Alles wie früher. Und doch ganz anders
Über das Ankommen. Und die Frage nach dem Danach.
Kaum hörbar öffnet sich die Tür und ich laufe Richtung Flugzeug. Bleibe stehen und mein Blick schweift über die endlose Landebahn. Obwohl es nur ein paar Sekunden sind, fühlt es sich an, als ob ich eine Ewigkeit so verharre. Die rumänischen Passagiere hinter mir verschwimmen mit der Landschaft zu einer silhouettenartigen Mischung. Ich betrete das Flugzeug und mein unrasiertes Gesicht spiegelt sich in der Fensterscheibe wieder. Dasselbe Gesicht wie vor 8 Monaten. Und doch ist irgendwie alles anders. Und doch wieder genau gleich.
Auch da bin ich eine Propellermaschine gestiegen, deren Rotoren so laut dröhnten, dass ich um mein Trommelfell fürchtete. Weg von Deutschland. Freunden. Familie. Und Zukunftsvisionen, die sich ja doch alle im Wind der Zeit verlieren werden. Möchte einfach irgendwo ankommen, weiß weder wo, noch wie lange das dauert. Kann man überhaupt irgendwo ankommen, fragte ich mich schon damals. Damals, um viele Erinnerungen ärmer, aber mit einigen Sorgen reicher. Kann ich das? Bin ich gut genug? Was kommt danach? Der Gedanke an das Danach umtreibt mich beständig. Auch wenn ich weiß, dass ich keine Antworten finde. Finden kann. Dabei ist man doch gerade während dieser kurzen Zeit nach der Schule und im Ausland unbesiegbar. Mann kann alles sein. Alles werden.
Kann man dann wirklich alles erreichen, was man sich für das Ausland vornimmt? Natürlich nicht. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass für eine kurze Zeit im Leben alles möglich ist. Alle Pfade warten darauf betreten zu werden. Alle Pfade scheinen nur für einen selbst geschaffen worden zu sein. Während meiner Zeit im Ausland wurden sie von so vielen gekreuzt, dass ich den Überblick verloren habe. Manche sind verblasst und ich kann sie kaum noch sehen. Andere so deutlich, als ob es gestern war. Aber jeder einzige war irgendwie notwendig. Auch wenn ich oft gar nicht genau sagen kann wieso, denn das würde dem ganzen irgendwie die Magie nehmen. Wenn ich durch das rumänische Baia Mare lief, wirkten die Wolken irgendwie größer und zogen in gigantischen Himmelsformationen über mich hinweg. Und ich trieb mit ihnen und spürte den Wind. Die Sorgen um das Morgen habe ich im Flugzeug gelassen. Ich brauchte sie hier nicht. Hier war ich frei von Hektik und Stress. Spürte, dass die jugendliche Naivität des Gefühls von Unendlichkeit und Unbesiegbarkeit vielleicht gar nicht so naiv ist. Seit ich hier war, weiß ich dass der richtige Pfad immer der ist, auf dem ich gerade bin. Wenn ich auf dem meinen zurückblicke, spüre ich wie ich mit jedem Schritt an Selbstvertrauen gewonnen habe. Habe eine neue Sprache kennengelernt, neue Freunde und Orte. Vielleicht verblasst manches davon in einigen Jahren zu einer Ansammlung von Fotos, die man sich an weiße Wände hängt um Räume mit Leben zu füllen. Aber was ich über mich selbst gelernt hab, das wird bleiben. Habe den Mut zur Veränderung entdeckt, auch wenn sie oft Angst macht. Dass man oft einen Schritt auf sein eigenes Glück zugehen muss, statt es nur in der Vergangenheit zu suchen. Dass es egal wohin es mich in der Zukunft hintreibt, ich dort richtig sein werde. Dass der Gedanke an das Heute wichtiger ist, als der Gedanke an das, was noch kommt.
Ich weiß, dass meine Zeit hier ein Ausbruch aus der Realität ist. Ein Ausbruch auf der Suche nach dem Morgen. Bin ich angekommen? Ich weiß es nicht. Was danach kommt weiß ich auch nicht, aber für den Moment ist das irgendwie völlig egal. Mein Blick fällt erneut in die inzwischen von mit Regentropfen verschmierte Scheibe. Alles wie früher. Und doch ganz anders.