Das Lied von Eis und Langlaufskiern
Heute stelle ich euch eine coole Erfindung Polens und Ostdeutschlands vor - zweiwöchige Winterferien - und was man in dieser Zeit alles machen kann.
Moin moin! Heute ist der letzte Ferientag in Lebus, der polnischen Woiwodschaft, in der auch Żary liegt, sowie der letzte Ferientag in Kleinpolen und in Sachsen. Warum das wichtig ist? Dazu kommen wir noch. Ferien hatte ich natürlich nicht, im Gegensatz zu Johanna, die erst einen Sprachkurs in Krakau gemacht und dann noch nach Hause gefahren ist. Heute kommt sie wieder und wir haben uns sicher viel zu erzählen. Trotzdem war es bei mir in diesen zwei Wochen nicht langweilig: In der ersten Woche gab es das große Ferienprogramm für Kinder im OKiB. Etwa 30 Kinder aus der Umgebung wurden mit Spielen, Ausflügen in Trampolinpark und Schwimmbad und schließlich einer Karnevalsparty beschäftigt. Das hat sehr viel Spaß gemacht und ich hab einige der Kleinen sofort ins Herz geschlossen.
Ein Mädchen mit Zahnlücke hat jedes Mal begeistert deutsche Wörter wie "Katze!" und "Ente!" gerufen, wenn sie mich gesehen hat und auch eine Rothaarige mit einem leicht abgedrehten Bruder hing ständig an mir dran. Unterstützung bei dem Ganzen bekamen wir von Krzysztof, der ebenfalls Ferien hatte und die Woche bei uns verbrachte. Mit seinen achtzehn Jahren war er rechtlich gesehen wertvoller als ich und konnte die Kinder außerdem mit Disney-Songs auf der Ukulele erfreuen. Ein bisschen deprimierend war es schon, zu sehen, wie er sich sofort mit allen Mitarbeiterinnen anfreundete, mit denen ich sonst kaum ein Wort wechseln konnte. Zwei etwas jüngere Mädchen, die sonst oft beim OKiB mithelfen, mich aber ziemlich ignorieren, schienen plötzlich unsere besten Freundinnen zu sein. Sie wollten uns sogar in Żary einen Besuch abstatten, wozu es dann aber doch nicht kam. Es kam mir so vor, als sei ich nur interessant für sie, wenn ich einen Jungen dabei hab, was mich schon etwas wurmte. Vor allem, dass eine von ihnen mir sofort eine Freundschaftsanfrage auf Facebook schickte, nachdem beide eine Anfrage meinerseits vor einiger Zeit abgelehnt hatten.
Am Mittwoch war nach sportlichen Aktivitäten ein großes Lagerfeuer mit Würstchen für die Kinder geplant. Da hat sich dann allerdings der örtliche Priester eingeschaltet und meinte, Fleisch am Aschermittwoch würde ja so nicht gehen. Also mussten wir spontan auf Stockbrot umdisponieren. Beim Anrühren dieser riesigen Menge Teig wurde ich tatkräftig von den Kleinen unterstützt. Und obwohl die meisten ihr Brot verbrannten, hat es letztendlich doch noch gut geschmeckt. Hier nochmal der Hinweis: Auf der OKiB-Facebookseite gibt es wieder viele Fotos, ein Teil davon auch von mir gemacht. Schaut mal rein! Nun aber zum noch spannenderen Teil. In der zweiten Ferienwoche, von Sonntag bis Freitag, durften Sonja und ich als Assistentinnen auf eine deutsch-polnische Winterbegegnung mitfahren! Das heißt: Zwölf Jugendliche zwischen 11 und 17 Jahren aus der Umgebung sind mit Christoph, einem anderen Betreuer namens Steffen und uns ins polnische Gebirge nahe der tschechischen Grenze gefahren. Dort haben wir uns drei Tage lang dem Langlauf gewidmet und konnten unsere Aktivitäten am vierten Tag selbst aussuchen. Übernachtet haben wir die meiste Zeit in einer ziemlich gemütlichen Hütte, leider war nur die Dame des Hauses ein ganz schöner Drachen.
Ständig wurden wir wegen irgendwelcher Kleinigkeiten angefahren und da war es völlig egal, ob man nun Polnisch verstand oder nicht. Die Sache mit der Sprache war manchmal schwer, für mich aber gleichzeitig total hilfreich. Unter den Teilnehmern gab es nur ein zweisprachiges Mädchen, einige konnten nur sehr wenig, die meisten allerdings gar nicht. Also musste ich oft auf Polnisch kommunizieren, wovor ich aber gar keine Angst hatte; hier war ich nicht die Einzige mit dem Verständigungsproblem, es ging schließlich allen so. Sonjas und meine Aufgaben waren vor allem, uns um das Mädchenzimmer zu kümmern, den Frühstücksteams zu helfen und auch mal das Abendprogramm zu gestalten. Manchmal haben wir den Altersunterschied schon deutlich gemerkt, sei es in der nächtlichen Lautstärke im Zimmer, in der schier grenzenlosen Energie der Teenager oder im Süßigkeiten- und Chipskonsum. Oft hat es aber auch kaum einen Unterschied gemacht, vor allem bei den deutschen Jungs, weshalb wir die meiste Zeit mit denen verbracht haben. Es war das erste Mal auf Langlaufskiern für mich wie für die meisten anderen auch, was eine ganz schön wacklige Angelegenheit war. Es hat schon Spaß gemacht, normale Wanderschuhe sind dann aber doch eher mein Ding.
Insgesamt haben wir nach einem Tag des einsamen Langlaufs festgestellt, dass es viel besser funktioniert, wenn man mindestens zu zweit ist. Dann ist man zwar nicht unbedingt schneller, aber es macht viel mehr Spaß. Sonja und ein sächsischer Junge namens John-Pierre (eigentlich wird er nur John genannt, aber ich finde diesen Namen immer noch unfassbar lustig, sorry, John) waren schon bald ein Herz und eine Seele trotz oder gerade wegen ihrer Grundverschiedenheit. Das heißt, sie lagen sich die meiste Zeit wegen irgendetwas in den Haaren, was dann unter anderem durch heftiges Kitzeln ausgetragen werden musste. Mein Laufpartner war zugleich der neue Freiwillige in unserer Gruppe, Florian, der seit Anfang des Monats in einer Schule in Zielona Góra arbeitet (außerdem ist er auch erst 17... Team Grauzone hat Zuwachs bekommen). Gefreut habe ich mich außerdem über Zuzia, ein polnisches Mädchen, das mit mir den Englischunterricht besucht, mit dem ich aber noch kaum gesprochen habe. Es wurde zu einem Ritual, dass ich ihr morgens die Haare zu Zöpfen flocht und dafür später ein Stück Schokolade bekam. Außerdem erschiene es mir falsch, Jannik nicht zu erwähnen, gleichzeitig ist es aber schwer, ihn jemandem zu beschreiben, der ihn nicht kennt. Zusammengefasst: Jannik ist ein Dreizehnjähriger, der in so ziemlich jeder Hinsicht anders tickt als wir anderen und auf jeden Fall dafür gesorgt hat, dass es nie langweilig wurde. Vor allem für uns als Betreuerinnen nicht. So, das war jetzt ziemlich nett ausgedrückt.
Am Dienstag machten wir uns auf zu einer Tagestour zu einer anderen, recht abgelegenen Hütte. Dort gab es leckere Pfannkuchen und nur wenig Licht. Passend also für ein klassisches Werwolfspiel. Überraschenderweise kannte fast keiner das Spiel und ich war ein wenig nervös, ob es mit den komplizierten Regeln und der Zweisprachigkeit klappen würde. Was dann passiert ist, hat mich aber ziemlich umgehauen: Alle hatten Riesenspaß dabei und wir haben sechs Stunden lang gespielt, bis ein Uhr morgens. Und am nächsten Tag wollten sie das gleich wieder! Vor der Tour am Mittwoch stand noch Handball auf Skiern und ein Miniskispringen an. An dieser Stelle sollte noch erwähnt werden, dass es wundersamerweise keine Verletzten gab. Mein persönliches Highlight - wobei es den anderen ähnlich ging - war der Donnerstag. Die Hälfte der Teilnehmer wollte mit Christoph zum Abfahrtski, die anderen konnten sich zwischen einer Wanderung mit Sonja und mir und einem Stadtbummel entscheiden. Letztendlich war wohl nicht die Wanderbegeisterung ausschlaggebend, jedenfalls sind John, Florian und David (bitte Englisch aussprechen) mit uns auf den Nachbarberg der Hütte gestiegen. Eigentlich wollten Sonja und ich zur Elbquelle, da hat unsere Mannschaft dann aber protestiert.
Trotzdem hatten wir unheimlich viel Spaß: Wir haben uns auf halber Strecke an der "teuersten Aussichtsplattform der Welt" (Zitat John) verewigt, sind schön oft auf dem völlig vereisten Weg ausgerutscht und haben oben in einer Hütte selbstgebackene Pfannkuchen vom Morgen mit beinahe gefrorener Nutella gegessen. Die Aussicht war toll, in dem Sinne gibt es heute schön viele Fotos für euch. Für den Rückweg hatte Christoph den kühnen Vorschlag gemacht, uns einfach auf gerader Strecke durch die Bäume zu schlagen. Gesagt, getan, aber es war schon ziemlich abenteuerlich. Der Schnee war ganz schön tief, die Tannen sind uns ins Gesicht gepeitscht und David ist hingefallen, hat sich an einem Baum festgehalten, der ist gleich mitgekommen und sie sind zusammen den Hang hinuntergerutscht, was einfach wahnsinnig komisch war. Aber schnell ging es, in nur vierzig Minuten waren wir wieder unten. Ich könnte noch viel mehr erzählen, aber irgendwann ist auch mal gut. Das Wort der Woche (beziehungsweise der zwei Wochen) ist diesmal śnieg (schnjäg), was, wie ihr euch vielleicht denken könnt, Schnee bedeutet. Den haben wir im Moment in Żary zwar nicht, dafür soll es aber nächste Woche bis zu -15°C kalt werden. Brrrr! Eine schöne, hoffentlich etwas wärmere Woche wünsche ich euch!