Abschlussbericht
Eine Insel. Mit vielen kleinen und größeren Bergen. Steilen Wegen, engen Pfaden. Drei Meilen lang und an der engsten Stelle etwa 800 Meter weit. Alles was zu Irland dazugehört...
Eine Insel.
Mit vielen kleinen und größeren Bergen. Steilen Wegen, engen Pfaden. Drei Meilen lang und an der engsten Stelle etwa 800 Meter weit. Alles was zu Irland dazugehört.
Steilklippen denen man bis unter die Wasseroberfläche folgen kann, wenn man die richtige Ausrüstung hat. Seegras und Makrelen die sich im türkisblauen Wasser tummeln. Manchmal Haie, fast immer Delphine und Seehunde in kleinen Höhlen unter den Klippen. Weiter draußen Wale. Ein See der im abendlicht glänzt, bevölkert von Möwen und Schwänen. Kühe. Ziegen. Perlhühner. Hühner Pferde. Hasen. Keine Schafe. Der alte Leuchtturm auf dem südöstlichen Teil der Insel die Sonne begrüßend. Der neue Leuchtturm auf dem südwestlichsten Stück Lands gelegen, die Sonne verabschiedend. Wie gesagt Berge und Höhlen. Sogar ein kleiner Wasserfall. Narbenartige Schluchten die sich über die Westseite der Insel ziehen. Windräder die seit Jahren nicht mehr in betrieb sind und mit der Zeit immer noch nicht verrostet sind. Etliche kleine Kieselstrände überseht mit Muscheln, Seegras, zwischen den größeren Felsbrocken tauchen ab und zu Robbenköpfe auf und verschwinden dann wieder im doch relative kalten Wasser. Trotz Golfstrom unendlich viele Steinwälle die sich wie ein Labyrinth über die Insel ausbreiten. Moore und Weiden erstrecken sich über die unbewohnte Westseite der Insel. Wenn es viel geregnet hat muss man von Grasbüschel zu Grasbüschel springen um nicht stecken zubleiben im Matsch. Über Tore klettern unter Zäunen sich durchzwangen.
Von September bis Mitte April Gummistiefel tragen. Immer wissen, wo der Bulle sich zurzeit aufhält und ihm am besten nicht begegnen. In die Luft schauen. Hinter Äste und Zweige. Gelbe Stachelbüsche. Heidekraut. Kleine, pinke Orchideen. Im Spätsommer hangeln sich Brombeeren über die Steinmauern und eigentlich überall dorthin, wo sie nicht zurückgedrängt werden. Süße Früchte. Große weiße Lilien, Honeysuckle. The South harbour beach, die größte Bucht der Insel mit zwei Stränden und etlichen Steinformationen die sehr zum klettern einladen und von denen aus im Sommer gefischt wird. Kanufahren und Schnorcheln im Sommer, im Winter aufpassen, dass man nicht von den über die Mauern schwappenden Wellen nass wird. Oder einfach stehen bleiben und schauen. Raus aufs Meer, zum Horizont. Weiße Gischt verrät Leben unter Wasser. Finnen die sich ihre Abendmahlzeit zusammensuchen.
Ein belebter Nordhafen, von wo aus die Fähre die ihre Farbe von grün zu blau änderte dreimal täglich aufbricht um Menschen aufs Festland zu bringen.
Nach Irland.
Das ankommen und gehen der Fähre bestimmt den Tagesablauf der Insulander, denn dieses Boot bringt alles. Als Lebenslinie der Insel bringt beispielsweise Baumaterial, Kohle und Holz, Steine, Zement. Babys und Särge. Eine grüne Box die inzwischen Blau ist beschützt die in Karton gepackten Lebensmittelpakete vor dem Salzwasser. Morgens wird die Einkaufsliste telefonisch an den nächsten Supermarkt in Skibbereen durchgegeben und abends kann man seine mit Kordel zugeschnürte Box am Pier abholen. Sich manchmal wundern wie aus einem Kilo Apfel ein einziger werden konnte. Erwartungsvoll betrachtet man die Passagiere heimkehren, gespannt was noch so von Bord kommt. Wie man die Überfahrt überstanden hat, denn vor allem in den winterlichen Monaten kann es sehr stürmisch zugehen, sodass es immer einige sehr weiße Gesichter beim anlegen zu sehen gibt. Die Häuser liegen alle versprenkelt über die Insel verteilt. Sich an die Felsen lehnend suchen sie vor dem vor dem kalten Südwestwind duckend Schutz. Sie überblicken den ganzen Roaring Water Bay und genießen jeden Abend den Sonnenuntergang Alte und neue und viele zu viele leere Häuser. Kohlen und Torffeuer, fließendes Wasser oder eben auch nicht. Chaotisch und unaufgeräumt, heruntergekommen, arm und eben auch aufgemotzt reichbestückt und erhaben. An den Wänden kitschige Heiligenbilder mit Leuchten umrahmt.
Der größte Teil des Insellebens spielt sich zwischen eben diesen beiden Häfen ab Nord- und Südhafen. Ein kleiner Shop wartet auf durchnässte Touristen und hungrige Insulaner direkt neben dem Pier, mittlerweile hat ein Craftshop aufgemacht und auch die beiden Pubs haben fast durchgängig geöffnet. Ein weiterer befindet sich über dem Shop und bietet jedes Wochenende Musik, allerdings nur im Sommer. Cotters in Rot, Ciaran Danny Mikes in Gelb-Blau und der Club irgendwie in Stein und altem Holz. Im Sommer und im Winter.120 Insulaner. Aus aller Welt. Eine Russische Familie, eine Polnische. Vertreter vom Baskenland, England, Schottland, Wales, Singapur, Neu Seeland, Deutschland und Frankreich. An manchen Sommertagen befinden sich etwa vier mal so viel Besucher auf der Insel wie Einwohner. Capers. So nennte man die Bewohner dieser kleinen Insel auf dem Festland, auch wenn es nur etwa eine Stunde bis in die ‚normale’ Zivilisation ist, liegen doch Welten zwischen der großen und der kleinen Insel.
Ein Jahr Irland.
Oft ist es schwer einzuordnen, welche Jahreszeit gerade ist, kann es doch passieren, dass nur an einem Tag Sommer, Winter, Frühling und vor allem Herbst aufeinander treffen. Wind und sehr viel Wetter, besser nicht wegwehen lassen. Der Grund, mehr Schokolade zu essen. Geduld lernen beim Feuermachen, denn sonst ist es zu kalt da es keine Heizung gibt und ohne Feuer kein warmes Wasser. Kohlenfeuer ist viel toller, als Torffeuer, hab ich mir sagen lassen. Die Luftfeuchtigkeit liegt bei über hundert Prozent. Man kann kaum einen Meter weiter sehen. Alles versinkt im Nebel und ich wohne auf einer Wolke.
On top of the hill, in einem kleinen Häuschen. Erst mal drei Monate allein. Das nächste Haus fünf Minuten weit weg, ist das einzige weit und breit. Anfangs keine Dusche, kein Telefon und nicht warm. Hinter dem Haus der Weg zum Leuchtturm, zu den Windrädern, dem höchsten Punkt der Insel. die Zeit steht manchmal still und wenn man genau hinhört, hört man tatsächlich gar nichts. Sehr viel Ruhe. Sehr viel Zeit. Oft saß ich auf der Mauer vor unserem Haus in der Sonne, um zu schreiben oder zu lesen, die Auswirkungen des Sonnenuntergangs betrachtend. Wow! Man sieht das Meer. Das Festland dahinter. In der Küche prasselt das Feuer gelangweilt vor sich hin und weil es wohl zu wenig Aufmerksamkeit kriegt, qualmt es netterweise die Küche zu. Aber wen stört das, wenn man im noch nicht beheizten Zimmer mit wunderschönem roten Holzfußboden und grünen Leisten mit Musik in den Ohren am Fenster sitzen kann und neben sich einen warmen Kakao stehen hat. Das weite offene Meer. Unglaublich beruhigend bisher. Ich war schon lang nicht mehr so ruhig irgendwie. Abendspazierwanderung. Panorama View. „The end of the world”. Sowieso sind die Sonnenuntergänge das Unglaublichste. So was Schönes hab ich selten gesehen. Aussichten. Im Schutz der Felsen gelegen. Hoch immer höher um weiter zu sehen. Der Blick. Ganz klein und unbedeutend. Denn so kommt man sich doch vor, wenn man ganz oben auf der Klippe an einen moosbewachsenen Stein lehnend sitzt und knapp zwei Meter weiter die Felsen steil ins Meer stürzen. Dahinter eine graue Endlosigkeit...einfach um zu sehen wie es sich anfühlt ein paar vorsichtige Schritte weiter nach vorne. Umdrehen und den Weg weiter zum alten Leuchtturm rennen. Zwischen lila und gelben Piekspflanzen deren Namen ich immer vergesse, aber die pieksen wie sau und meine Beine wiesen ein interessantes Muster aus roten Punkten und Kratzern auf, vielleicht hätte ich diese mal verbinden sollen und daraus entsteht dann die Karte zum Schatz. Come on. Diese Momente, die man nicht stehlen kann und so gerne teilen würde.
Der Herbst wollte nicht so schnell ankommen und so bleibt der Sommer noch ein bisschen länger in den Hecken und Fuchsienbüschen hängen. Die Nächte werden sternenklar und kalt, weißes Mondlicht erleuchtet von nun an die fehlende Treppe vor dem Haus. Da wo sich ganz am Ende Klippen und Wasser treffen, da wo die Insel stur auf ihr Recht als Landmasse besteht, da wo von Zeit zu Zeit die Wellen höher schlagen, als es der Wasserpegel vermuten lässt, da wo die Seehunde in den Felseinmündungen Schutz vor der Strömung suchen, da wo man lieber nicht stolpern soll, da wo man auch sich besser nicht alleine aufhält an stürmischen Tagen, da wo man sich in der Horizontlinie verliert und vom Neongrün der Wiesen geweckt wird, wenn man sich dann mal umdreht, da wo man hin verschwindet, wenn die Insel zu klein wird, da wo einen nur Gummistiefel tragen können, da wo die Insel im Besitz von anderen ist, da wo man wie auf einen Drahtseil über allem spaziert und sämtlichen Zusammenhang verliert, da wo es auch mal passieren kann, dass man face to face zu einem Bullen steht, wenn man den falschen Weg einschlägt, da wo der nächste feste Punkt Amerika ist, Europa im anderen Blickwinkel, da konnte man mich die in meinen ersten Wochen relativ oft finden.
Auf der suche des Rotenfadens. Auf der fremden Inselseite. Sämtliches Zeit- und Raumgefühl verwandelt sich auch in eine dicke zähe Masse, die einen umgibt wie klebriger Nebel. Weil man spät schläft und früher aufsteht. Fast gestolpert und runtergefallen. Rückwärts laufend am Ende der Welt. Ins Schwarze fallend. Über den Rand. Die Ohren weiterhin offener und die Augen immer auf die kleinste Bewegung konzentriert den Hügel rauf und runter. Noch am Lernen aber der Blick verfeinert sich und immerhin hab ich ja auch jetzt ein Buch um nachzulesen, wer da so durch die Luft wirbelt. Meistens mehr rauf als runter. Stockdunkel. Aber. Der Mond hatte wohl mit den durch Pfützen stolpernden Kreaturen Mitleid und scheint seit ein paar Tagen fast voll in seinem silbrig glänzenden Licht. Plötzlich ist der Oktober vorbei und nun freut man sich auf März. März? August eigentlich, wenn alles wieder von vorne anfängt. Migration. Der rote Mond. Verwandelt alle Kinder und Eltern und die, die irgendwie auch dazugehören, in Monster, Vampire, Katzen und Feen. Pinguine und Piraten. Immerhin ein seltener Vogel heute. Scary. Untergehend in einer Herde Kinder die von Haus zu Haus ziehen. (Dazu ist zu sagen, dass Haus zu Haus eine etwas größere Distanz sein kann, stehen die ganzen Häuser doch sehr verlassen in der Landschaft herum.) In der Ferne blöken ein paar gelangweilte Kühe, die durch das Feuerwerk, in Irland übrigens illegal, aufgeweckt wurden. Fackeln. Trick or Treat? Grade noch in Gummistiefeln findet man sich sogleich als Piratin wieder, was sonst. Ein Feuerwerk am Campingplatz. Alt und Jung erwartungsvoll in ausreichend Entfernung versammelt. Zwei ‚kleine’ Jungen dürfen Zündmeister spielen und haben einen riesigen Spaß dran. Zwei Väter. Auch muss davor Schull (Ort am Festland) angerufen werden, damit man die Lichter nicht für Hilferufe von versinkenden Schiffen hält. Wow...ahh very nice. Lovely. Gorgeous. Das ganze Repertoire like.
Like ist auch so ne Sache. Ein Füllwort, dass man fast überall dranhängt oder eben auch dazwischen. Like. Aufwärmen am Kohlenfeuer in Cotters. Die vor ein paar Tagen Notgelandete Storm Petrel ruht sich noch im Birds Observerty aus, um bald sich wieder auf den Ozean hinauszugleiten. Zu wenige Pullis angezogen. Die Nächte werden kalt. Sternschnuppenhagel. Eine Fackel in der Hand den Hügel hoch...der Mond steht groß und gelb rechts vom Fastnet. Blink. That’s the island.
Der Winter.
Es sind ja auch immer die kleinen Sachen zwischendrin, die sooft zum Mittelpunkt werden. Über Nacht wurde es Winter. Was war das für ein Winter? Ein langer unfreundlicher Winter. Der Schlechteste seit langem. Normalerweise sind es fünf Tage im Durchschnitt an denen das fahrplanmäßige Crossing der Fähre verschoben oder abgesagt wird, in schlechten Wintern sind es um die Acht Tage. Diesen Winter waren es mehr als 15 Tage an denen die Fähre entweder gar nicht oder höchstens nur einmal gefahren ist und dann auch sofort wieder zurückkommen musste. Glück gehabt. Winter auf Cape Clear ist einfach etwas ganz besonders und um ehrlich zu sein darf man den Winter hier nicht unterschätzen. Was bleibt denn hier zu tun, als sich beständig um sich zu drehen. Naja, mehr oder weniger beständig ist wohl richtiger.Fehlende Sonnenstrahlen, fehlender Elan und von Motivation kann schon gar nicht die Rede sein. Antrieb? Wenig Brennstoff, wenn einem ständig droht der Boden unter den Füßen weggezogen zu werden. Winter. Es war nicht wirklich kalt. Sehr windig und ja natürlich einiges an Regen obwohl ich da mit mehr Nass gerechnet hätte. Wochenende? Wohin? Wer? Da kommen dann doch einige an Zweifel auf. Einige ist vielleicht noch untertrieben. Wer? Nicht dabei zu vergessen, was diese Insel doch noch ist, wie viel sie denn noch sein muss. Bitter. Nein es war ja alles richtig. Aber verdammt, hätte das nicht alles einfach sein können? Hat man das nicht schon alles besser hier erlebt? Wurde das hier, dieses besondere doch schon mal so viel besser umgesetzt? Hätte es nicht wesentlich einfacher sein können. Immer wieder diese Frage. Diese Frage, die so wenig Sinn macht, liegt es doch alles am Heute, hier und jetzt zu ändern, was noch umzudrehen geht. Bis ins kleinste nachvollzogen was die Beweggründe sind. Vor allem waren. Und immer noch keinen einzigen Schritt weiter. Konstanten die schon immer im Weg stehen sind weiterhin nicht von der Stelle zu bewegen. Wie soll man denn doch auf irgendwas fundamentales treffen wenn im Grunde alles auf Unbeständigkeit basiert? Wie das Wetter unpredictable. Zwischen den vielen Regenvorhängen funkelten dann doch einige Tage durch den scheinbar undurchdringlichen Schleier. Frühlingstage an denen alles endlich wieder aufzuwachen beginnt. Vogelstimmen. Grün zwischen all dem Braun. Da waren echt ein paar Perfekte Momente. Voller Glanz und ausgeschlafener Lebensgeister. Erfüllt durch neue gefundene Wegstücke. Klippen, die man hochklettert und erstaunlicherweise nicht runterfällt ( um ehrlich zu sein war das sau knapp ,aber ich musste da einfach unbedingt hochklettern..;) ).
Die Arbeit.
Meine Arbeit war nicht von dem Ort zu trennen, das EVS nicht von Cape. Deswegen erst mal so viel über die Insel und das Inselleben. Obwohl ich schon für meine Aufnahmeorganisation einen Bericht geschrieben hab, ist es gar nicht so einfach alles mit einzubringen, was ich erlebt habe. Das Programm für die Freiwilligen war sehr offen ausgelegt und es gab genug Raum um neues auszuprobieren. Vielleicht war es allerdings zu offen letztendlich.
Die meiste Zeit hab ich in dem kleinen Kindergarten (Nionra) gearbeitet. Von Morgens bis Mittags die kleinsten der Insel (ein bis drei Jahre). Gespielt, gematscht, gemalt. Anfangs war es nicht ganz einfach sich einzufinden und das Konzept der Organisatoren wurde mir leider erst erklärt als mein EVS fast schon zuende war. Offenes Spielen und spielen lassen. Am Strand Burgen bauen, kleine Kriechtiere in Pfützen baden sehen. Erleben lassen. Danach eine Gruppe von Schulkindern (vier bis zwölf Jahren) mit denen man dann schon ein bisschen mehr was machen konnte. Segelboote bauen, Hütten und Batiken. Es waren schon sehr spezielle Kinder, man muss sehr berücksichtigen, in welchem besonderen Umfeld sie aufwachsen. Das es eben nur eine kleine Insel ist und die Kids sich ständig sehen, und eben keine anderen Kinder von außerhalb. Alle wie Geschwister folglich. Auch darf man nicht vergessen ,dass durch das kommen und gehen von Freiwilligen in den letzten Jahren oft feste Bezugspersonen durch den ständigen Wechsel gefehlt haben, was es nicht einfacher macht an die Kids dranzukommen. Grade aber weil sie in einem so speziellen Umfeld aufwachsen, hab ich eigentlich damit gerechnet, dass diese Kinder gerne draußen rumtoben, offen sind für neues und leicht zu begeistern sind. Das war leider nicht ganz der Fall von daher war es oft eher ernüchternd nach den afternoon sessions festzustellen, dass das was man lange vorbereitet hat nicht zum Einsatz kam oder eben als langweilig empfunden wurde. Aber es sind ja eben auch nur Kinder. Somit waren es eher die Morgende auf die ich mich gefreut habe und die mir am meisten Spaß gemacht haben.
Ein weitere Teil des Programms war die Arbeit mit den ältesten Bewohnern der Insel Zeit zu verbringen. Zwei mal im Monat traf man sich zum gemeinsamen Mittagessen und späterem zusammensitzen und erzählen. Da viele der old folkes eben nicht mehr ihre Häuser verlassen (können) waren diese Nachmittage oft die einzigen Tage an denen sie sich mit anderen austauschen konnten und den neusten Klatsch und Tratsch verbreiten konnten. Zweimal bin ich mit der ganzen Gruppe auch ans Festland gefahren um dort ein Theaterstück zu besuchen oder andere ähnliche Gruppen zu treffen. Manchmal war es auch Teil der timetables die old folkes in ihren Häusern zu besuchen und gemütlich bei Tee und Keksen alte Geschichten zu hören oder einfach nur da zu sein.
Daneben gab es dann noch eine ganze Reihe an kleinen anderen Jobs. So hab ich bestimmt 15 Zimmer gestrichen (in einem Haus konnte ich sogar die gesamte Wandgestaltung selbst planen, das heißt: Farben, Vorhänge etc. aussuchen). Auch mussten die Strände sauber gehalten werden, Straßen und Wege begehbar bleiben. Einige Bäume hab ich gepflanzt, etliche Blumen und Unkraut beseitigt. Die unangenehmsten Arbeiten waren wohl die ganzen Putzarbeiten (ich hab noch nie so dreckige Kühlschränke und so dicke Schimmelschichten gesehen).
Die timetables entsprachen fast genau der im Internet vorhandenen Beschreibung, trotzdem kamen mir zwischendrin oft Zweifel, wie sinnvoll meine Arbeit ist, schien es doch oft so, dass all diese kleinen Jobs durchaus von den Inselbewohnern hätten selbst bewältigt werden können, wenn es eine bessere Zeitplanung und vielleicht auch bessere Arbeitsmoral geben würde. Denn obwohl ich mir meine Arbeit oft selbst einteilen konnte, hab ich mich selten wirklich ausgefüllt geschweige denn erfüllt gesehen in meinem Tun. Was man allerdings nicht vergessen darf ist, dass dieser Freiwilligendienst für die Insel nicht nur den Aspekt einer weiteren Arbeitskraft hat, sondern eigentlich vor allem dafür sorgt, dass sich eine neue Person auf der Insel befindet. Vor allem im Winter neue Geschichten kennt, neue Beziehungen knüpft und von einem anderen Land und einer anderen Kultur erzählen kann. Ich denke, das genau dieser Punkt für das Inselleben eine durchaus wichtige Rolle spielt, sind die Inselbewohner doch sonst nur auf sich angewiesen und kennen sich wirklich schon seit Jahren. So ist es sicherlich wohltuend mal fremde Gesichter mit neuen Ideen und Ansichten unter sich zu wissen. Hinzu kommt allerdings noch das Inselleben an sich, denn grade auf so kleinem Raum auf dem die gleichen Familien seit Generationen wohnen, herrscht ein beachtliches Konfliktpotential durch alte „Feindschaften“, ständigen Klatsch und Tratsch und vielleicht auch ein Hauch von Langeweile. Spannungen sind leicht zu spüren gewesen und vor allem im Winter waren es viele Auseinandersetzungen, die die ganze Atmosphäre der Insel negativ beeinflusst haben. Auch sollte man sich bevor man sich für dieses Projekt entscheidet bewusst sein, was es heißt auf einer Insel zu wohnen, was es für einen selbst bedeutet, wenn es von Oktober bis März durchregnet an einem Ort von dem aus man eben nicht einfach mal in die Stadt fahren kann, keine Kinos, keine Cafes, vor allem keine Anonymität. Es ist nicht möglich einfach mal raus zu kommen, es sei denn man verbringt das Wochenende auf dem Festland, aber der nächst größere Stadt ist auch drei Stunden entfernt.
So langsam beginne ich zu verstehen...
Ein bisschen mehr hab ich gesehen von Irland inzwischen und so langsam beginn ich ansatzweise zu verstehen. Dieses Land und die Menschen. Was so anders ist obwohl es so ähnlich scheint Einiges an Geschichte und Geschehen das besser verstehen lässt warum und wie sich das hier alles zusammen setzt –setzte.
Es ist nicht die kleine so romantische Insel - naja nicht nur. Da ist so viel Schleier abgefallen ,so viel Nebel hat sich gelichtet. Was sind das für Menschen, die hier leben. Eine Community von 120. jeder kennt jeden. Jeder sieht jeden. Jeden Tag. Morgens. Abends. Mittags. Wie viele Persönlichkeiten schafft man sich da im Laufe der Zeit? Was verbirgt man da noch und was wird bewusst nach außen getragen? Was. Muss man um Anonymität zu erleben aufs Festland eilen und sich dort austoben? Sich dort zeigen ,wer man ist ,wo man ist und wie viel man kann? Schätze die sich in den Gewölben unter den eigenen vier - meistens doch mehr - Wänden verstecken und dort behütet durch die Hand von Tradition und bloßem Irrglauben über Jahre hinweg wachsen. Unter dieser Insel liegt ein Schatz. So unermesslich in seinem Umfang, dass, wenn er eines Tages mal gehoben werden sollte, das ganze Fundament dieser kleinen Welt hinwegsackt. Weg. Einfach im Meer versinkt. Wo dann mal Cape Clear lag wird sich zeigen auf was dieses wacklige Konstrukt eigentlich aufbaut. Rauch. Rausch und Ramsch aus den letzten sieben Jahrhunderten. Vielleicht noch älter? Was bleibt da in den Köpfen, besser, was geht da nicht mehr raus? Was ist es das hier beständig sich ausbreitet wie Efeu sich einnisten zwischen den Mauersteinen und Stück für Stück die Steinwälle auseinander sprengt? Was? Religion? Kultur? Menschsein? Uralte Familienbesitztümer, Gedünkel und kein Hauch von dem 21. Jahrhundert. „Diese Insel gehört mal ordentlich am Kragen gepackt und ins 21. Jahrhundert geschleift“, sagte mal ein Insulaner der vieles gelassener betrachten kann, weil er den Verwicklungen und Verknotungen der unterschiedlichsten Generationen weitgehend entkommen ist.
Eine Studie über dieses Inselleben. Was für ein Leben. Was für eine wunderschöne, einzigartige Kulisse um zu leben. Aber wie? Und in welchem Alter? Was ist mit den Kindern, die hier aufwachsen? Diesen einzigartigen Königskindern? Was passiert, wenn sie diesen so beschützten, für sich selbstverständlich als ihr Königreich angesehnen Stück Felsen verlassen müssen und auf das große weite Festland ziehen müssen? Manche lassen es eben bleiben. Treiben auf ihren Eisschollen um das bekannt Eiland und um das bekannte Königsland. Bemerkenswert wie viel Könige es hier gibt. Natürlich zieht das ein relativ hohes Konfliktpotential mit sich. Eine Hochexplosive Mischung aus familiären Verstrickungen, Jahrelang gehegten und gepflegten Rivalitäten und einer Guten Portion Stolz. Wenn hier etwas bewegt werden will- in den Köpfen so wie an Landesverteilungen- muss mit mehr Aufwand gerechnet werden als an vielen anderen Orten auf dieser Landkarte. Verankert sind all diese großen bedeutenden Namen und Geschichten. Da gibt es die O’Driscolls und die O’Leanards, Cotters und Chadagens. Und jeder hat seine eigene Definition von richtig und falsch, eigentlich nicht weiter äußergewöhnlich anders jedoch ist die Auslegung dieser Polungen sollte es mal zu einem Fall kommen wo sich Inselost gegen Inselwest wendet. Neutralisierende Elemente sind wohl bedacht zwischen diese Grenzlinien gestreut worden. Etwas wogegen sich beide Seiten wenden können, sollten sie sich ausnahmsweise mal nicht mit sich selbst beschäftigen.
Tümmeln sich die Hände, soweit sie denn noch reichen, mittlerweile um den Rumpf der Lebenslinie zum Festland, obwohl die letzten Entscheidungen noch nicht getroffen sind, ist doch schon gründlich zwischen gut und böse aussortiert worden. Somit wird die kleine beschauliche Insel zum unübersichtlichen Chaos und alles spielt sich auf einem ungleich verteilten Schachbrett ab. Nicht schwarz oder weiß. Nicht Orange oder grün. Sondern Osten und Westen. Geschickt wurden in diesen sich weitenden Konflikt noch weitere kleine Stolpersteinchen eingebaut, beliebig austauschbare Figuren die zwischen dort und hier hin und herpendeln, wie der eigentliche Grund des ganzen Wirrwarrs. Gibt es etwas anderes, was einem da noch über die Lippen kommt, vom Wetter natürlich abgesehen?
Allein als Zuschauerin war dieses Inselleben manchmal sogar erschreckend. Einiges hab ich von diesem Schauspiel lernen können, über die Menschen, über Stärke und Schwächere, darüber wie weit man geht ,wenn der glänzende Stolz irrtümlicherweise verkratzt wurde. Aber auch über mich selbst. Darüber was mir wichtig ist, was ich brauche und was mich erfüllt. Zeit genug zum Denken gab es schließlich. Allerdings bin ich durch dieses Umfeld, das Inselleben und auch vielleicht durch das viele Alleinsein auch an meine Grenzen gestoßen. Zwar wollte ich nie wirklich unter allen Umständen nach Hause, trotzdem war und bin ich der Überzeugung, dass es hätte einfacher sein können, da eine Reihe von Ereignissen, die ich nur teilweise beeinflussen konnte relativ unglücklich sich vorsetzte. Ich kann jedem, der sich für dieses Projekt entscheidet nur raten sich wirklich bewusst zu machen, dass es eben nicht nur eine kleine, bezaubernde Insel ist auf die man sich da einlässt.
Im Laufe der Zeit lernt man doch einiges über den Ort an dem man sich so intensiv aufhält. Über Lebensweise, Kultur und eben auch sich selbst. Meine kleine Insel ist ein wirklich besonderer Ort...;) Nicht immer ganz einfach auszuhalten, aber seit ich hier bin vermisse ich sie sehr. Landschaftlich unglaublich schön. Fast zu schön manchmal, wenn man die Momente nicht teilen kann. Aber mit einigen tollen, offenen und sehr lieben Menschen, die mich immer unterstütz haben und mit denen ich hoffentlich noch ein bisschen in Kontakt bleibe. Das war also mein Jahr mit und auf der Insel....bei Fragen einfach fragen.
Slán go fóill.
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