Auf Reisen
Emily begibt sich in die große weite Welt; sprich in den Norden Griechenlands. Dort entdeckt sich Ähnlichkeiten mit ihrer Heimatstadt Hamburg.
Nachdem ich also gemütliche, schöne Weihnachten in Kryoneri gefeiert hatte, sollte es nun wieder auf in die große weite Welt – sprich den Norden Griechenlands – gehen. Nach langer Zeit ging die kleine Emi mal wieder auf Reisen und ich war freudig gespannt – vor allem hinsichtlich der Nacht im Schlafwagen. Mittwochabend machten Karen und ich uns also auf nach Athen, um von dort aus den Nachtzug nach Thessaloniki zu nehmen. Der Zug kam, wir stiegen ein, fanden sofort unser Abteil und traten ein – nicht ahnend, was uns nun blühen würde. Eine kleine unschuldig dreinblickende Oma saß auf einem „unserer“ Betten. Höflich fragte ich sie, ob sie uns vielleicht sagen könnte, welche Nummer sie hätte. Daraufhin wurde ich angeschnauzt, das würde mich ja gar nichts angehen, sie wüsste welche Nummer sie hätte und damit sei es dann ja wohl auch gut. Die nächsten zehn Minuten versuchten Karen und ich uns vernünftig mit der Frau zu verständigen. Sie belegte unsere Betten. Natürlich hätten wir einfach die gegenüberliegenden Betten nehmen können. Nur hätte ich schon vor dem Weihnachtsschlemmen meine Zweifel gehabt, ob das obere Bett mich halten würde. Am 27.12. war ich mir sicher, dieses Bett würde für mich und Karen, die unter mir schlafen würde, den sicheren Tod bedeuten.
Nun ja, mit der Zeit wurde die Frau immer böser und ich immer höflicher (als würde ich mit einer Irren sprechen – wie kommt’s bloß), bis sie mir irgendwann äußerst unsanft ihr Bettzeug in die Magengrube rammte, ihr oberes Bett hoch klappte und das untere vereinnahmte. Keine Hilfe in Sicht, gaben Karen und ich schließlich auf, ich kletterte wagemutig in mein Bett (und siehe da, es hielt) und Karen richtete sich unter mir ein. Beide beabsichtigten wir, mit dem Kopf zum Fenster zu schlafen – das passte unserer charmanten Mitbewohnerin aber nicht. Ich trotzte ihrer Weisheit, Karen hingegen hatte keine Lust sich weiter belabern zu lassen und legte sich anders herum. Fünf Minuten später war Karen Omas Schatzi geworden. So hübsch, so nett, ein gutes Mädchen eben. Wenn ich mal den Mund aufmachte hieß es „Sei ruhig“ „Du schläfst jetzt“. Zu meiner größten Verwunderung habe ich tatsächlich noch schlafen können. In meinem Kopf malte ich mir die verschiedenen Szenarien aus, wie die Verrückte mir ein Messer in den Rücken rammen würde und wo Karen wohl am schnellsten Hilfe finden würde. Darüber muss ich dann wohl eingeschlafen sein.
Witzig war, als Karen mir am nächsten Tag erzählte, dass sie genau die gleichen Gedanken gehabt hatte. Die Oma war ganz offensichtlich obdachlos. Ihr Gepäck bestand aus einer alten Handtasche und unzähligen leeren Plastiktüten. Nun ja, um 5.30 Uhr morgens kamen wir viel zu früh in Thessaloniki an. Zwei Stunden schlugen wir noch – mehr oder weniger lebendig – am Bahnhof tot und warteten dass es hell würde. Als wir dann unser Gepäck in den Schließfächern (welche nicht "für die aufbewahren Effekte hasten" wollten) verstaut und uns nach dem Weg erkundigt hatten, gingen wir auf Erkundungstour ins Zentrum. Und waren von Wetter, wunderschönen alten Gebäuden, und vor allem der Promenade am Meer überwältigt.
Das Warten am Bahnhof hatte sich gelohnt und wir beiden Norddeutschen waren entzückt über die Ähnlichkeit des Hafens mit dem Hamburger Hafen. Nach einem wunderschönen Spaziergang am Wasser machten wir uns auf die Suche nach einem kleinen Café, um uns mit Kaffee zu stärken und die berühmte Bugatza zu essen, die in Thessaloniki besonders gut sein soll. Nach einiger Zeit wurden wir fündig und machten es uns in einem netten Café gemütlich. Eineinhalb Stunden später machten wir uns gestärkt auf Shoppingtour. Ziel Nr 1: Winterjacke für Karen. Vielleicht waren wir immer noch so bezaubert vom Hafen, jedenfalls schienen wir alles an dieser Stadt wunderbar zu finden. Auch die vielen kleinen Läden (ähnlich der Marktstraße in Hamburg) mit stylischen Klamotten überzeugten uns und so wurde Karen ziemlich schnell fündig. Nach einem leckeren Mittagessen in einer urgriechischen Tavernaki gingen wir alles etwas gemächlicher an. Langsam setze bei uns auch die Müdigkeit von der Reise ein. Abends trafen wir uns mit Tom, bei dem wir übernachten würden.
Glücklicherweise war ihm an dem Abend auch nicht nach Ausgehen zu Mute (das ist bei Freiwilligen ja äußerst selten der Fall) und so verbrachten wir einen entspannten Abend in seiner Wohnung. Am nächsten Tag machten wir uns zu dritt auf in Richtung Altstadt. Wieder hatten wir traumhaftes Wetter und der anstrengende Marsch in die Altstadt (die oberhalb des jetzigen Zentrums liegt) hat sich tausendmal gelohnt. Schon auf dem Weg sahen wir viele schöne Gebäude. Oben dann wurden wir mit einem traumhaften Blick über Thessaloniki und Meer belohnt.
Interessant waren auch der Gang entlang der alten Stadtmauer und die alte Burg. Nachdem wir uns mit einem Cappuccino gestärkt hatten, machten wir uns wieder auf ins neue Thessaloniki. Dort machten wir einen sehr langen Spaziergang am Wasser zu Toms Arbeitsplatz (eine Schule für Blinde). Dort trennten wir uns von Tom, der noch mal nach Hause wollte. Wir hingegen beschlossen, in der Stadt zu essen und uns später mit Tom und anderen Freiwilligen zu treffen, um das Nachtleben in Thessaloniki kennen zu lernen.
Leckeres Essen, langes Herumlungern bei Starbucks und schließlich Ausgehen mit den anderen: so verlief unser zweiter Abend in Thessaloniki. Den nächsten Morgen schliefen wir lange und machten uns direkt von der Wohnung auf zum Bahnhof, um unsere Rückreise anzutreten. Im Bistro am Bahnhof versorgten wir uns noch mit Fressalien – und wen haben wir dort getroffen? Unsere liebste Oma von der Hinreise. Entgegen unseren Befürchtungen tauchte sie nicht in unserem Zug auf und so verlief die Rückfahrt angenehm unspektakulär – abgesehen von der atemberaubenden Landschaft. Schneebedeckte Berge und kilometerlange Felder ohne ein Zeichen der Zivilisation, noch nicht mal Müll, was in Griechenland äußerst ungewöhnlich ist.
Nach einigem Hin und Her und nach Nutzung so ziemlich jeden möglichen Transportmittels, kam ich am Samstagabend um halb zehn zu Hause in Kryoneri an. Philip fand ich krank, aber immerhin nicht erfroren. Nachdem er mir am Freitag geschrieben hatte, unsere Heizung würde nicht funktionieren, hatte ich schon das Schlimmste befürchtet. Mittlerweile geht die Heizung wieder, kalt ist es trotzdem. Sylvester habe ich, nachdem ich tausend Pläne gesponnen und wieder verworfen habe (und wer mich kennt, weiß, dass dies der Grund ist, warum ich Sylvester nicht mag), letztendlich im Kreis von Panos Familie gefeiert. Zunächst war ich mir nicht sicher, wie lustig das werden würde, aber schon nach kurzer Zeit war ich froh über die Entscheidung. Zum einen hatte ich das Gefühl, einige griechische Bräuche mitzuerleben (wie das Anschneiden des Neujahrskuchen und die Verteilung der Stücke: erst Jesus, dann Maria, dann der Weihnachtsmann und dann die Familie geordnet nach Alter und Wichtigkeit), außerdem gab es schon wieder leckeres Essen und wir hatten Spaß.
Gegen zwei Uhr fingen wir an, Karten zu spielen. Athina erzählte mir, dass dies üblich sei. Man spielt um Geld und es gibt einem schon mal einen Hinweis darauf, wie es im Jahr weiter gehen wird. In der Hinsicht sieht bei mir dann wohl nicht so rosig aus: Karen und ich haben zusammen gespielt (mit dem Geld ihres Vaters) und ich habe frühzeitig aufgegeben, als die Zahlen auf den Karten anfingen, vor meinen Augen zu verschwimmen (Müdigkeit, nicht Alkohol). Tags drauf erzählte mir Karen, dass sie das Spiel gewonnen hatte.
Nun hat das neue Jahr angefangen und ich habe es geschafft, euch in die Highlights der vergangenen Tage einzuweihen. Donnerstag mache ich mich auf nach Korinth und Freitag geht’s dann für Verena und mich auf nach Ägina, eine kleine Insel eineinhalb Stunden von Athen. Am Montag arbeite ich wieder und ich will die freie Zeit bis dahin noch zum Reisen nutzen. Zum Glück ist so ein Schiff größer als eine Schlafkabine im Zug. Und ich werde hoffentlich allen Verrückten, die mir begegnen werden, entkommen können.