Bukarest - Das kleine Paris des Ostens
Bukarest lebt vom Kontrast – Moderne Neubauten neben verlassenen historischen Villen. Viele alte Menschen, die sich auf Parkbänken unterhalten neben Kinderhorden. Bröckelnde Straßen und blitzende Shopping Malls. Ein kleiner Eindruck aus der Metropole Rumäniens
Ich bin nun seit über einer Woche hier in Bukarest, aber es fühlt sich so, als wäre ich schon mein ganzes Leben Bewohner der 6. größten Stadt der EU, die immerhin mit der ganzen urbanen Region 2,2 Millionen Menschen zählt. Und genauso chaotisch geht es auch zu- Auf den breiten Straßen tobt der Verkehr, trotzdem werden Fußgänger immer beachtet (wegen einer sehr strengen Gesetzgebung, wie mir ein Freund erklärt), auch wenn die Bürgersteige schonmal als Parkplätze benutzt werden.
Das historische Stadtzentrum ist das pulsierende Herz der Stadt, es ist voller Restaurants und Bars in schmalen Straßen, aber ich persönlich präferiere die Gegend um das Stadtzentrum herum: Obwohl diese Straßenzüge sehr herunter gekommen sind, sind sie dennoch einzigartig in ihrer Schönheit. An ihnen hängt noch etwas von dem einstigen Glanz, mit den jugendstilhaften Verzierungen und antik anmutende Frauenstatuen, doch sind sie einem organischen Prozess des Verfalls verdammt.
Die Stadt besitzt eine sehr aufregende Historie: Einer Legende nach soll ein Hirte einst die Stadt gegründet habe, darauf soll auch der Name zurückgehen; Bucur heißt Hirte auf Rumänisch. Eine andere Deutung begründet sich auf dem Wort Bucurie, was so viel wie glückhafte Freude bedeutet, eine Freudenstadt also. Offiziell wurde Bukarest 1459, mit einer Erwähnung in einer Urkunde, ausgestellt von niemand geringerem als Vlad Tepes, dem rumänischen Fürsten Dracula (aber das ist eine andere Geschichte). Die Osmanen eroberten die Stadt, danach stand sie unter russischer Verwaltung bis zur Gründung des Fürstentums Rumänien 1861.
Die junge Nation orientierte sich stark Richtung Westen, vor allem am vornehmen Frankreich, und so wurden viele Prachtbauten nach Pariser Vorbild errichtet. So existiert hier beispielsweise ein kleiner Triumphbogen, genau wie der in der französischen Hauptstadt. Dieses Erbe findet sich auch in der Sprache wieder, so bedankt man sich hier beispielsweise auch mit einem höflichen Merce!
Unglücklicherweise wurde ein Großteil der alten Architektur zerstört, teilweise durch Brände und Naturkatastrophen, teilweise auch durch die Willkür des Diktators Nicolae Ceausescu. Und um dem Wohnungsdruck durch die ununterbrochen zuziehende Landbevölkerung zu lindert wurde von der Sowjetunion befohlen, große Wohnblöcke zu errichten, die noch bis heute das Stadtbild prägen.
Die ersten Nächte habe ich hier in Bukarest bei einem Freund von mir verbracht, in genauso einem UdSSR-Block, in einer winzig kleinen Wohnung. Das war eine Erfahrung, vor allem als ich im Aufzug stecken blieb, mir aber netterweise zwei alte rumänische Damen einen Techniker gerufen haben, sonst wäre ich wohl heute noch zwischen braunen Linoleum und Beton eingesperrt.
Einer der historischen Plätze ist wohl der Palast, auf dessen Balkon Ceausescu seine letzte Rede hielt. Einer meine Freund erzählte mir diese Geschichte, da er selber als kleines Kind auf diesem Platzt stand und den Diktator sah, der das rumänische Volk über Jahrzehnte verarmen ließ. Während der rumänischen Revolution, die sehr blutige Kämpfe in der ganzen Stadt wüten ließ, versuchte er mit einem Hubschrauber zu fliehen, was ihm aber nicht gelang- Er und seine Frau wurden zur Todesstrafe verurteilt.
Von dieser dramatischen Geschichte verrät heute nicht mehr viel, es sind nur noch die Ausstellungsstücke im Museum und die Erinnerungen der Menschen. Heute ist Bukarest pulsierend und wird immer kommerzieller. Und trotzdem ist es noch eine der rahen Europäischen Städte, die noch nicht der kapitalistischen Gleichmachung zum Opfer gefallen sind, sondern eine gewisse Atmosphäre haben und eine ungeschminkte Fassade.