Cette année là - dieses eine Jahr
900 Kilometer Distanz und doch so viel Verbundenheit, so viele Erinnerungen: ein Brief über das Entstehen einer Freundschaft, die Glücklichkeit und den Abschiedsschmerz
Ma chère Dora,
ich erinnere mich noch ganz genau an den Tag, an dem du im Altenheim Emmaüs-Diaconesses Koenigshoffen in Straßburg ankamst. Ich hatte bereits einen Monat lang dort gearbeitet, kannte die Kollegen, die Senioren und die groben Abläufe unserer Arbeit. Es war ein Samstag, ein besonderer Tag: la Brocante, also eine Art Flohmarkt. Schon seit Wochen arbeiteten wir auf dieses Fest hin, legten Preise für die Möbel fest und bereiteten Unmengen an Kuchen und Tartines vor. Und auch für mich persönlich war der Tag sehr wichtig, da ich nun die Person kennenlernen würde, mit der ich meine restlichen 9 Monate des Europäischen Freiwilligendienstes verbringen würde.
Um 6 Uhr morgens kamst du nach einer 12-stündigen Fahrt mit dem Bus aus Ungarn an und hattest kaum Zeit dich in deinem neuen Zuhause umzusehen. Um 8 Uhr klopfte ich dann mit einem Frühstück an deiner Tür und wir lernten uns endlich kennen. Zum Glück konnten wir beide uns relativ gut auf Französisch verständigen und nach spätestens einer halben Stunde waren wir auch einigermaßen aufgetaut und konnten bereits zusammen lachen. Später meintest du, dass ich dir ab dem Moment sympathisch war, als du dich dafür entschuldigt hast, dass du noch nicht ausgepackt hast und ich dazu nur sagte: „Keine Sorge, ich bin seit einem Monat da und mein Koffer steht immer noch herum.“ Das war wohl der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
In den kommenden Wochen kamen wir uns während der Arbeitszeit mit den Animateuren, Matthias und Tünde, beim gemeinsamen Abendessen und unserem Ritual „Café et clope“ näher. Und schon bald kam der Moment, an dem wir begannen uns ALLES zu erzählen: über unsere Familie, unsere Freunde, unsere Geschichten mit Jungs, die Schule und all das, was uns sonst noch so in den Sinn kam. Die Monate bis Weihnachten vergingen wie im Flug und auch, wenn wir uns sehr auf das Weihnachtsfest in der Heimat freuten, fiel uns der Abschied am Abend der Veillée de Noel sehr schwer. Besonders nach der stressigen, aber wunderschönen Adventszeit mit Ausflügen auf den Weihnachtsmarkt, Weihnachtsessen, Weihnachtstheater et cetera, war es für mich unvorstellbar zwei Wochen zuhause ohne die Kollegen, Senioren und dich zu verbringen.
Als wir dann im Januar wieder beide heil angekommen waren, begannen sehr aufregende Wochen. Wir fuhren zum Seminar nach Theoule-sur-Mer in Südfrankreich und verbrachten das darauffolgende Wochenende mit Lorena und Mimi in Cannes. Während es in Straßburg schneite, saßen wir bei 15° am Strand und hörten den Wellen zu. Kaum waren wir wieder im Altenheim, folgte eine der wohl arbeitsreichsten Wochen unseres Freiwilligendienstes. Für die Fête du Personnel bereiteten wir mit den Hausmeistern eine kleine „Wunderwelt des Faschings“ vor. Wir bastelten, sägten, schraubten und dekorierten den Salon passend zu den drei Themengebieten Venedig, Rio de Janeiro und Antilles. An der Feier selber tanzten und lachten wir mit den Kollegen bis in die Nacht hinein.
Aber warum erzähle ich dir das alles? Du warst ja selbst dabei und erinnerst dich bestimmt genauso gut wie ich. Also bleibt mir nichts anderes, als dir DANKE zu sagen: für lustige und ernste Gespräche, für zahlreiche Mittag- und Abendessen, für unseren wöchentlichen Freitagnachmittag-Stadtbummel, für Klatsch und Tratsch über Emmaüs, für dein offenes Ohr und für alles, was wir gemeinsam erlebt haben!
Ich war wahrscheinlich nie so traurig, wie bei unserem Abschied im Juli, da ich wusste, dass unser Jahr jetzt vorbei ist und dass wahrscheinlich niemals mehr alles so werden wird, wie es zu diesem Zeitpunkt war. Wir waren das Dreamteam, das Couple magique und keiner konnte sich Emmaüs ohne uns vorstellen.
Zum Glück gab es bereits Anfang August ein Wiedersehen am Balaton bei dir Zuhause. Es war zwar nicht ganz dasselbe, wie in Straßburg, aber dennoch habe ich die entspannte Zeit sehr genossen und ich würde viel dafür geben, dass wir es auch in Zukunft schaffen uns einmal im Jahr zu treffen. Denn auch wenn „unsere Zeit“ vorbei ist, werden die Erinnerungen für immer bleiben.
Vor zwei Wochen bin ich nach Straßburg zurückgekehrt, um Kollegen und Omis und Opis zu besuchen, da für mich der Weg ja nicht ganz so weit ist. Ich war überglücklich und es fühlte sich wirklich an, wie nach Hause zu kommen. Aber trotzdem fehlte etwas, beziehungsweise jemand: nämlich DU. Ich wurde von allen mit Fragen überhäuft: „Wo ist Dora? Wie geht es ihr? Was macht sie? Habt ihr noch Kontakt?“ Und auf diese letzte Frage kann ich mit Stolz antworten: „Ja!“
Also, ma belle, lass uns bitte einfach so weitermachen, wie bisher, lass uns in Kontakt bleiben, lass uns die schönen Zeiten niemals vergessen und ich hoffe wir können irgendwann zusammen in unsere gemeinsame Heimat zurückkehren und unsere Erinnerungen wieder lebendig machen. Wie traurig, schmerzhaft und doch normal es ist zu vergessen, haben wir im Altenheim täglich miterlebt, aber versprich mir eins: vergesse nie, wie glücklich wir waren.
Danke, köszönom, merci beaucoup. Ich hab dich so gern, szeretlek, je t’aime bien.