Bulgarien vor den Wahlen
Wahlkampf in Burgas - Wie wollen die Parteien die politikverdrossenen Bürger für sich gewinnen?
Seit einigen Tagen herrscht in Burgas frühsommerliches Wetter - Sonnenschein und Temperaturen um 25°C locken die Menschen ins Freie. Die Mutigen gehen schon im Meer baden, andere flanieren durch die Stadt oder gönnen sich an einem der vielen Eisstände ein Eis. Doch nicht nur die Eisbuden schießen wie Pilze aus dem Boden, sondern auch die Wahlstände der Parteien. Man merkt, dass die heiße Wahlkampfphase vor den Parlamentswahlen am 12. Mai angefangen hat.
In den acht Monaten, die ich bisher in Bulgarien verbracht habe, habe ich wenig Gutes über die bulgarische Politik gehört. Die Bulgaren sind von der aktuellen Politik enttäuscht, da trotz gewisser positiver Entwicklungen im Land bei den einfachen Leuten nichts ankommt. Die großen Proteste gegen die hohen Strompreise Anfang des Jahres, die die Regierung zum Rücktritt bewegten, zeigen wie problematisch die aktuelle Situation ist. Viele Bulgaren – vor allem Rentner - kommen mit ihrem geringen Einkommen kaum über die Runden.
Den Politikern wird nicht zugetraut, diese Situation zu ändern, sie seien korrupt und nicht am Wohl des Volkes interessiert. Aufgrund dieser Enttäuschung und des generellen Misstrauens wissen viele Bulgaren noch nicht, wen sie in knapp zwei Wochen wählen wollen. Egal wen man wähle, am Ende ändere sich sowieso nichts, ist eine Meinung, die ich in den letzten Wochen schon öfters gehört habe.
Wie wollen die Parteien die Bürger davon überzeugen, für sie zu stimmen? Dieser Frage bin ich nachgegangen, indem ich mit den Wahlkampfhelfern drei größerer Parteien gesprochen habe. Mich hat dabei interessiert, warum sich die Helfer für diese Partei engagieren und mit welchem Programm sich die Partei zur Wahl stellt.
Bulgarische Sozialistische Partei (BSP)
Gegen Mittag treffe ich am Stand der BSP zwei Jungs im Alter von 16 und 20 Jahren. Der ältere ist Mitglied in der Partei, der jüngere „Sympathisant“. Auf die Frage, warum sie diese Partei unterstützen, bekomme ich keine klare Antwort. Durch die Wahlkampfarbeit könne man jedoch gut Kontakte knüpfen. Bis zu den Wahlen werden die beiden jeden Tag acht Stunden lang am BSP-Stand arbeiten. Ob sie dafür Geld bekommen, wollen sie nicht sagen, deuten aber vorsichtig an, dass es eine gewisse Entlohnung gebe.
Das Wahlprogramm wird mir in groben Zügen erklärt – es soll die oben genannten Missstände beseitigen: höhere Gehälter und Renten, mehr Arbeitsplätze und mehr Export. Beim Erklären wirkt der 20-Jährige Wahlkämpfer sehr souverän - ich scheine nicht der erste zu sein, dem er das erklärt. Die Antwort auf die Frage, wie diese Veränderungen finanziert werden sollen, bleibt er mir jedoch schuldig. Am Ende werde ich – obwohl ich nicht wählen darf – mit Feuerzeugen und Kugelschreibern eingedeckt und freundlich verabschiedet.
Union der demokratischen Kräfte (UDK)
Am Stand der kleinsten der von mir befragten Partei arbeiten drei junge Frauen. Es braucht ein bisschen, bis ich mein Anliegen, einen Artikel über den bulgarischen Wahlkampf zu schreiben, klar gemacht habe. Die drei, die sich als „Sympathisanten“ der Partei vorstellen, wirken beim Beantworten meiner Fragen etwas angespannt. Sie unterstützen die Partei, weil sie gute Ideen habe und glauben, dass es wichtig sei, die Wähler über das Programm zu informieren. Auf die Frage, ob sie freiwillig als Wahlkampfhelfer arbeiten oder dafür bezahlt werden, reagieren sie etwas schockiert – dies sei ein Geheimnis.
Die Hauptpunkte ihres Wahlprogramms hat die UDK in „10 Schritten für die Entwicklung Bulgariens“ festgehalten. Im Gespräch heben die Wahlkampfhelferinnen besonders die Zerschlagung von Monopolen wie bei der Krankenkasse und eine Erhöhung der Bildungsausgaben hervor. Auch hier bekomme ich keine genaue Antwort, mit welchem Geld diese Erhöhung finanziert werden soll.
GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens)
Meine letzte Station ist der größte Stand, den ich besuche. Dort spreche ich mit einer Frau, die Sekretärin eines lokalen „GERB-Klubs“ ist. Man merkt ihr an, dass sie mehr Erfahrung im politischen Bereich hat als die anderen Wahlkämpfer. Von sich aus erzählt sie, dass sie freiwillig an diesem Stand arbeitet, jedoch einige andere Helfer für die Wahlkampfarbeit bezahlt werden. Sie engagiere sich für GERB, weil diese Partei nach ihrem Wahlsieg 2009 endlich Reformen auf den Weg gebracht hätte und sich Bulgarien durch die GERB-Regierung zum Besseren entwickelt habe.
Das Wahlprogramm der Partei trägt den Slogan „Wir haben Willen“. Schwerpunkt des Wahlprogramms sei „soziale Politik“ – man wolle Arbeitsplätze in Bulgarien schaffen, weniger aus China importieren und junge Bulgaren dazu bewegen, im eigenen Land zu bleiben, statt ins Ausland zu emigrieren. Es wird mir auch eine Broschüre mit Infrastrukturprojekten für die Region Burgas vorgestellt, allerdings ohne genauere Erklärungen, wann und mit welchem Geld, die Projekte umgesetzt werden sollen.
Eine größere Partei mit der ich nicht gesprochen habe, ist die DPS (Bewegung für Rechte und Freiheiten), da diese bis jetzt keinen Info-Stand in Burgas hat. Diese Partei sieht sich vor allem als Vertreter der türkischstämmigen Minderheit und erzielt dort auch die meisten Stimmen.