Zuckerbrot und Peitsche
Ostern in Tschechien – die einzige Zeit, in der es in unserer westlichen Welt gesellschaftlich akzeptiert ist, Frauen zu schlagen. Ja, Sie haben richtig gehört. Es handelt sich um einen der traditionellen Bräuche in Tschechien, die man nicht unbedingt verstehen muss, aber verstehen kann.
In den Zeiten der kommunistischen Führung war das Osterfest ersetzt durch ein “Willkommenheißen des Frühlings“. Erst ab 1989 konnte man wieder richtig feiern und den kommunistischen Brauchballast hinter sich lassen. An Ostern gibt es mittlerweile nationale Osterei-Schönheitswettbewerbe. Der Großteil der Bräuche wird jedoch auf dem Land praktiziert, wo es mitunter große lokale Unterschiede gibt.
Am Gründonnerstag (Celený čtvrtek) und Karfreitag (Velký pátek) ziehen die Männer durch die Dörfer, bewaffnet mit hölzernen Schnarren, um damit symbolisch Judas zu vertreiben. Sie ersetzen außerdem die Kirchenglocken, die angeblich nach Rom geflogen sind. Am Karsamstag machen die Männer ebenfalls Lärm, bleiben vor Wohnhäusern jedoch so lange stehen, bis ihnen der Hausherr endlich Geld gibt.
Nun aber endlich das Element, wegen welchem Sie hier sind. Der Brauch findet am Ostermontag statt, der in Tschechien auch „Peitschenmontag“ genannt wird. Es ist eine ursprünglich heidnische Tradition, die früher, als die Landwirtschaft noch einen großen Teil der Wirtschaft ausmachte, durchaus nachvollziehbar war. Die Bäuerinnen schlugen damals ihre Kühe und Bewohner des Bauernhauses sachte mit einer Weidenpeitsche. Mit dieser Praxis wollten sie die bösen Geister und Krankheiten vertreiben, um somit ihre Lebensgrundlage erhalten zu können. Beim Menschen ist die Bedeutung erweiterbar auf Werte wie Schönheit, Frische und Jugend für den Rest des Lebens.
Heute ist der Ablauf ein wenig anders. Lediglich die Jungen und Männer schlagen die Mädchen und Frauen. Dabei singen sie Osterlieder, in denen sie um Ostereier bitten. Sie bekommen meist eines und ihnen wird darüber hinaus ein buntes Band um ihre pomlázka gewickelt. Die Anzahl der Bänder verleiht einen gewissen Status, da die Peitsche umso prächtiger aussieht, je mehr Bänder um sie gewickelt sind. Mittlerweile ist es auch üblich, dass die Frauen den Männern Geld und Pflaumenschnaps geben, weshalb es kein unüblicher Anblick ist, mittags durch die Straßen stolpernde Männergruppen anzutreffen. In Mähren und der Slowakei gibt es einen abgewandelten Brauch. Hier spritzen die Männer die Frauen mit Wasser und Parfum nass.
Die Hauptrolle spielt die pomlázka, die aus Weidenzweigen gefertigt wird. In der Regel verflechtet man acht Zweige zu einer Peitsche. Es wird wertgeschätzt, wenn die Peitsche auch tatsächlich von Hand gefertigt wurde und nicht in einem Geschäft erworben wurde. Besonders in den Städten erfreuen sich diese gekauften Peitschen einer großen Beliebtheit, während sie auf dem Land verpönt sind. Manche Männer sind zu faul zum Flechten und benutzen stattdessen einen einzelnen Zweig oder einen Kochlöffel, was seitens der Frauen nicht gerne gesehen wird. Der Name „pomlázka“ leitet sich vom Verb „pomladit“ (verjüngen) ab. Die Kraft der jungen Weidenzweige soll in die Körper der Mädchen und Frauen übergehen. Die Schläge sind jedoch nur leicht und haben nicht die Absicht, zu verletzen. Man schlägt auf die unbedeckten Arme oder Beine, wobei die Mädchen und Frauen meist versuchen zu türmen, was nicht selten zu Verfolgungsjagden führt.
Die Tradition erfreut sich heutzutage immer noch großer Beliebtheit. Ein paar Kritikerinnen gibt es, doch ihnen stehen Millionen Frauen gegenüber, die die Tradition gern mitmachen. Unter den Tschechinnen, mit denen ich bisher die Ehre hatte zu sprechen, ließ sich noch keine finden, die den Brauch schlecht findet. Zudem die Tradition in Zeiten von Fifty Shades of Grey einen zeitgenössischen Hintersinn bekommt.
Quellen:
http://www.cafebabel.de/gesellschaft/artikel/tschechien-als-richtiger-mann-musst-du-mich-zu-ostern-verhauen.html
http://www.czechtourism.com/de/n/czech-easter/