Alma sin calma
Ich fange an, Spanien zu lieben: der zweite Abend in Zaragoza war ziemlich toll. Aus Rücksicht auf meine Eltern kann ich leider nicht alle Details erzählen. ☺
Morgens gut gelaunt ziehe ich meinen Blümchenrock an und auf geht’s zur Panadería. Langsam kennt uns die Bäckersfrau schon und fragt mich, ob ich auch in Ayerbe wohne. So erzähle ich, dass wir die neuen Freiwilligen sind und sie wiederum fragt nach den Kurszeiten, weil sie auch Mühe mit dem Computer hat und die letzten Jahre auch immer teilgenommen hat. Zum Abschied schenkt sie mir ein leckeres Hefeteig-Zucker-Teilchen. Beschwingt grüße ich auf dem Rückweg Julio und die anderen Bauarbeiter. So kann ein toller Tag anfangen. Im Unterricht von Maria Jesús lernen wir sämtliche örtliche Präpositionen kennen, was mich auch freut, weil ich mit Präpositionen immer ein bisschen Schwierigkeiten hab. Auf dem Weg zum Telecentro gibt mir Julio die Hand (die Baustelle ist eine Straße weiter gezogen) und fragt wie’s geht. Mann, muss der nen Narren an mir gefressen haben. Vorm Computer sind wir so vertieft in unsere Noticias, dass ich eines der ersten Male nicht dauernd auf die Uhr gucke und mich frage, wann wir endlich daheim essen können. Und wir merken erst eine halbe Stunde später, dass es ja schon Mittagspausenzeit ist. Nachmittags kommt Marcos, der Informatiker vorbei, den ich hier im Telecentro auch noch nie gesehen habe. Sie diskutieren über das Programm des Telecentros, z.B. soll auch eine Einführung im Umgang mit Smartphones angeboten werden. Ich meine, herauszuhören, dass es auch darum geht, dass der Kursbeginn von Laetitia und mir wegen der Formación de llegada (also dem On-Arrival-Training), dass in drei Wochen stattfindet, verschoben werden muss. Irgendwann, als wir fast fertig sind, fragt José Luis, ob wir Mädels heute Abend nach Zaragoza wollen. Weil wir davon ausgehen, in ein Einkaufszentrum mit H&M, Zara usw. gehen zu können (wir brauchen dringend Schlafanzüge mit langen Ärmeln für die kalten Nächte), gehen wir noch schnell heim, stecken ein paar Scheine ein und machen uns ausgehfertig. Pablo geht auch mit, das hat den Vorteil für uns, dass wir auf der Fahrt nicht so viel reden müssen, denn die Männer unterhalten sich auch so ganz gut. Unterwegs verabredet sich José Luis mit Quique. Als die Sonne untergeht, kommen wir an und sehen in der Ferne schon die Zelte und Riesenräder für die Fiesta del Pilar, die morgen anfängt. Wir fahren jedoch nicht in ein Einkaufszentrum, sondern in einen französischen Heimwerkermarkt. Aber für die Wohnung brauchen wir eigentlich nichts und die Männer scheinen auch nichts zu suchen, sodass ich mich frage, was wir hier eigentlich machen. Nun ja, auch danach gehen wir nicht auf Shoppingtour, sondern direkt zum Abendessen mit Quique. Genauer gesagt, gehen wir erst mal auf Parkplatzsuche. Hier in der Stadt oder sogar in Huesca ist es echt ein Fluch, einen Parkplatz zu finden (der dann auch noch groß genug ist). Das Lokal, in das wir gehen, ist sehr authentisch: schmucklos, voller Leute und an den Wänden hängen große Schinken und Würstchenketten. Quique bringt noch eine Freundin mit und so sitzen wir zu sechst um einen kleinen Stehtisch. José Luis bestellt erst mal ein Bier für die Runde (ich muss nicht extra erwähnen, dass Laetitia Cola trinkt ☺) und Patatas ansadas. Das sind im Ofen gebackene Kartoffeln in der Schale, übergossen mit einer Soße aus Essig, Öl, Petersilie und Knoblauch. Als Vorspeise gibt es einen salzigen Fisch, für jeden, so ähnlich wie Sardine. Sehr lecker. Jeder hat eine Gabel und gegessen wird aus der Mitte. Des Weiteren kommt ein Salat aus Thunfisch, Spargel, Tomate und eingelegter Paprika, Salchicha (sah so ähnlich wie Salami aus), Schinken und Blutwurst. Für uns Fleischverzichter kommt ein Teller mit gebratenen Sardinen. Ich muss erst mal schlucken und mir zeigen lassen, wie man das isst, weil da sowohl Kopf als Schwanzflosse noch dran ist. Schmeckt hervorragend, ist nur eine Riesensauerei mit dem vielen Öl. Die Servietten, mit denen man sich die Hände abputzt, werden danach auf den Boden geworfen; man sieht, dass heute Abend schon viele Leute hier gegessen haben. Quique erzählt, dass man hier in Spanien überall günstig guten und frischen Fisch bekommt, besonders in Madrid- eben weil so viele gerne Fisch essen, dass ständig LKWs unterwegs sind. Wir unterhalten uns viel über Essen und versprechen, dass wir mal was Traditionelles aus unserem Land kochen, ein spanisches Gericht probieren und uns von Quique und José Luis bekochen lassen. Hmm, da freu ich mich schon drauf. Am Ende beläuft sich die Rechnung auf 80 € und mit dem Zahlen ist das so, dass jeder was gibt, bis es reicht. Weiter geht’s in die Whiskeykneipe, in der wir das letzte Mal auch schon waren. Dort gibt’s einen Kaffee und irgendjemand hat mir einen Kaffee mit Whiskey, Eis und Sahne bestellt. Hört sich wild an, aber schmeckt total gut. Danach trinken wir ein Bier im „Zorro“. Da wäre ich gerne länger geblieben, weil mir die Leute und die Musik dort gut gefallen haben- aber der spanische Drang weiterzuziehen, ist stärker. Im Sol besuchen wir Quiques Bruder, der heute Abend Salsa tanzen für Fortgeschrittene anleitet. Richtig zum Tanzen kommen wir aber erst im letzten Lokal, das wohl etwas schicker ist. Quique wird von einer Unbekannten aufgefordert und legt mit ihr eine flotte Tanzsohle aufs Parkett. Ich tanze auch mit ihm und Pablo und einem Mann, der mir zum Abschied einen Handkuss gibt. Pablo lernt Adina kennen, die Laetitia auch mal zum Tanzen bringt und später noch sehr lange mit José Luis und Pablo quatscht. Da schielen Laetitia und ich schon besorgt auf die Uhr, weil es schon halb 4 ist und wir doch morgen arbeiten müssen. Quique verabschiedet sich herzlich- er muss morgen um 9 zur Arbeit. Adina schnorrt sich Pablos Zigaretten und lädt uns ein, falls wir mal in Barcelona sind, bei ihr zu übernachten. Sehr geil, wo Barcas Pflaster doch so teuer ist. Wir befreunden uns gleich mal in Facebook, so wie hier viel über Facebook läuft. Schlussendlich liegen wir um 5 völlig fertig im Bett und haben schon Angst vorm Wecker Klingeln.