Wieder was gelernt. Die Zeit fliegt.
über Begegnungen der letzten Wochen, Erfolge und Lehren.
Nach einiger Zeit melde ich mich wieder zurück aus dem großen Shenyang. Sitzend in meinem Bett, WDR2 hörend, mit den besten Haferflocken-Keksen und Milchtee-Kaffee neben mir. Ohne Radio würde ich nur Vögelgezwitscher und ein wenig klassischen Straßenlärm hören. Glücklicherweise mehr Vögel als Autos - trotz zentraler Lage der Uni. Hier sitz ich nun also im dritten Stock, den Blick aufs Grüne und Hochhäuser im Hintergrund.
Was ist die letzten Wochen passiert? Die Zeit flog. Tatsächlich, sie fliegt weiterhin an mir vorbei. Mit Bewerbungen, Kochrezepten und Vokabellisten in der Hand, meinen Laufschuhen an den Füßen und Kuchen im Mund komme ich mir vor, wie der neueste Zeit-Pilot. Ich gerate immer wieder in interessante Situationen, durch die sich neue Geschichten ergeben. Einige davon möchte ich mit euch teilen.
Klappe. Die Erste: Vor zwei Wochen erhielt ich eine Einladung zu einem Essen. Ein Mann, zu dem der Kontakt ursprünglich aus Interesse an Englisch-Nachhilfe entstanden war. Er meldete sich nun bei mir und fragte mich, ob ich Interesse daran hätte, als Englisch- und Basketball-Lehrerin zu arbeiten. Trotz eines eindeutigen „Nein“ blieb das inklusive Essen zum Jobangebot seinerseits bestehen. Ich solle doch meine (unausgesprochen: internationalen) Freunde mitbringen. Aus verschiedenen Gründen tat ich das nicht, sondern ließ mich von einer chinesischen Freundin begleiten, die er bereits kannte. Pünktlilch trafen wir uns an diesem Abend und fuhren ins koreanische Viertel der Stadt. Dort stellte sich heraus, dass er gar nicht wusste, wo wir essen gehen würden. Er fragte also Passanten nach Empfehlungen, die uns in ein Restaurant in einer kleinen dunklen Nebenstraße führten. Wir saßen uns hin, obwohl klar war, dass sich hier keiner von uns richtig wohlfühlte. Es wurde bestellt, ein wenig (nicht gut) gegessen und die ausstehenden Bestellungen storniert. Raus hier. Unterdessen hatte unsere Begleitung eine andere Empfehlung erhalten. Dort wurde uns dann mitgeteilt, dass wir aufgrund der vielen Gäste bitte eine Stunde warten müssten. „Ist das für euch in Ordnung?“, wurden wir gefragt. Was sollten wir sagen? „Nein, wir wollen nach Hause!“, mussten wir natürlich für uns behalten. So stimmten wir zu und folgten ihm in ein drittes Restaurant. Er teilte der Besitzerin zu Beginn mit, dass wir einzig und allein zum Zeit-Absitzen hier seien. Sie war weniger begeistert, erlaubte uns aber zu bleiben. Nach einer guten Stunde voller unangenehmer Stille und noch unangenehmeren Gesprächen liefen wir zum vorherigen Restaurant zurück, wo wir nach weiteren 20 Minuten einen Tisch erhielten. Wir bestellten Reis mit Ei, Tintenfisch, Hühnerfüße, Schweinefleisch und Mais. Das meiste in einer sehr essrigen Brühe, sodass ich mein Abendbrot auf Reis und Mais beschränkte. Ich war froh, als ich nach vier Stunden endlich nach Hause konnte.
Eine andere Begegnung, die ich unter „interessante, lehrreiche Erfahrung“ abgeordnet habe: Ein 2-stündiges Kaffe-Trinken mit einer alten Bekannten aus der Kirchengemeinde. Mit vielleicht 20% Redeanteil an unserem Gespräch hielt ich mich sehr zurück. Weil ich die meiste Zeit einfach nicht wusste, wie ich mich zu den Themen äußern sollte, ohne einen heftigen Streit zu provozieren. Was soll man auf Aussagen wie „Hitler was not so bad“ reagieren? Wie kann ich mit jemanden eine vernünftige Unterhaltung führen, der mir mitteilt, dass man Freiwilligendienst und mein Aufenthalt in China sinnlos seien? Nach einiger Zeit rückte sie dann mit dem wahren Grund für ihr Interesse an einem Treffen heraus. Ich sollte sie doch bitte bei ihrer internationalen Missionierung unterstützen, mein Chinesisch aufbessern und mich als Moderatorin für Werbespots zur Verfügung stellen. Diese gewünschte Instrumentalisierung meiner Person wurde mir dann irgendwann doch zu viel, sodass ich mich verabschiedete. Die nächsten Stunden dachte ich viel über die Dinge nach, die sie gesagt hatte. Dabei konnte ich mir überlegen, wie ich mit dieser Begegnung umgehen und was ich daraus für mich mitnehmen kann.
Schönere Erfahrungen konnte ich mit meiner Mitbewohnerin sammeln, mit der ich mittlerweile immer bessere Gespräche auf Chinesisch führen kann. Über gemeinsames Kochen und Ausgehen kann man außerdem viele Unsicherheiten ablegen. Sie hilft mir netterweise beim Vokabeln-Lernen und wir werden im Juni vermutlich gemeinsam an einem Color-Run teilnehmen. Sich einen Raum teilen zu müssen, schien mir anfangs ungemütlich. Mittlerweile bin ich froh, dass ich so neue Herausforderungen, eine neue Freundin erhalten habe. Wir haben die neue Situation hervorragend gemeistert, würde ich sagen.
Ein kleiner Erfolg, von dem ich euch berichten möchte: Ich hatte einen Studenten, der zwischen Bachelorarbeit und Stipendienbewerbungen für ein Studium in Deutschland steckte, unterstützt. Gemeinsam haben wir sein Bewerbungsgespräch simuliert und uns über seine Bedenken und seine Pläne ausgetauscht. Letzte Woche kam er dann nach unserem Spielabend am Mittwoch zu mir und teilte mir glücklich mit, dass er angenommen wurde. Ich habe mich so sehr für ihn gefreut. Es war einer seiner Herzenswünsche in Deutschland studieren zu können. Ihn dabei zu begleiten, hat mich stolz und glücklich zu gleich gemacht.
Zwischen immer wieder spannenden Gesprächen konzentriere ich mich auf die wöchentliche deusche Ecke, die ich vorbereiten und durchführen muss, aufs Lernen, Joggen und Kochen. Die Vorbereitungen für meine Zukunft in Deutschland sitzen mir sowieso dauerhaft im Nacken. Ich genieße meinen Alltag, meine freie Zeiteinteilung, meine deutschen Gerichte und die Begegnungen, die diese Zeit so spannend machen.
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