Abschied und Abenteuerlust
Die Abschiedsfeier ist vorbei, fast alle Lieben sind verabschiedet, ein paar Tränen wurden vergossen. Der Abschied fällt schwer - und doch kommt sie immer mehr auf, die Abenteuerlust. Ich gehe weg, um Abenteuer zu erleben, die Welt zu sehen, Menschen zu treffen. Und ich kann es kaum erwarten.
Mein Wohnzimmer ist voller Leben. Gesprächsfetzen fliegen durch den Raum, ein Lachen erklingt. Feine Gläser klirren, eine Flasche Mineralwasser oder Cidre zischt, Gabeln kratzen über halb leergegessene Teller. Aus der Küche nebenan riecht es nach Flammkuchen, Baguette, Käse und Mousse au Chocolat. Irie Révoltés kommt aus den Lautsprechern. Typique pour la France.
Ein letztes Mal habe ich alle meine liebsten Leute um mich. Wir reden darüber, was vor uns liegt, ein Studium in München oder in Regensburg, eine Ausbildung in Ingolstadt, ein Auslandsjahr in Frankreich. Die ersten haben uns schon verlassen, sind bereits in Weimar, in London oder Spanien und haben ihr eigenes Abenteuer begonnen. Sie schicken Bilder von ihrer Wohnung und der Stadt, von Land und Leuten. Spannende Geschichten.
Wir erinnern uns an die lange Zeit, die hinter uns liegt. Die Schulzeit, in der alles so wichtig und aufregend schien, und man doch im Nachhinein sehr behütet und frei war. Viel waren wir zusammen, und noch jetzt reden wir gerne über die Highlights, den Abiball, den Skikurs, die Seminarabgabefeier, unsere Studienfahrt nach Irland.
Ich bekomme Bilderrahmen, mit einem Foto von unserem Ball, als wir alle zusammen ein Selfie machten und damit Erinnerungen schufen, oder davon, als wir vor unserem Abitag auf der Wiese saßen und nicht glauben konnten, wie frei wir jetzt sind. Auch ein wunderschönes Gedicht haben sie geschrieben, wunderbar ehrlich und direkt. Es kommt mit den Abschiedskarten in mein neues Zimmer. Dann stoßen wir darauf an, dass es schön wird und wir etwas erleben werden.
Nach und nach verabschiede ich meine Freunde. Wir nehmen uns lange in den Arm und lachen und jammern. Natürlich werden wir uns vermissen, das ist doch klar. Jetzt sehen wir uns nicht mehr jeden Morgen, schauen mal vorbei, gehen in die Disco.
Aber wir schaffen das, und da sind wir uns sicher. Egal, wie weit weg wir gehen oder was wir vorhaben. Wir verteilen uns, weg von unserer kleinen Welt, und ziehen hinaus, jeder für sich, um etwas zu erleben. Und wenn wir wiederkommen, dann haben wir tausend und eine Geschichte im Gepäck, die wir uns erzählen können.
Für mich geht es in wenigen Tagen los. Mein Zimmer ist ein geordnetes Chaos. Überall liegen Stapel von Dingen, Pullover, Tops und Wäsche, Bücher und Taschen. Die erste Kiste mit Dingen ist schon unterwegs nach Redon, in meine neue Heimat. Ich weiß noch nicht, wie das alles in einen Koffer gehen soll, aber irgendwie habe ich noch alles gelöst auf meinem Weg zum EFD.
Lauter Kleinigkeiten stehen noch auf meiner Liste, Weg recherchieren, Schmuck packen, Handy sichern. Plötzlich ging es doch schneller als gedacht. Doch jetzt ist sie da, die Abenteuerlust, l’aventurisme.
Ich will los, nicht mehr planen, sondern erleben.
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