Alles neu macht der Mai
Amselles Zeit als Europäische Freiwillige nähert sich dem Ende. Kaum vorstellbar. Trotzdem freut sie sich schon auf ihr Studium und schmiedet Pläne, wie sie sich ein internationales Umfeld erhalten kann.
Und da ward er auch schon fast wieder vorbei... So, nach einiger Zeit und damit umso mehr neuen Erlebnissen melde ich mich hiermit wieder aus dem inzwischen heißen Spanien.
Nun ja, viel ist passiert, vielleicht fange ich am besten einfach mal damit an, dass ich vorletzten Freitag das Diploma de Espanol como Lengua Extranjera (D.E.L.E) im Niveau Intermedio abgelegt habe. Vier Stunden Hörverstehen, Leseverstehen, Grammatik, schriftlicher Ausdruck und zum Schluss noch ein 15minütiges Interview. Ich saß zusammen mit 100 anderen Willigen in einem Saal der philosophischen Fakultät der Universidad Complutense, immerhin der zweitgrößten Uni der Welt mit ihren 120.000 Studenten! Dementsprechend fühlt man sich auf dem riesigen Campus der Ciudad Universitaria (Universitätsstadt) anfangs etwas verloren. Zwar hat die studentische Atmosphäre auf dem Campus auch mir Lust auf mein kommendes Studium gemacht, aber an so einer riesigen Uni könnte ich dann doch nicht studieren. A propos – so wie´s gerade aussieht, werde ich nach Konstanz gehen. Endlich wieder Fahrrad fahren, in 15 Minuten dort sein, wo man hin will, frische Luft schnuppern, wilde Natur erleben... *freu*
Die Prüfung war ein Grund, warum ich mich nicht schon viel früher gemeldet habe, denn wegen fehlender Vorbereitung durchfallen wollte ich natürlich nicht. Wie es letztendlich aber immer anders kommt, als man denkt, fand ich mich doch erst einen Abend vorher am Büffeln vor - :) Wie bequem man doch nach jetzt schon zehnmonatiger Schulabstinenz wird... Nicht, dass ich früher nicht auch schon eine Drucklernerin gewesen bin, aber so locker wie ich heute die Dinge angehe... Na ja, auf der anderen Seite muss ich aber sagen, dass es äußerst gut tut, faul zu sein, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Das hätte ich früher nicht gekonnt. Wenn ich bedenke, was ich in der Schule noch für ein Tagespensum hatte! Hier genieße ich meine Freiheit und Freizeit, die langen Nächte auf der Straße oder Geburtstags- und WG- Partys, einfach das Leben an sich, bevor es dann ab Herbst wieder richtig losgeht. Und ich fühle mich gut dabei, denn eines ist gewiss – aus diesen zehn Monaten Freiwilligendienst ziehe ich vielleicht mehr heraus, als aus den 13 Jahren Schulzeit davor. Gerade zwischenmenschlich habe ich hier viel gelernt, bin noch offener, toleranter, neugieriger geworden. Das D.E.L.E lief übrigens trotz Minimalvorbereitung gut, im Interview fragten mich die beiden Damen sogar, warum ich mich nicht gleich für das D.E.L.E Superior beworben hätte. :)
Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass nicht nur meine Bequemlichkeit dazu führte, dass ich kaum auf das D.E.L.E gelernt habe, nein – ich hatte auch Besuch und war ja außerdem in Lissabon.
Philipp aus Deutschland kam vom 4. bis 11. Mai zu Besuch, dann war noch vom 5. bis 7. Mai mein Freund zu Gast und danach noch vom 13. bis 18. Mai Anna aus Valencia. Philipps originelles Gastgeschenk war übrigens eine Einladung zum Fußballspiel des Real Madrid gegen Villareal. So kam es, dass ich nach nun fast neun Monaten doch mal das fast ausverkaufte Estadio Santiago Bernabeu samt seiner circa 80.000 Zuschauer von innen sah. Eigentlich ein Muss, wenn man in Madrid ist. Zufälligerweise hatten wir gerade das Abschiedsspiel von Zinedine Zidane erwischt, der ja bekanntlich nach der WM seine Karriere beendet. Das war schon sehr beeindruckend, so viele Leute, dazu noch ein sehr spannendes, abwechselungsreiches Spiel, das letztendlich 3:3 unentschieden endete, zu sehen. Zugegeben, ohne Philipp wäre ich wohl verloren gewesen, er kannte nämlich alle Spielernummern und war mein persönlicher Kommentator. Sonst hätte ich nie und nimmer geblickt, wann Beckham, wann Raúl oder auch einer der anderen Topspieler am Ball war. Hiermit nochmal vielen Dank dafür! :)
Mit Anna wiederum habe ich mir das Museo Municipal de Madrid, das Blindenmuseum der Lottogesellschaft O.N.C.E und das Centro Cultural de Conde Duque angesehen. Zum ersten Mal, seit ich hier in Madrid bin. Eigentlich ist es schade, dass ich die vielen kulturellen Angebote, die es hier gibt, nicht häufiger nutze. Wenn ich wollte, könnte ich sicherlich jeden Tag eine andere Ausstellung ansehen. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass wohl die wenigsten Madrileños wirklich die gesamte Bandbreite an kulturellen Aktivitäten ihrer Stadt ausnutzen. Auch, weil die Eintrittspreise für´s Theater, die Oper oder Konzerte nicht unbedingt erschwinglich sind. Eine Stadt als Tourist zu erkunden ist halt doch was anderes, als in ihr zu wohnen und zu arbeiten.
A propos Konzerte, von diesen habe ich in letzter Zeit auch eine Menge gesehen – einerseits auf Grund der Feria de San Isidro, die hier vom 13. bis 21. Mai stattfand. San Isidro ist der Schutzpatron Madrids, dem zu Ehren jedes Jahr an verschiedenen Schauplätzen eine ganze Woche lang Konzerte, Theateraufführungen, Workshops und Ausstellungen et cetera stattfinden. Andererseits durch einen Tipp meines Tandempartners Ernesto. Der ist übrigens auch „neu“, na ja, fast. ;) Durch ihn kenne ich jetzt jedenfalls eine Gruppe „schwedophiler“ Spanier, die kleine Klubkonzerte für schwedische Rock- und Popbands organisieren. Da ich ja auch unbedingt als nächste Fremdsprache Schwedisch lernen will, kann ich mir die Konzerte natürlich nicht entgehen lassen. :)
Mit Jitka, Eva, Oliver, Charissa, Debbie, Nina, Anna und Pachí war ich auf dem Musikfestival „Universimad“, das wie der Name schon sagt auf dem Campusgelände der Universidad Complutense stattfand, wo wir die Freiluftfestivalsaison sozusagen eröffneten. Dieses Wochenende geht´s weiter mit dem „Festimad“, was sogar hier in Leganés stattfindet. Durch Connections haben wir kostenlose Eintrittskarten bekommen und werden dann Bands wie Tool, die Deftones oder auch Alice in Chains sehen... Ist mir eigentlich zu harter Rock, aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. :)
Um zurück zum Universimad zu kommen: Es war richtig schön, bei guter Musik und einem netten Publikum auf dem Rasen liegend in der Sonne zu dösen. Sowieso, nachdem das Wetter hier den Frühling übergangen zu haben scheint, sinkt das Thermometer auch nachts nicht mehr unter die 15-Grad-Celsius-Marke. Am Wochenende ist der Retiropark von Sonnenanbetern, Familien, Gitarrespielern und sonstigen Leuten überbevölkert und auch wir sind fast immer dort vorzufinden. Sei es zum Picknicken, Trommeln, Leute beobachten... Meine dickere Kleidung oder auch Jacken habe ich in die hinterste Ecke des Kleiderschrankes gepackt und zittere nun schon vor der Zeit, wenn es permanent über 30 Grad Celsius warm sein wird. Auskosten durfte ich dies vor ein paar Tagen schon mal, was zur Folge hatte, dass ich nur mit Mühe einschlafen konnte.
Ach so, vielleicht noch ein Wörtchen dazu, was sich hinter dem Wort „Sprachtandem“ verbirgt. Eigentlich ist die Idee ganz simpel – zwei Leute verschiedener Muttersprachen, die ein Interesse daran haben, die Sprache des anderen zu lernen, treffen sich, um gegenseitig voneinander zu lernen. Gerade hier in Madrid, wo es von Ausländern aus aller Welt nur so wimmelt, ist es nicht schwer, einen Sprachpartner zu finden. Ich persönlich habe einfach eine Anzeige im Goetheinstitut aufgehängt, weil ich endlich auch mal mehr mit „echten Einheimischen“ machen wollte. Einfach so mit Spaniern Freundschaften zu schließen ist nämlich leider nicht so einfach, weil sie oft kein Interesse an dir als zeitlich begrenztem Gast haben. Es ist sehr schwierig, in festgefügte Cliquen reinzukommen, die Spanier erscheinen mir im Allgemeinen eher auf ihre langjährigen Freunde oder eben die Familie fixiert zu sein. Allerdings wird das Ausländern in Deutschland auch nicht anders ergehen, was in mir schon die Idee hat reifen lassen, ein Adoptierbüro für Erasmusstudenten an meiner zukünftigen Uni einzurichten. Dort vermittele ich dann deutsche Paten an ausländische Studenten und erhalte mir so selber nebenbei ein internationales Umfeld, was ich sonst sicherlich vermissen würde. Oder wird´s einfach nur ein „internationaler Club“?! Hmm, mal sehen.
Auf meine Anzeige hat sich jedenfalls Ernesto gemeldet, der sich als echter Glücksgriff herausstellte, da er sehr nett ist und schon dreieinhalb Jahre in Deutschland gelebt und studiert hat. So kann er natürlich supergut Deutsch sprechen und ist in gewisser Weise offener, als andere Spanier. Da wir beide eigentlich am liebsten nur Reden (sagte ich nicht schon, dass ich hier faul geworden bin? ;)), treffen wir uns meistens einfach nur zum Weggehen.
Tja, jetzt bleibt mir also nur noch ein bisschen mehr als ein Monat hier in Spanien. Heute ist sogar mein letzter richtiger Arbeitstag, bevor ich dann nächste Woche mithelfe, die Sprachexamen zu beaufsichtigen. Ab dem 9. Juni habe ich dann endgültig frei, gerade rechtzeitig zur WM, bei der ich auch Berichterstatterin sein werde. Ich kann es ehrlich gesagt überhaupt nicht realisieren, dass ich in etwa fünf Wochen schon wieder daheim in Deutschland sein werde. Viel zu sehr stecke ich hier in meinem gewohnten Alltag drin. Vielleicht ist das auch besser so - ich will gar nicht an den baldigen Abschied denken. Das wird schon so traurig genug!