Alle Monate mit dem Buchstaben „r“
Was für die meisten Menschen in Deutschland völlig selbstverständlich ist und meist sogar ohne große Hilfsmittel abläuft, stellt für die Esten die meiste Zeit des Jahres ein großes Problem dar: Die Produktion von Vitamin D im menschlichen Körper.
Vitamin D, auch als das Sonnenvitamin bekannt, ist unerlässlich für die vollständige Vitalfunktion unseres Körpers. Es ist maßgeblich an der Stärkung der Knochen und Muskulatur beteiligt und senkt nach neusten Erkenntnissen auch das Risiko für Diabetes und bestimmte Krebsarten wie Brust- oder Darmkrebs. Jedoch ist es nur in sehr geringen Maßen in sehr wenigen Lebensmitteln enthalten. Dazu zählen unter anderem fettreicher Fisch wie Kabeljau oder Lachs, aber auch Butter und Eier. Es ist dem menschlichen Körper daher möglich, anders als bei anderen Vitaminen, 80% bis 90% des benötigten Vitamins auch selber herzustellen. Dafür braucht er jedoch Unterstützung des Sonnenlichts und dort beginnt für die Esten (aber auch jede andere nördliche Nation) das Problem.
Dreißig Minuten Sonne sind keine Seltenheit
Um den Bedarf an Vitamin D zu decken, benötigt es kein tägliches Sonnenbaden oder Schwitzen in der Mittagssonne, sondern nur das regelmäßige Aufhalten im Freien. Dabei sollte mindestens ein Drittel des Körpers unbedeckt sein, zum Beispiel Hände, Arme und Gesicht, sodass die Vitamin D-Synthese im Körper ablaufen kann. Die beste Zeit für die Produktion erstreckt sich in Deutschland übrigens von März bis Oktober, womit die meisten Deutschen für das restliche Drittel des Jahres ausgesorgt haben. Unser Körper ist nämlich dazu in der Lage, das wertvolle Sonnenvitamin für die kalten und dunklen Monate zu speichern. Was für Deutschland und die meisten Länder der Erde problemlos funktioniert, gestaltet sich in den nördlich gelegenen Staaten jedoch schwieriger. Skandinavien, aber auch Estland, kämpfen mit dunklen Wintern, die schon im Oktober beginnen und sich bis in den April ziehen können. Im Dezember beträgt die durchschnittliche Tageslänge in Tallinn sechs Stunden, sodass die Sonne bereits um kurz nach 15 Uhr untergeht. Außerdem dominieren Wolkendecken den Himmel, sodass der durchschnittliche Sonnenschein im letzten Monat des Jahres pro Tag gerade einmal dreißig Minuten beträgt. Doch selbst wenn die Sonne einmal scheint, so ist die Produktion von Vitamin D noch nicht gesichert. Abhängig ist diese nämlich vom UV-B-Anteil im Sonnenlicht, welcher wiederum vom Einfallswinkel der Sonnenstrahlen auf der Erde abhängt. Je geringer der Einfallswinkel, umso geringer ist auch der UV-B-Anteil im Sonnenlicht. Demnach kann in den nördlichen Breitengeraden teilweise selbst bei klarem Sonnenschein während der Mittagszeit kein Vitamin D durch die Haut gebildet werden. Daraus entstehende Vitamin D-Mängel äußern sich durch ständige Müdigkeit, Schlafstörungen oder auch Muskelschwäche. Eine Studie der Universität Tartu fand heraus, dass mehr als die Hälfte aller Esten im Winter an einem geringen bis sehr starken Mangel des Sonnenvitamins leiden. Es ist daher keine Überraschung, dass Vitamin D in Estland nicht nur in Apotheken, sondern auch in den meisten Supermärkten verkauft wird. Dabei folgen die Esten einer einfachen aber effektiven Regel, die auch Ausländern gerne ans Herz gelegt wird: In jedem Monat, der ein r im Namen enthält, sollte der Körper durch die Einnahme von Vitamin D unterstützt werden. Bedeutet, die meisten Esten nehmen durchgängig von Anfang September bis Ende April täglich Vitamin D in jeglichen Formen zu sich. Am beliebtesten und preisgünstigsten sind dabei Brausetabletten, welche in einem Glas Wasser aufgelöst werden und dann bestmöglich vor einer Mahlzeit zu sich genommen werden.
Mangel auch in Deutschland möglich
Obwohl beispielsweise in Berlin im Dezember der durchschnittliche Sonnenschein dreimal so hoch liegt wie in Tallinn, ist Vitamin D-Mangel in den letzten Jahren auch in Deutschland zum Thema geworden. Während vor einigen Jahren eigentlich nur ältere Menschen, deren Haut die Vitamin D-Synthese immer schwerer fällt, sowie Personen mit einem dunkleren Hauttyp, welche sich länger in der Sonne aufhalten müssen, um eine ausreichende Ration des Vitamins bilden zu können, dafür anfällig waren, zeigen neue Entwicklungen, dass auch immer mehr junge Menschen in Deutschland an einem Mangel leiden. Dies ist durch veränderte Lebensstile zu erklären, sodass immer mehr Menschen ihre Freizeit mit Handy, Fernseher und Co. verbringen und sich auch am Arbeitsplatz nicht ausreichend im Freien befinden. Täglich wird empfohlen, abhängig von Hauttyp und Alter, sich mindestens 15-30 Minuten im Freien aufzuhalten. Wem dies nicht gelingt, der kann einen Bluttest, den sogenannte Vitamin-D-Spiegel, beim Hausarzt durchführen lassen und im Falle eines Mangels zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen. Die Einnahme von Präparaten mit einer hohen Vitamin D-Dosierung sollte jedoch immer mit einem Arzt abgesprochen werden. Eine Überdosierung des Vitamins ist auf natürlichem Wege, also durch exzessives Sonnenbaden oder hohen Verzehr von Lebensmitteln, die Vitamin D enthalten, zwar nicht möglich, in Kombination mit hochdosierten Supplementen jedoch durchaus denkbar. Personen, welche täglich mehr als 100 Mikrogramm des Sonnenvitamins aufnehmen, riskieren damit beispielsweise Appetitlosigkeit, Übelkeit und Nierensteine bis hin zu kompletten Nierenversagen.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Vitamin_D#Bildung_in_der_menschlichen_Haut_durch_Sonnenlicht
https://www.apotheken-umschau.de/Haut/Vitamin-D-166123.html
https://www.gaed.de/informationen/merkblaetter/sonnenlicht-und-vitamin-d.html
https://www.weather-atlas.com/de/estland/tallinn-wetter-dezember#daylight_sunshine