, wie es nach meinem Freiwilligendienst weitergeht, rückt immer mehr in den Vordergrund.
Auch wenn während der letzten zwei Wochen viel zu tun war, wanderten meine Gedanken immer wieder zu den Unterlagen, die ich noch für die Unibewerbungen benötige. Reicht mein Abiturzeugnis als Nachweis meiner Englischkenntnisse aus oder brauche ich ein Sprachzertifikat? Was kommt in den Text über meinen Freiwilligendienst? Wo und bis wann muss alles im Internet hochgeladen werden? Obwohl ich an die ganze Sache sehr entspannt heran gehe - mich drängt ja nichts, sofort ein Studium anzufangen und am Ende kommt eh vieles anders als geplant - hat mein Kopf in dieser Hinsicht gewissermaßen ein Eigenleben entwickelt. Und so scheinen die letzten 3,5 Monate hier eigentlich schon den Monaten danach Platz zu machen. Manchmal wäre so ein Schalter für den Kopf schon recht praktisch: An, aus, an, aus…
Leider oder viel mehr zum Glück - die Vorstellung, einfach ausgeschaltet zu werden, überlasse ich doch lieber düsteren Zukunftsvisionen - gibt es diese Möglichkeit nicht. Um einfach mal abzuschalten und wirklich nur ans Hier und Jetzt zu denken, haben für mich aber auch die Ostertage gereicht. Ich meine, wer braucht schon dystopische Technik, wenn er zwei tolle Drillingsgeschwister und die beste Cousine der Welt hat? Während Jonas die Feiertage in Warschau verbrachte und Erica sich in Berlin übers lange Wochenende mit Freunden traf, nutzten meine Geschwister, meine Cousine und ich die Zeit in Åmål, um wandern zu gehen, uns Tattoos stechen zu lassen und Beachvolleyball zu spielen. Die Ostergeschenke versteckten wir auf den Felsen direkt am See und einen leckeren selbstgebackenen Streuselkuchen gab es obendrauf auch noch. Das Highlight war dann aber mit Abstand der Dienstagabend. Mit Keksen und Schlafsäcken bewaffnet, saßen wir beim Sonnenuntergang in typisch schwedischer Kulisse und warteten auf die ersten Sterne. Das Zauberwort hieß dabei Geduld, denn auch wenn die Sonne 20:30 Uhr unterging, war ein wunderschöner Sternenhimmel erst gegen 22:30 Uhr zu sehen. Unser Warten machten sich aber bezahlt und wurde mit mehreren Sternschnuppen belohnt, die wir jedes Mal mit einem kurzen Aufschrei kommentierten.
Aber auch die Wünsche, die wir vier an diesem Abend den Sternen mit auf den Weg gegeben haben, hatten, wie sollte es anders sein, etwas mit unserer Zukunft zu tun. Meine Zeit hier in Schweden wird in wenigen Monaten enden und vielleicht werden einige der Wünsche bis dahin in Erfüllung gehen. Andere brauchen Zeit oder eine andere Umgebung. Dem Ende meines Freiwilligendienstes sehe ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge entgegen, denn nur wenn etwas Altes vorbeigeht, kann etwas Neues beginnen. Veränderungen können schmerzhaft sein, aber sie bieten immer wieder neue Möglichkeiten. Und wer weiß schon, was noch alles auf mich wartet? Bis es so weit ist, stehen jedenfalls noch eine ganze Menge an Abenteuern und neuen Erfahrungen an und mit diesem schönen Anfang vom Ende werde ich auch noch den Sommer in Åmål genießen.