Day after day
Lotti lernt jeden Tag ein Stück mehr vom Leben in Belgien kennen und ist zufrieden. Ihre erste Sightseeing-Tour hat sie auch schon hinter sich gebracht.
Die Tage gehen so dahin. Morgen bin ich drei Wochen hier. Drei Wochen, dass sind die halben Sommerferien! Man merkt es gar nicht wirklich und ging die Zeit jetzt schnell oder langsam vorbei? Die Zeit war voller und ganz anders, das kann man auf alle Fälle feststellen!
Dieses Wochenende war mein Vater da und ich habe an zwei Tagen so viel Sightseeing gemacht, wie ich die ganze Zeit bisher nicht gemacht habe. Kann jetzt auch endlich von meinem Besuch des Brüssler Atomiums berichten...yeah!
Ich lebe mich hier so langsam ein, habe ein neues Schränkchen für mein Zimmer bekommen und die Plakate meiner Vorgängerin sind abgehängt und durch Postkarten meinerseits ersetzt. Das Zimmer strahlt eine heimische Unordnung und Chaos aus und mittlerweile weiß ich wo Teller, Messer, Deckel und Quirl in der Küche sind. Ich kenne das Mülltrennungssytem (blauer Sack für Konserven, Büchse, und Plastikflaschen; gelber Sack für Papier; und weißer Sack für den Rest), das ein wenig sinnlos und konfus ist, meiner Meinung nach. Ich weiß mit welcher Tram vor der Haustür ich wohin komme, nur weiß ich die Uhrzeiten noch nicht genau und komme regelmäßig zu spät oder viel zu früh an. Ich habe einen Überblick über das Gässchengewühl in der Brüssler Innenstadt bekommen. (Und ich weiß wo die fünf h&m's in der rue neuf sind...) Ich weiß was basteln, Klebestreifen, Krake, Wal, Verlangsamen und Verplastiken auf Französisch heißt. Ich kenne meinen Supermarkt und bald werde ich bestimmt eine Treuemarke oder einen Sonderrabatt bekommen, so oft wie ich dort bin und so oft wie ich schon hilflos nach etwas gefragt habe: Wie zum Beispiel fragt man nach Backpapier, wenn man keine Ahnung hat, was das heißt und, das ist die entscheidendere Frage, wie beschreibt man Backpapier mit dem vorhandenen Vokabular? Besonders nett sind meine Versuche das deutsche Wort dann einfach mit holländischem Akzent auszudrücken...aber besonders hilfreich ist das nicht... (Backpapier heißt übrigens papier cuisson) Und langsam verstehe ich auch die Anordnung in diesem riesigen Ding. Ich kenne zwei deutsche Freiwillige und die sind sehr nett. Ich weiß immer noch nicht genau was ich in der Organisation mache, aber ich weiß, dass es bis jetzt sehr abwechslungsreich ist. Angefangen vom Zusammenbau eines Schrankes, über das Erstellen eines Plakates, Basteln eines Pappmaschébechers und Besorgen von Draht,...
Aber ich bin zufrieden und oft auch glücklich. Es sind diese Momente: Du sitzt allein in einem Park, die Sonne scheint, du beobachtest Menschen und du bist stolz auf dich, du fühlst dich erwachsen, neuen Herausforderungen gewachsen und einfach nur so verdammt gut. Natürlich kommen dann auch oft die Gedanken wie, wenn jetzt noch deine Freunde hier wären, dann…, aber ich bin ein recht guter Verdränger, sodass meistens nur der Gedanke und das Gefühl von Glück bleiben.
Ich hoffe, dass es so bleibt und noch besser wird. Meine größten Ängste sind zurzeit der Herbst und der Winter. Gestern regnete es kurz und auch heute und was mache ich wenn kein schönes Wetter ist, zum Beispiel Freitag- und Samstagnacht, beim Warten auf meine erste Bahn gegen sechs Uhr morgens? Irgendwie muss ich mir da noch was einfallen lassen, ich kann nicht immer erst um sieben am Wochenende daheim sein, das will ich auch gar nicht. Vielleicht ein Moped kaufen? Muss mal sehen. Bis dahin euch allen viel Glück