Yipieh, ich bin drin!
Dielene arbeitet seit kurzem in der estnischen Kleinstadt Sillamäe in einem Waisenhaus. Dort leistet sie sozusagen Pionierarbeit, denn sie und ihre Mitbewohnerin sind die ersten Freiwilligen dort. Neben der Arbeit hat sie schon einiges unternommen und viel erlebt.
Endlich, nach eineinhalb Stunden Wartezeit hier in der Bücherei in Sillamäe, Estland, und viel Geduld mit dem Computer von annodazumal bin ich im Internet und kann meinen ersten Tagebucheintrag schreiben!
Woanders drin bin ich seit zwei Wochen auch noch, nämlich mitten im Europäischen Freiwilligendienst!
Der Abschied von zu Hause ist mir nicht gerade leicht gefallen. Mit dem Flugzeug ging es von Frankfurt nach Tallinn und gleich weiter mit dem Bus nach Sillamäe, wo ich, wenn alles gut geht, die nächsten neun Monate verbringen werde. Um 3.00 Uhr nachts konnte ich endlich in mein neues Bett fallen.
Die erste Woche musste ich noch nicht arbeiten und hatte also genug Zeit, mich ein wenig einzuleben und mich in der Stadt umzusehen. Ich weiß mittlerweile, wo die Läden, Telefonzellen, Post und anderes. sind, aber man muss ohnehin nicht lange suchen, da die Stadt nicht besonders groß ist: etwa 20.000 ausschließlich russische Einwohner hat sie. Mein Tutor Ilja hat mir alles gezeigt, ein paar seiner Freunde vorgestellt und ein Bankkonto eröffnet. Er ist erst 25 und darum wohl eher Kumpel als Tutor. Hier geht ohne russisch so gut wie gar nichts und da ich diese Sprache kaum beherrsche, war er eine große Hilfe.
Ich habe auch gleich ein neues Handy - das billigste, das es gerade gab; aber Hauptsache, es funktioniert - gekauft, weil mein Altes noch zu Hause in Deutschland den Geist aufgegeben hat.
Nach fünf Tagen ist Peggy angekommen, meine Mitbewohnerin und "Mitfreiwillige" aus Frankreich. Zusammen haben wir eine kleine Wohnung, die, als ich ankam, noch etwas spärlich ausgestattet war. Wir sind die ersten Freiwilligen hier. Mittlerweile haben wir immerhin ein Sofa und auch der Herd ist angeschlossen. Gegen die Krankenhausatmosphäre werden wir bald mit etwas Farbe an den Wänden vorgehen, und wenn wir Glück haben, bekommen wir schon in einer Woche einen Computer mit Internetanschluss - es geht also voran!
Letzte Woche haben wir dann mit unserer Arbeit angefangen. Wir arbeiten in einem Waisenhaus mit ungefähr 35 Kindern im Alter von 1 bis 18. Glücklicherweise müssen wir uns für den Anfang nur mit den Kleinsten beschäftigen, da die Arbeit mit den Älteren ohne ausreichende Sprachkenntnisse kaum möglich ist. Aber auch bei den Kleinen ist die Sprache ein großes Problem! Sie sind zwischen ein und neun Jahre alt und können, wenn ihnen langweilig wird und man Worte wie "Aufhören" oder Ähnliches nicht kennt, ganz schön anstrengend werden. Andererseits können sie auch total lieb sein und dann macht es wirklich großen Spaß mit ihnen. Man muss sie einfach mögen!
Jetzt muss ich hier nur noch ein paar Leute kennen lernen, mit denen ich ab und zu mal was unternehmen kann. Die Leute, die ich bis jetzt kennen gelernt habe, sind supernett, aber haben natürlich auch nicht immer Zeit. Sie studieren in anderen Städten oder sind selbst gerade im Ausland. In der ersten Woche ging es drunter und drüber, weil alles neu war.
Dascha, die unter mir wohnt, hat mich mit nach Narva, der estnischen Grenzstadt genommen – eine krasse Stadt; sie ist wirklich einen Besuch wert. Wir waren Pizza essen und beim Chinesen. Aber sie ist letzte Woche nach Luxembourg geflogen, Ilja ist in Frankreich, Luxembourg oder sonstwo unterwegs. Aus diesem Grund war die letzte Woche verhältnismäßig langweilig, abgesehen von der Arbeit und davon, dass uns am Donnerstag der Wohnungsschlüssel abgekracht ist und wir ausgesperrt waren.
Meine Freizeit habe ich mit Russischlernen, malen (ich male alles Mögliche und schreibe dann das russische Wort drüber; da kann ich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen: schöner Zeitvertreib, Russisch lernen und Wohnung aufpeppen), lesen und spazieren gehen zugebracht. Wird Zeit, dass ich mich mal umhöre, was man hier sonst noch so alles machen kann! Angeblich gibt es hier nicht sehr viel und mit Abends weggehen zum Beispiel sieht es wohl eher schlecht aus.
Jetzt noch was Kurzes über meine Stadt: Sillamäe befindet sich im Norden Estlands am Meer, nur etwa 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die große Strasse von Tallinn nach St. Petersburg führt hier vorbei. Auf der einen Seite ist das Meer und auf der anderen ein wunderschöner Birkenwald und See. Der "alte" Teil der Stadt (die ganze Stadt ist nicht älter als 50 Jahre und ist erst zu Sowjetzeiten gebaut worden) ist richtig schön, mit vielen grünen Parks, und wenigstens alt wirkenden Häusern im neoklassizistischen Stil. Der neue Teil ist dagegen weniger ansehnlich: Plattenbauten! Sillamäe hat eine ganz außergewöhnliche Geschichte, aber ich glaube, darüber werde ich erst nächstes Mal mehr schreiben. Für heute ist es genug und außerdem habe ich Hunger. Deshalb geh’ ich jetzt heim.