Brennende Regenbogenbanner - die LGBTQ - Bewegung in Georgien
Ich musste selbst Zeugin der schockierenden Ereignisse in Tiflis werden. Erst nach einiger Verarbeitungszeit möchte ich versuchen, das Thema in einer Reportage zu verarbeiten.
Die weltweite LGBTIQ+ Bewegung setzt sich für die Rechte von Menschen mit beispielsweise Homosexualität oder Transsexualität ein. Besonders in westlichen Kulturen wird die Akzeptanz dieser Bewegung immer größer; gerade bei jungen und gebildeten Menschen häufig als normal angesehen.
Wie ich mit eigenen Augen sehen musste, zeigt sich diese positive Entwicklung noch lange nicht überall. Während meines Freiwilligendienstes in Tiflis, der Hauptstadt Georgiens, wurde ich Zeugin von dem großen Hass, der gegenüber dieser Bewegung entstanden ist. Ein riesiges Problem ist die Feindlichkeit eines großen Teils der Bevölkerung sowie die negative Einstellung von Seiten der Politik und der mächtigsten georgischen Institution - der Kirche. Selbst der georgische Premierminister äußerte sich, dass eine Pride-Parade „für einen großen Teil der georgischen Gesellschaft inakzeptabel" sei. Ich selbst habe aus persönlichem Interesse und Überzeugung an den Events teilgenommen, die von der Organisation „Tbilisi Pride“ im Rahmen der Pride-Week organisiert wurden.
Zunächst wurde ein Movie-Screening veranstaltet, bei dem ein Film über den "Marsch der Würde" im Jahr 2019 sowie die generelle Entwicklung der Bewegung in Georgien berichtet wurde. Beim Verlassen der Räumlichkeiten wurden wir von hunderten Menschen angeschrien, beworfen und bedrängt - damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Es war ein Schock für viele, da gerade all die internationalen Gäste auf diese Proteste nicht vorbereitet waren. Als zweites Event wurde ein wunderschönes Festival inszeniert, wobei man auch hier wieder an aggressiven Protestanten vorbeigehen und sich beschimpfen lassen musste, um das Gelände überhaupt betreten zu können. Der Höhepunkt und zugleich Tiefpunkt der Pride-Week 2021 in Tiflis war der eigentlich vorgesehene Pride-Marsch. Leider musste dieser aufgrund aggressivster Proteste abgesagt werden. Es war nicht möglich, friedlich seine Meinung darzustellen oder sich zusammenzufinden. Tausende von Menschen waren auf den Straßen, haben Hassreden gehalten und Gewalt ausgeübt - es hat mich unfassbar traurig gemacht.
Doch die LGBTIQ+ Bewegung konnte in dem Land dank höchstem Engagement auch schon beachtliche Erfolge erzielen.
Ein erster Meilenstein war die erste Feier des Tages gegen Homophobie und Transphobie im Jahr 2011. Wider Erwarten sind um die 50 Menschen zusammen gekommen und konnten -in Georgien bisher einmalig- friedlich miteinander feiern. Der Mitorganisator Nikolo Gviniashvili sagte: „That day I saw that the community wanted to be visible”.
Demgegenüber steht eine der schlimmsten Erfahrungen im Jahr 2013. Eine kleine Gruppe von LGBTIQ+ Aktivist:innen wurde von tausenden von homophoben Protestierenden geschlagen, beschimpft und vertrieben. Mehrere Personen wurden verletzt und konnten nur mit Polizeiwagen gerettet werden. Seit diesem Tag wird der 17. Mai als „Tag der Familie“ von der Kirche zelebriert.
Der Tod des Kameramannes Alexander Laschkarawa, der bei den diesjährigen Protesten von schwulenfeindlichen Demonstranten schwer verletzt worden war, hat sich als schockierender Höhepunkt der diesjährigen Proteste gezeigt. Sofort haben oppositionelle Abgeordnete den Rücktritt von Ministerpräsident Irakli Garibaschwili gefordert.
Natürlich stellt sich bei solchen Entwicklungen auch die Frage, ob Georgien jemals die schon lange angestrebte EU-Mitgliedschaft ermöglicht wird. Der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Markus Löning, sieht dies äußerst kritisch. Georgien ist derzeit noch nicht bereit, die Aufnahmekriterien zu erfüllen. Wenn einige tausend Menschen der Meinung sind, dass die Versammlungsfreiheit von Queers georgischen Traditionen widerspricht, dann können die Werte dieses Landes noch nicht europäisch genannt werden.
Noch immer werden Aktivist:innen gemobbt, beschimpft oder unterdrückt. Doch Veränderungen werden sichtbar. Gerade junge Menschen wehren sich und zeigen Solidarität. Es gibt nicht nur Schlechtes, es gibt vor allem auch viel Hoffnung. Ein guter Freund von mir sagte: „Das Ende einer aussterbenden Meinung tut immer weh. Da versucht man nochmal zu kämpfen.“ Hoffen wir darauf, dass er recht behält.
Quellen:
- Persönliche Teilnahme an der Pride-Week 2021 und allen Protesten
- Gespräche mit meinem Georgisch-Lehrer Miko, der ein wichtiger Organisator der Tbilisi-Pride Organisation ist
- https://www.dw.com/de/gastkommentar-zerstört-georgien-seine-eu-ambitionen/a-58227034
- https://jam-news.net/the-history-of-georgias-lgbt-communitys-struggle-for-equal-rights-and-non-discrimination/
- https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/georgien-nationalisten-gehen-auf-lgbtq-aktivisten-mit-gewalt-los-17425115.html
- https://taz.de/Homophobie-in-Georgien/!5787287/
- https://www.spiegel.de/ausland/georgien-tumult-in-parlament-nach-tod-von-kameramann-bei-anti-lgbtq-demo-a-9b57b9a9-1bab-44cd-91f3-66f2cfab4db2