Bogenschießen - nicht nur zu Pferd
Der erste Besuch beim Nagy Törzs und der Trainingsnachmittag in Nadap.
Ein Stück ungarische Tradition
Die Ungarn geben bestimmten Gegenständen, Gruppierungen, Orten und mehr, die sie als integral für ihre Kultur betrachten, den Titel Hungarikum (Seite nur in Englisch oder Ungarisch).
Ein Hungarikum ist vergleichbar mit einem UNESCO Welterbe, nur, dass es sich dabei allein auf die ungarische Kultur bezieht.
Zwei Hungarikumok sind der traditionelle ungarische Bogen und Bogenschießen zu Pferd in der Kassai-Methode.
Und aus diesen zwei Hungarikumok bestand mein heutiger Tag.
Eins mit dem Pferd
Da es für mich das erste Mal war, dass ich beim Bogenschießen zu Pferd dabei war, durfte ich weder schießen noch reiten. Aber bei diesen - eigentlich wöchentlichen - Zusammenkünften geht es lange nicht nur darum.
Der Klan, dem Sebastian hier angehört, ist Nagy Törzs - Törzs ist ungarisch für Klan (wie in Szivárvány Törzs), Nagy heißt übersetzt groß und ist der Nachname des Anführers. Ins Deutsche übertragen könnte man also auch sagen: Klan der Familie Groß.
Treffpunkt ist regulär Samstags um 8:00, diese Woche fiel der Termin jedoch auf den Sonntag. Wir beginnen mit dem Putzen und anschließendem Massieren der Pferde (Huzule, allerdings sehen diese hier uriger aus als unsere).
Es gibt daneben jedoch auch noch andere Aufgaben, wie das Vorbereiten der Zielscheiben und Entfernen von Steinen aus dem Umkreis um die Zielgebiete, um das Zerbrechen von Pfeilen so weit wie möglich zu verhindern. Die Stimmung ist locker und entspannt, jeder macht sich irgendwie nützlich - ich eingeschlossen.
Nachdem die Pferde geputzt und warmgeritten sind, die Steine entfernt und die Ziele aufgestellt, wird sich erst einmal aufgewärmt und dann eingeschossen.
Derzeit sind drei Pferde für das Bogenschießen zu Pferd ausgebildet, zwei weitere werden nebenbei trainiert - daher sind die anderen Schützen, die aktuell nicht schießen, als Laufjungen für die Pfeile unterwegs oder trainieren für die Prüfungen, um einen Rang aufzusteigen.
Jeder der Klanmitglieder darf ein paar Runden reiten und schießen, die Pferde werden dabei ohne Sattel und Trense geritten - der Gedanke ist, dass Reiter und Pferd zum Zentauren werden: Von der Hüfte abwärts ist der Mensch Teil des Pferdes, während der menschliche Oberkörper schießt.
... und in der anderen Hand:
Sebastian unterrichtet Interessierte im traditionellen ungarischen Bogenschießen - und das weicht doch deutlich von dem ab, was ich in meiner Sportschützen-Zeit in Deutschland gelernt habe.
Bogenschießen ist nicht nur eine Sportart und Jagdkunst, sondern auch eine Form der Meditation - nur, wer die innere Ruhe hat, sich auf den eigenen Körper zu konzentrieren, kann auch auf Dauer sein Ziel treffen.
Geschossen wird, anders als beim Olympic Recurve oder Compound ohne jeglichen Schnick-Schnack. Es gibt keine Auflage für den Pfeil, keine Stabilisatoren, keinen Finger- oder Armschutz, kein Visier. Manche Bögen haben auf der Sehne einen Markierungspunkt, wo die Pfeile eingenockt werden - aber auch das ist mehr Ausnahme als Regel.
Was mir persönlich am schwersten fällt ist, dass hier die Hand, die die Sehne hält, im vollen Auszug nicht am Wangenknochen (wie beim Langbogen) oder unter dem Kinn (wie beim Recurve-Bogen) ruht, sondern in gerader Linie mit dem Bogenarm, ca. auf der Höhe der Brust.
Was jedoch absolut großartig an diesem Bogenschießen ist, ist, dass wir nicht nur mit unserem regulären Bogenarm (in meinem Fall rechts) schießen, sondern zu gleichen Teilen rechts und links benutzen - und nicht nur von der klassischen seitlichen Position aus, sondern auch von der Ausgangsposition frontal und mit dem Rücken zum Ziel.