Ab ans Meer
Achterbahnfahrt der Gefühle ohne Achterbahn. Die ersten zwei Tage in Dalian.
Endlich Ferien. Die goldene Woche in China. Es sind die längsten Ferien in China, vom 1.-8.10. reisen die Chinesen zu ihren Familien und durchs Land und feiern am 4.10. das Mondfest. Mein Wunsch war es das Meer zu sehen. In Begleitung einer damals chinesischen (vor der Reise) Bekannten (,nun Freundin) konnte ich mir diesen Wunsch erfüllen. In Denglisch war die Kommunikation nicht immer einfach, aber wir haben immer einen guten Weg gefunden unsere Wünsche zu verbinden.
Am 3.10. ging es los. Ich war stolz auf mich: Gepäck für fünf Tage in einem Rucksack. Das hatte ich zuvor nicht geschafft. Im Taxi ging es zum Bahnhof, die Vorfreude und Neugier stieg. Wir hatten uns zwei Plätze in einem älteren, langsameren Zug gebucht, 5 Stunden Fahrt statt 2 Stunden im Schnellzug, drei Mal billiger. Ich würde es immer wieder so machen, denn die Erfahrung in einem überfüllten, verrauchten Zug durch wunderschöne Berglandschaften und riesige Städte zu fahren, ist einfach toll. Ich kann auch verstehen, wenn sich mancher in diesen Menschenmassen unwohl fühlt oder Panik kriegt; für mich war es „eben anders“. Mich wurde aber auch direkt klar: So viele Menschen auf engem Raum, alle müde vom langen Stehen und schwerem Gepäck, sehnsüchtig auf die Ankunft und die Familie wartend-nicht die beste Grundlage für eine friedliche Fahrt. So ergab sich nach einer halben Stunde Fahrt neben uns fast eine Schlägerei und eine weitere Stunde später ein paar Meter entfernt. Es war also doch ganz aufregend. Mehr überrascht hat mich dann, als meine Freundin mir Downloads von Martina Hills „Knallerfrauen“ auf ihrem Handy zeigte. Auf meinem Hinflug hatte ich Hills Buch „Was mach ich hier eigentlich? So 'ne Art Chinareiseroadmoviebildertagebuch“ gelesen. Darin erklärte sie unter anderem, dass ihre Comedyserie in China wohl ziemlich bekannt und erfolgreich sei (-auch zu ihrer Verwunderung). Für mich anfangs weniger vorstellen, aber naja, nun muss ich sagen: „Herzlichen Glückwunsch, Martina, jetzt hast du mich überzeugt“.
Zug- und Bahnverkehr in China sind übrigens idiotensicher und jedem zu empfehlen, der keine Platzangst hat. Angst wegen mangelnder Sprachkenntnisse braucht man nicht haben. Mit Google-Übersetzer für den Notfall und einer ausreichenden Aufmerksamkeitspanne funktioniert das.
Als wir am Abend in Dalian ankamen, landeten wir in einem Meer aus Hochhäusern, Restaurants und Autos. Ich war geflasht. Wir schleppten uns zum Hotel, wo uns eine ernüchternde Nachricht erwartete. Ausländer müssen bei Urlauben in Dalian im Vorhinein bei der Polizei gemeldet werden und dürfen nur in Hotels mit 4 oder 5 Sternen oder in einem internationalen Hostel schlafen. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Nach 1,5 Stunden Telefonieren und Diskutieren erklärten sich die Hotelbesitzer dann dazu bereit mich auf dem Sofa im Foyer schlafen zu lassen, inoffiziell natürlich. Ein spontaner Umzug in das nächste 4-Sterne-Hotel hätte uns nämlich mal eben 4 x so viel gekostet wie eigentlich einkalkuliert. Trotz dieses Kompromisses war ich erst einmal etwas gefrustet. Wo verbrachten wir die kommenden Nächte? Ein Zimmer so kurzfristig zu kriegen, ist fast unmöglich. Und die Preise von 4-Sterne-Hotels eigentlich viel zu hoch.
Anstatt viel darüber nachzudenken und mir Sorgen zu machen, legte ich mich lieber direkt ins Bett bzw. auf das gelbe, durchgesessene Sofa. Ich verließ mich auf das Talent meiner Freundin einfach alles, und wirklich ALLES, über das Handy zu regeln. Und siehe da, am nächsten Morgen hatte sie für die nächsten Nächte ein 4-Sterne-Hotel und ein Hostel gebucht.
Unser erster Tag in Dalian, der Tag des Mondfests, sah folgendermaßen aus: Erstmal Nudeln zum Frühstück. Im (Mini-)Restaurant wurde die Polizei gerufen, weil ein Mann dort zuvor beklaut worden war. Dass sich die anderen Gäste von dem Geschrei und den Diskussionen eventuell gestört fühlen könnten, kam dabei keinem in den Sinn. Anscheinend zogen wir beide, meine Freundin und ich, den Ärger an. Gesättigt setzten wir uns dann in den Zug Richtung Hotel und Küste. Nach einer Stunde durch Hochhauslandschaften (teilweise kleine Geisterstädte), Berge und Felder, waren wir immer noch in Dalian. „Diese Stadt ist so riesig“. Diese Faszination hält bis heute an. Meine Freundin stand total auf Sea Food und freute sich schon seit Tagen darauf mir alles zu zeigen. Dass ich noch nie Schnecken, Muscheln und Krebs gegessen hatte, war für sie unvorstellbar. Zum Mittagessen gab es also einen riesigen heißen Topf mit frischen Garnelen, Krebsen, (Jakobs-/Mies-/Venus-/Herz-)Muscheln, Schnecken und etwas Gemüse. Mein Fazit: Garnelen, Muscheln-JA, Schnecken-NEIN, Krebs-zu viel Piddeln für zu wenig Inhalt. Und ich lernte: Diese grüne Meerrettichsoße sollte man besser nicht pur essen...(ich musste erst einmal die halbe Reisschüssel essen, um nicht vor Schärfe zu weinen).
Zum Preis: umgerechnet 17 €. Wie billig hier gutes Sea Food ist, bestätigten mir auch die nachfolgenden Tage.
Nach dem Essen ging es ins „Discoveryland“. Ein Freizeitpark mit verschiedenen Themenwelten, Fahrgeschäften, Fressbuden, See mit Tretbooten. Bei mindestens drei Stunden Wartezeit hielt sich unsere Motivation sich anzustellen allerdings in Grenzen. Wir entschieden uns also für den Besuch zweier Shows. Eine Clown- und eine Stuntshow. Ich persönlich bin, was diese Dinge angeht, etwas übersättigt. Weniger schön fand ich außerdem zu sehen, wie Koi mit Baby-Fläschchen angelockt und gefüttert wurden. Dabei wirkten die Koi so gierig als würden sie nie ordentlich gefüttert, sondern immer hungrig gehalten werden, damit sie weiterhin den Fläschchen der Besucher hinterherjagen.
Um endlich das Meer genießen zu können, ging ich am Abend noch eine Runde am Strand spazieren. Der Blick aufs Feuerwerk #Mondfest genoss ich. Im Hotelzimmer wartete dann die nächste Überraschung auf mich. In unserem Bett, japanischer Stil, hatten sich kleine Krabbeltierchen eingenistet. Von 22-23 Uhr durften wir unser Zimmer verlassen, damit das Insektenspray seine Wirkung entfalten konnte. Als ich am nächsten Morgen neben meinem Kopf die nächsten Tierchen entdeckte, bezweifelte ich die Wirkung des Sprays. Wenigstens die Hälfte des Zimmerpreises bekamen wir erstattet. Ich war froh, dass wir für die nächsten zwei Nächte einen weiteren Versuch mit einem anderen Hotel starten würden.