Ayudame
Über Klischees, den leckeren Brotsalat und die Frau, die jeden Tag ins Telecentro kommt und mich um Hilfe fragt.
Im Unterricht sprechen wir heute über Geographie, Dialekt und Stereotype. Zum Beispiel die vom faulen Spanier, der außer Fiesta und Siesta nichts im Kopf hat und die ganze Zeit am Flirten ist. Oder der deutsche Tourist mit Tennissocken in Sandalen. Und wir lernen ein typisches Gericht aus der Gegend kennen: Migas. Das heißt Krümel und besteht aus kleingekrümeltem Brot mit Zwiebel, Knoblauch und Wasser. Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, dass das schmecken soll, aber vielleicht ergibt sich mal eine Gelegenheit, das zu probieren. Später im Telecentro verschwindet José Luis gleich nachdem wir gekommen sind und lässt uns Mädels und Pablo mit dem Auftrag zurück, endlich mal wieder zu putzen. Das machen wir dann auch vorm Gehen, nicht dass Pablo sich mal wieder drückt. Auf dem Heimweg treffen wir mal wieder die Bauarbeiter, die uns mittlerweile kennen und immer winken und grüßen, wenn wir vorbeilaufen. Heute ruft einer uns was von „Guapas“ zu, ihr Hübschen. Wir müssen lachen, weil wir uns an das Klischee erinnert fühlen, das von Maria Jesús bestätigt wurde. In der Mittagspause machen wir aus dem alten Brot, das sich so schlecht für Bocadillos eignet, einen Brotsalat aus meinem Rezeptbuch. Brot kleinrupfen, Tomaten, Paprika und eine Vinaigrette, die leider etwas versalzen ist. Ab sofort nehme ich einen Löffel für das Salz, das lässt sich irgendwie besser dosieren. Trotzdem kriege ich ein Kompliment von Laetitia, die vorher skeptisch war und jetzt aber meint, dass sie ihrer Schwester das Rezept auch beibringen will. In der kurzen Mittagspause schaffe ich es doch tatsächlich, fest einzuschlafen, leider ohne den Wecker zu stellen. Zum Glück wache ich rechtzeitig wieder auf und wir müssen uns ein bisschen beeilen, so verschlafen wie wir beide sind. An der Tür im Telecentro wartet schon unsere treueste Besucherin. Ich schließe auf und sie setzt sich sofort an ihren Stammplatz, vorne in der Mitte. Montag- bis Donnerstagnachmittag ist von halb 5 bis 6 jeweils Aula Ciber, das bedeutet, dass Leute aus dem Dorf kommen und die Computer benutzen können. Entweder man bezahlt nur für einzelne Tage oder nimmt ein Monats Abo, wie diese Frau. Wir grinsen immer schon, wenn sie nachmittags kommt, denn man kann fast die Uhr nach ihr stellen- unsere kleine Internetsüchtige. Neulich hat sie mich mal geholt, weil in ihrem Worddokument komische Kästchen waren, heute wendet sie sich an mich, weil sie Fotos per Mail verschicken möchte. Ich freue mich, dass sie gleich mich fragt und höre mir ihr Problem an, dann muss ich ihr noch helfen, ein Wort auf das Bild zu schreiben und lache herzhaft mit ihr, als ich ein Bild so stark verkleinere, dass man gar nichts mehr erkennen kann. So schlimm ist das gar nicht, jemandem am Computer zu helfen, erst recht nicht bei dieser Frau, die scheinbar jeden Kurs besucht und sich dabei ein Heft voller Notizen gemacht hat. Bei jedem Doppelklick sagt sie laut „Doble“. Irgendwann haben wir ihr Problem behoben und ich kann wieder an die Arbeit. Ups, da wurde ich ganz schön lange in Beschlag genommen, bei meiner Nachricht muss ich mich ein bisschen beeilen.
In der Wohnung ist es sehr kühl, für diese Nacht hat Laetitia schon ihren kleinen Heizkörper angeschaltet und auch mich fröstelt es ein bisschen. Der Herbst hat hier auch schon Einzug gehalten. In der Nacht brauche ich drei Decken und ein Kissen für die Füße, so kalt ist es.