2 Monate london
Die größten Katastrophen, die schönsten Abende und was sonst noch so passiert ist.
So ich melde mich dann auch mal wieder zurück :D
Mittlerweile bin ich seit zwei Monaten in London und ich muss sagen, ich bin angekommen. Ich habe Freunde gefunden und genieße jeden einzelnen Tag! Ok, natürlich ist nicht alles so gelaufen, wie es sollte, aber im Großen und Ganzen bin ich mehr als zufrieden mit dem, was passiert ist und wie es passiert ist. Aber was ist denn alles passiert?
Fangen wir mit den Katastrophen an:
Die größte Katastrophe war wohl mit Abstand meine Ankunft und die ersten Tage, die ja komplett anders gelaufen sind, als geplant. Aber (ganz großes ABER) in jedem Schlechten steckt etwas gutes! Im Nachhinein betrachtet, ist diese Katastrophe das Beste, was mir passieren konnte. Denn sonst würde ich in einem kleinen Raum mit 8 anderen Personen wohnen und in einem Doppelstockbett schlafen, das bei jeder Bewegung nahezu zusammenbricht. Jetzt habe ich mein eigenes Zimmer und kann die Tür hinter mir zu machen, wenn ich meine Ruhe möchte und (ganz wichtig) es ist niemand da, der sich über meine Unordnung aufregen könnte, wenn ich mal wieder keine Lust und/oder Zeit hatte aufzuräumen. Außerdem hält mich niemand nachts mit seinem Geschnarche wach. Ich kann kommen und gehen wann ich will und solange Filme und Serien gucken bis ich einschlafe, ohne dass es jemanden stört. Meine Kollegen sind gleichzeitig meine Freunde und wir unternehmen oft auch nach der Arbeit etwas zusammen. Und wenn ich das nicht möchte, weil ich müde und geschafft bin dann gehe ich einfach nach hause und bin allein. Ich glaube kaum, dass ich mich mit allen so gut verstehen würde, wie ich es tue, wenn wir 24/7 aufeinanderhocken würden. Also kann man sagen, dass es nicht besser hätte laufen können.
Nachdem ich die erste große Katastrophe überstanden und angefangen hatte mich einzuleben, lies das nächste Unheil nicht lange auf sich warten... Der Supergau der modernen Zeit trat ein: mein Handy war kaputt! Es ließ sich einfach nicht mehr laden, egal was ich versucht habe. Na gut ok dann muss halt ein neues Handy her. Einfacher gesagt als getan, wenn man noch keinen Lohn gekriegt hat. Die Rettung lautete Visa Kreditkarte (die auf Papa's Namen läuft). Nun kann ich diese aber nur mit maximal 500€ pro Monat belasten und ich hatte schon Geld für meine Kaution abgehoben, sodass es nicht für ein Handy gereicht hätte. Meine Eltern haben dann in Deutschland einiges geregelt, sodass ich mir ein paar Tage später ein Handy kaufen konnte. Es ist ein Huawei P9 Lite geworden und ich bin mehr als zufrieden damit.
In den dann folgenden Wochen habe ich auch meine NINo bekommen. Der Termin war zwar keine Katastrophe, aber in den ersten Wochen in London war ich ziemlich stark erkältet und genau am Tag meines Termins habe ich Fieber bekommen. Unnötig zu sagen, dass die Frau, die meine Daten aufgenommen hat schlecht gelaunt war, aber was will man anderes erwarten?
Die letzte Hürde, die es zu meistern galt, war mein Bankkonto. Da ich nicht zwei Wochen auf einen Termin in der Bank warten wollte, habe ich mich versucht online zu bewerben, was natürlich nicht funktioniert hat. Ganze drei Mal wurde ich aus dem Bewerbungsprozess heraus geschmissen. Mein Manager Timo, hat von meinem Problem erfahren und seine Kontakte spielen lassen, womit ich einen Termin in der darauf folgenden Woche hatte. Er wollte mich auch eigentlich dorthin begleiten, hat aber am Vorabend abgesagt und mir den Postcode des Gebäudes gegeben. Am nächsten Morgen bin ich dann zur mir genannten Adresse gegangen, aber weit und breit war keine Lloyds Filiale zu sehen. Na gut, dachte ich mir, du hast ja noch eine viertel Stunde Zeit, guck mal ein bisschen herum, die wird schon irgendwo sein. Nach einer dreiviertel Stunde „herumgucken“ (das Workout hatte ich damit auch schon hinter mich gebracht), kannte ich die angrenzenden drei Blocks von vorne und hinten und konnte mit Bestimmtheit sagen, dass dort keine Lloyds Filiale ist. Da ich keine Möglichkeit hatte in der Bank anzurufen und Bescheid zu sagen, dass ich zu spät komme oder nach dem Weg zu fragen, habe ich letztendlich auf Arbeit angerufen und gehofft, dass mir dort jemand helfen könnte. Lena hat ihr Bestes gegeben und letztendlich kam heraus, dass Timo mir den falschen Postcode gegeben hat, wodurch es mir unmöglich war, die Bank zu finden. Eine Woche später hatte ich einen neuen Termin zu dem mich Timo begleitet hat und mein Konto wurde erfolgreich eingerichtet.
So weit zu den Katastrophen. Was gibt’s sonst noch neues? Ich hab angefangen ins Gym zu gehen und ich kann euch sagen, es gibt nichts besseres, als sich nach der Arbeit nochmal so richtig auszupowern und anschließend im Jaccuzzi zu relaxen! Das Beste am Ganzen ist, dass alle, die in der Bierschenke arbeiten das Gym kostenlos nutzen können und das Ding ist Luxus pur! Wen es interessiert: https://www.nuffieldhealth.com/gyms/moorgate Und es ist für uns nicht nur kostenlos, sondern auch nur 5 Minuten zu Fuß von der Arbeit entfernt, also kann man auch seine Mittagspause dort verbringen, wenn man eine Doppelschicht und 2 ½ Stunden frei hat.
Was hab ich denn schon alles erlebt in London? Ziemlich viele Parties! Erstmal ist ja Freitag und Samstag Abend in der Schenke so wie so immer gute Stimmung (vom Arbeitsstress mal abgesehen). Die Gäste sind gut drauf und wir kriegen öfter mal einen Shot ausgegeben. Davon abgesehen, feiern wir danach weiter, wenn die Schicht vorbei ist. Meistens sitzen wir an der Bar und trinken Bier (die einen mehr die anderen weniger) und ein paar Shots (,ja das geht dann auf's Haus). Die besten Abende in der Schenke, an denen wir den Abend dort ausklingen lassen, sind aber mit Abstand jene Samstage, an denen beer line cleaning stattfindet. Die Jungs machen ihre Musik an und dann wird getanzt, gesungen (die Trefferquote der Töne sinkt hierbei bei steigendem Alkoholpegel), getrunken und vor allem gelacht. Wenn wir nach der Arbeit nicht in der Schenke bleiben, gehen wir meistens ins Seahorse, einem Pub der zu Fuß innerhalb von 15- 20 Minuten zu erreichen ist (kommt meistens auf den Alkoholpegel der Jungs an). Wenn dieser dann um 03:00 seine Pforten schließt, gehen wir entweder nach hause oder in jemandes Wohnung. Dieser Jemand ist dann meistens unser Manager Mika.
Ja, unser Manager feiert mit uns. Ja, er gibt uns Drinks aus. Ja wir feiern in seiner Wohnung, bis die Sonne aufgeht, dann macht er uns Frühstück und lässt uns auf seinen Sofas oder im zweiten Schlafzimmer schlafen. Wer wünscht sich nicht so einen Manager? Wir waren aber nicht nur in seiner Wohnung, bei Claudi sind wir auch alle schon einmal eingefallen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass wir jedes Wochenende sehr viel Spaß haben, und nein, dafür muss man nicht betrunken sein (sondern nur die anderen). Der letzte Samstag war besonders witzig. Unser Manager, Gerry, hatte seine Freunde zu einer Halloween Party in die Bierschenke eingeladen und uns stand es frei im Kostüm zu kommen. Das musste man mir nicht zweimal sagen. Schon Wochen vorher hatte ich angefangen mein Kostüm zu planen. Kunstblut, liquid Latex, weiße Kontaktlinsen - na erraten was es geworden ist? Exakt ein Zombie (wie ihr auch unschwer auf den Bildern erkennen könnt). Ich bin in diesem Kostüm zur Arbeit gefahren. Die Reaktionen der Menschen, denen ich begegnete gingen von Belustigung bis hin zum Erschrecken. Ich habe sogar einige Komplimente für mein Make Up gekriegt. In der Schenke kam mein Kostüm auch sehr gut an, auch wenn ich von einigen Kollegen gesagt bekommen habe, ich solle sie bitte nicht anstarren. Rebecca hat beinahe ihr IPad fallen lassen, als sie mich zum ersten Mal gesehen hat. Also ich denke man kann sagen, es ist mir ganz gut gelungen. Die anderen Mädels hatten sich vor allem geschminkt, von Vogelscheuche über Totenkopf bis hin zum Tiger war alles dabei. Die Jungs hatten sich Kostüme besorgt, womit wir einen Clown, Captain America und Robin (von Batman) herumlaufen hatten. Der Spaßfaktor an diesem Abend war vorprogrammiert. Ach ja, und danach war beer line cleaning. Am nächsten Tag haben Claudi und Amina ihre Wohnung auch mit einer Halloween Party eingeweiht zu der auch nahezu der ganze Staff eingeladen war. Die Stimmung war nicht so ausgelassen, wie am Vorabend. Es war eher ein gemütliches Zusammensitzen, aber auch das war sehr schön.
Einen weiteren schönen Abend hatte ich mit Zac, meinem ehemaligen, schwulen Kollegen. Wir haben uns in einer Bar namens Be at One im Zentrum Londons getroffen, Cocktails getrunken und (wie sollte es auch anders sein) vor allem über Jungs geredet.
Von London selbst habe ich ironischer Weise noch gar nicht so viel gesehen. Das liegt zum einen daran, dass ich schon zwei Mal hier war und die ganzen Touriplätze schon kenne, aber zum anderen auch daran, dass ich die meiste Zeit, die ich hier war gearbeitet habe. Meistens gehe ich morgens aus dem Haus und komme erst spät abends zurück. Ein paar Sachen habe ich mir aber trotzdem schon angeguckt. Da wäre zum einen Westminster, was mein Lieblingsplatz in London ist, weil hier das Historische und das Moderne aufeinanderprallen und es einfach großartig aussieht! An diesem Tag bin ich mit meinem Kollegen und besten Freund unterwegs gewesen. Er hat mir seinen Lieblingsburgerladen gezeigt (und oh mein Gott war das Essen lecker!) und anschließend sind wir nach Westminster gefahren. Wir haben einfach dort auf einer Mauer gesessen, Menschen beobachtet, gequatscht und die Atmosphäre genossen. An einem anderen Tag war ich mit meinem anderen besten Kumpel aus der Bierschenke in der National Gallery. Wir hatten unglaublich viel Spaß daran, jeglichen Blödsinn in Bilder und dargestellte Situationen hineinzuinterpretieren. Am Ende hatten wir jedoch vor allem eine riesige Reizüberflutung! Vor der National Gallery waren einige Straßenkünstler, denen wir dann noch eine ganze Weile zugesehen haben.
Und nun die Frage, die ich in letzter Zeit des Öfteren gestellt bekommen habe: Vermisse ich meine Familie und Freunde? Um ehrlich zu sein, nein. Vermissen ist zu viel gesagt. Ich sehe meine Familie nahezu jede Woche via Skype und schreibe viel mit ihr und meinen Freunden via Whatsapp. Ich freue mich jedes Mal wieder etwas Neues zu erfahren, ihre Stimmen zu hören oder ihre Gesichter zu sehen, aber Heimweh habe ich nicht. Ich bin genau da, wo ich sein will. In London. Allein. Ich wollte Zeit und Raum für mich, um Erfahrungen zu machen und herauszufinden, was es heißt auf eigenen Beinen zu stehen, was es heißt wirklich ich zu sein, ohne dass dir jemand sagt, was du wann zu tun hast (abgesehen von meinem Chef). Ich hab hier genug Abstand um das alles herauszufinden. Ich fahre nicht jedes Wochenende oder jedes zweite nach Hause und lass Mama meine Wäsche waschen (trotzdem haben meine Klamotten noch die selbe Größe, wie am Anfang). Wenn hier was passiert, bin ich erstmal auf mich allein gestellt und muss sehen, wie ich zurecht komme und das will ich auch. Ich stehe immer wieder vor neuen Herausforderungen. Manche Dinge fallen mich leicht, einige Sachen ergeben sich und bei anderen muss ich mich halt durchbeißen. Aber gerade das macht mich stärker und zeigt mir. Was ich alles schaffen kann. Letztendlich ist alles, wenn man es im Nachhinein betrachtet nur halb so schlimm, als man am Anfang gedacht hat. Und wenn es hart auf hart kommt kann ich immer noch meine Familie um Hilfe bitten. Das ist etwas, was mir auch immer noch Kraft gibt, die Gewissheit, dass ich aufgefangen werde, sollte alles komplett schief laufen. Meine Familie und Freunde sind immer für mich da und stärken mir (mental) den Rücken.
Um ganz ehrlich zu sein denke ich vor allem an meine Lieben, wenn etwas schönes passiert und ich es mit ihnen Teilen möchte, ansonsten habe ich den Kopf meistens mit so vielen Dingen voll, dass ich ganz vergesse, wie weit ich von ihnen weg bin, und dass es über 2 Monate her ist, dass ich sie umarmt und geküsst habe. Meistens passiert das eher abends, wenn ich von der Arbeit nach hause komme. Tür zu, Schuhe aus, Tasche in die Ecke – Ruhe, runterkommen. Dann gucke ich meine Bilder und Postkarten an, auf der Kommode und an der Wand. Doch was ich dann fühle ist kein Kummer. Es ist Glück. Glück eine Familie zu haben, die mich gehen und das machen lässt was ich will, was ihr mit Sicherheit nicht leicht gefallen ist. Glück immer darauf zählen zu können, dass sie mir helfen werden und für mich da sind (auch, wenn ich mich mal wieder ein paar Tage nicht gemeldet habe). Glück Freunde zu haben, die an mich denken, mir Briefe und Postkarten schicken oder einfach per Whatsapp fragen, wie es mir und was ich gerade mache. Glück das tun zu können, wovon ich schon immer geträumt habe- allein zu sein ohne allein zu sein. Ich bin mehr als zufrieden mit dem, was ich habe. Und nur so nebenbei gesagt, habe ich auch hier schon ziemlich gute Freunde gefunden. Mir geht es gut. Mir geht es unglaublich gut.
Ich hoffe ich konnte euch hiermit einen kleinen Einblick geben, was ich in letzter Zeit so getrieben habe. Wenn ihr Fragen oder Themenwünsche habt, dann schreibt sie gerne in die Kommentare.
Ich wünsche euch jetzt eine schönes Wochenende! Bis bald!
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